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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 7. November 2012; 04:54
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  Glosse/Arbeit:
  
  > Testfall Wien
  
  Jetzt wird es eng in Wien mit der rotgruenen Koalition. Denn es geht 
  ums Geld -- um viel Geld. Die Debatte um die von SPOe- und 
  Gewerkschaftsspitze akkordierte Null-Lohn-Runde fuer 
  Gemeindebedienstete reisst Graeben von enormen Ausmass auf beiden 
  Seiten der Sozialpartnerschaft auf. Waehrend die Fuehrung der 
  FSG-dominierten Gewerkschaft der Gemeindebediensteten sich brav 
  gegenueber den Wiener SPOe-Stadtraeten zeigt, haben bereits drei 
  Hauptgruppen der Wiener GdG auch und teilweise sogar auf Betreiben der 
  FSG-Vertreter Beschluesse gefasst, die Null nicht zu akzeptieren. Von 
  den aktiven Gemeindebediensteten haben lediglich die Beschaeftigten 
  der Energieversorgungsunternehmen und die unmittelbaren 
  Magistratsbediensteten noch nicht offiziell protestiert.
  
  Auf der Arbeitgeberseite gibt es jetzt aber auch Broeseln, denn die 
  SPOe regiert ja nun nicht mehr alleine sondern hat einen 
  Koalitionspartner, der sich mittlerweile auch laut zu Wort meldet. Der 
  Standard zitiert den gruenen Klubobmann David Ellensohn: "Wir sind 
  entschieden gegen die Nulllohnrunde, solange es eine Inflation gibt. 
  Man muss die Kaufkraft staerken und nicht schwaechen." Ellensohn will 
  die Gewerkschaft nun zu Lohnverhandlungen einladen. Bloed nur, dass 
  die Gruenen in der Regierung nicht wirklich das 
  Tarifverhandlungsmandat haben -- das liegt vor allem bei 
  Personal-Stadtraetin Sandra Frauenberger.
  
  Wo die Gruenen allerdings mitzureden haben sind die 
  Budgetverhandlungen. Seit 23.Oktober liegt der Budgetentwurf von 
  Finanzstadtraetin Renate Brauner auf dem Tisch -- und darin wird ganz 
  selbstverstaendlich von einer Null-Lohn-Runde ausgegangen. Hier 
  koennten die Gruenen einhaken -- das waere allerdings fuer die 
  Koalition nicht ganz ungefaehrlich.
  
  Eine Zentralfigur der Verhandlungen sei hier aber auch erwaehnt: 
  Bundes-GdG-Chef Christian Meidlinger. Der geht derzeit ziemlich in 
  Deckung. Fuer den Standard war er zu keiner Stellungnahme bereit. Kein 
  Wunder, denn Meidlinger ist ein Zerrissener, schliesslich ist er ja 
  auch Wiener SPOe-Gemeinderat. Vor kurzem erst ist ihm eingefallen, 
  dass er auch Gewerkschaftsboss ist und unterstuetzt nun -- nachdem ihm 
  seine Parteifreundin Stadtraetin Ulli Sima jegliches Gespraech 
  verweigert hat -- die laufende Klage der Beschaeftigten der 
  Abfallberatung gegen die Gemeinde. Nur: Da geht es nur um ein paar 
  regulaere Anstellungen, aber nicht um die grossen Summen, die mit 
  einer Null-Lohn-Runde eingespart werden koennten. Meidlinger steht nun 
  vor demselben Dilemma wie einstens Rudolf Hundstorfer, der zugleich 
  GdG-Boss und Wiener Gemeinderat gewesen ist -- dieser damals 
  allerdings unter den weitaus guenstigeren Bedingungen einer 
  Alleinregierung und eineren bequemeren Budgetlage.
  
  Nun werden also auch in Wien politische Widersprueche immer mehr 
  schlagend, die bislang ganz gut unter der Tuchent gehalten worden 
  sind. Die oekonomische Enge erfordert nun ein Bekenntnis aller 
  Beteiligten auf welcher Seite sie stehen und ob sie auch danach zu 
  handeln bereit sind. Wenn der Gewerkschaftsspitze nicht doch noch 
  einfaellt, wozu sie da ist, muessten die unteren Ebenen zu 
  Kampfmassnahmen schreiten -- auch wenn das in letzter Konsequenz 
  "wilde Streiks" bedeuten wuerde. Oder die Gruenen riskieren den 
  Koalitionsfrieden. Beides ist derzeit nicht wirklich denkbar.
  
  Wahrscheinlicher aber ist es, dass nicht ganz so heiss gegessen wird 
  wie gekocht. Es wird wohl irgendeine Form der Einigung ohne den 
  grossen Krach geben. Das Ergebnis einer solchen Einigung wird aber 
  politische und auch gesellschaftliche Auswirkungen haben, die nicht 
  auf die Wiener Ebene begrenzbar sind. Denn es geht hier nicht nur um 
  die Null-Lohn-Runde oder um das Verhalten von politischen Parteien und 
  Gewerkschaftsfunktionaeren, sondern auch um die Frage, ob ein 
  Arbeitgeber ohne Verhandlungen einfach so einen Tarifbeschluss 
  diktieren kann. Bei den Bundesbediensteten hat das ja schon 
  tatsaechlich funktioniert. Waere dies auch in Wien und anderen 
  Staedten und Bundeslaendern der Fall, waeren prinzipielle 
  gewerkschaftliche Errungenschaft in Frage gestellt.
  *Bernhard Redl*
  
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