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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 31. Oktober 2012; 16:32
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International:
> Der Krieg in Syrien
Bericht einer Fact-finding-Mission, Teil 2
Von *Leo Gabriel, Wilhelm Langthaler, Evangelos Pissias (GR) und 
Fernando Romero Forsthuber (Spanien)*; Uebersetzung aus dem 
Englischen.
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Vom 29.August 2012 bis 12.September unternahmen die Autoren eine Reise 
nach Syrien, die sie als Vorbereitung eines groesseren Unterfangens 
sehen, einer Friedensmission von hochrangigen Persoenlichkeiten der 
internationalen Zivilgesellschaft. In akin 22/2012 brachten wir den 
ersten Tei ihres Berichts, der sich mit der Vorgeschichte und den 
Hintergruenden des Konflikts beschaeftigten. Teil 2 handelt von 
auslaendischen Interventionen, Sektierertum und den Moeglichkeiten des 
Ausgangs aus der politischen Misere.
Alle unsere Quellen weisen darauf hin, dass der Konflikt nicht mehr 
steuerbar sei, weil zu viele auslaendische Kraefte involviert sind. Es 
ist ein "Weltkrieg auf syrischem Boden", sagt einer der 
Gespraechspartner aus der Opposition. Falls der Konflikt tatsaechlich 
nur der Logik der nationalen Interessen gehorchen wuerde, waere er auf 
die eine oder andere Weise bereits geloest - und zwar aus 
wirtschaftlichen Gruenden. "Syrien, das eines der wenigen Laender ohne 
Auslandsverschuldung war, hat in 18 Monaten 150 Milliarden Dollar 
verloren, es wird mehr als 30 Jahre dauern, um sich von diesem Krieg 
zu erholen." erklaeren unsere Quellen.
Seit dem Ausbruch des Konfliktes haben fast alle Weltmaechte ihre 
geopolitischen Interessen in Syrien, das als Schlussstein der 
politischen Architektur des Nahen Ostens betrachtet wird, entdeckt. 
Seit der Zeit des Kalten Krieges ist Syrien einer der engsten 
Verbuendeten der ehemaligen Sowjetunion und bis jetzt unterhaelt 
Russland seine wichtigste Militaerbasis in der Region.
Auf der anderen Seite entwickelte sich, nach einem Fuehrer der 
Kommunistischen Partei des Libanon, eine Allianz zwischen den USA mit 
dem, wie es Obama nennt, "gemaessigten Islam" in Qatar, der Tuerkei 
und Saudi-Arabien (trotz der wahabitischen Fundamentalisten dort), die 
die Muslim-Bruederschaft in Syrien militaerisch unterstuetzt.
Ein fuehrendes Mitglied der Libanesischen Hisbollah analysierte die 
Situation so: "Nach dem Rueckzug der US-Truppen aus dem Irak oeffnete 
sich ein strategischer Korridor von Teheran nach Bagdad, nach Beirut 
und Damaskus. Es formiert sich eine neue strategische Allianz ohne 
Kairo. Worum es in Syrien geht, ist nicht die Demokratie sondern das 
strategische Gleichgewicht im gesamten Mittleren Osten. Wir koennen 
nicht erlauben, dass die Hauptfront gegen Zionismus und Imperialismus 
zerschlagen wird."
Dies ist auch der Grund weshalb der Konflikt eine religioese Dimension 
bekommen hat. Fast alle unsere Gespraechspartner wiesen auf die 
Kontroversen zwischen Sunniten und Schiiten incl. Alewiten hin, ebenso 
zwischen Christen und Muslimen, was von den Aufstaendischen benuetzt 
wirden, um das Fehlen von Ideologie in der gesamten 
Widerstandsbewegung zu ueberdecken.
Vorschlaege fuer den Frieden durch politischen Dialog
Alle diese Faktoren machen es nicht nur ungeheuer schwer, die 
Situation zu analysieren, sondern auch ueber einen Weg nachzudenken, 
der heraus fuehrt. Nur in einem Punkt waren die Bevoelkerung und die 
politischen Fuehrer trotz der Komplexitaet des Konfliktes, trotz der 
Verschiedenheit der Sichtweisen und trotz der extremen Polarisierung 
einig: Wir muessen die Gewalt beenden.
Aber wie? Das war auch fuer uns die grosse Frage, was koennen wir als 
normale Mitglieder der Zivilgesellschaft verschiedener europaeischer 
Laender empfehlen? Wir sind keine offiziellen Mediatoren, und koennen 
die Global Players in ihrer Haltung zu einem Konflikt von 
geopolitischen Interessen dieser enormen Groesse nicht beeinflussen.
Was wir tun koennen, ist zu versuchen unsere Gespraechspartner und die 
Zivilgesellschaft Syriens zu ueberzeugen, dass der Dialog dringend 
erforderlich ist, um den Konflikt von einem militaerischen in einen 
politischen umzuwandeln. In den meisten Interviews haben wir den 
Wunsch nach einem solchen Dialog in Syrien entdeckt, auch wenn gesagt 
wurde, die andere Seite wuerde das nicht wollen.
Um keine Ausreden gelten zu lassen muss dieser Dialog ohne 
Vorbedingungen beginnen. Das bedingt, dass weder der sofortige Fall 
der Anfuehrer des Regimes, besonders B. Assads Ruecktritt, noch die 
sofortige Entwaffnung der Opposition, noch der Rueckzug der Armee 
Bedingungen fuer einen solchen Dialog sein koennen.
An diesem Dialog kann jede real und sozialpolitisch verwurzelte Kraft 
teilnehmen, die wirklich bereit ist, sich zu engagieren. Notwendig ist 
das Entstehen einer neuen Art von politischen Akteuren, die der Welt 
zeigen, dass Frieden nicht nur notwendig sondern auch moeglich ist. 
Diese Akteure muessen aus den aermeren Nachbarschaften ebenso kommen 
wie aus den Wohnvierteln, den Regierungsbereichen und der Opposition, 
aus den von der Armee kontrollierten Gebieten ebenso wie aus den von 
den Aufstaendischen kontrollierten.
In diesem Dialog, der aus vielen Dialogen auf lokaler und regionaler 
Ebene besteht, muessen die unmittelbaren Beduerfnisse der Bevoelkerung 
Prioritaet haben: Medizinische Versorgung, Ernaehrung, Behausung und 
Sicherheit. Letztere sollte durch unbewaffnete Menschenrechtskomitees 
sichergestellt werden, die in staendigen Verhandlungen mit den 
Bewaffneten beider Seiten stehen. Gleichzeitig sollte ein nationaler 
Dialog eroeffnet werden, der in Syrien oder auch in einem anderen Land 
stattfinden kann. Dort sollten die Bedingungen sowohl fuer eine 
dauernde Waffenruhe als auch fuer einen demokratischen Wandel 
festgelegt werden. Beide Seiten, die Regierung ebenso wie die 
oppositionellen Kraefte, sollten Repraesentanten entsenden mit der 
Vollmacht, einen Prozess in Gang zu setzen, der zu freien Wahlen einer 
verfassunggebenden Versammlung fuehrt.
Es muss eine syrische Loesung geben oder es gibt gar keine Loesung in 
diesem Konflikt!
(Uebersetzung: -ig- / gekuerzt)
Original: http://akinmagazin.wordpress.com/2012/10/02/war-in-syria-the-threads-of-a-blood-drained-carpet/
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