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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 31. Oktober 2012; 16:13
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Moderne Zeiten:
> Preise fuer die grossen Brueder und Schwestern
Die Big Brother Awards 2012, die Preise fuer herausragende Leistungen 
zur Foerderung von Ueberwachung und Bevormundung, wurden letzte Woche 
vergeben. Diesmal haette es beinahe auch die Gruenen erwischt. Aber 
deren Nominierung ist an sich schon bemerkenswert.
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Es ist ja so bequem: Als Nutzer muss man sich nur einmal anmelden, und 
schon koennen alle Dienste von Google personalisiert genutzt werden. 
Da die Eingabe von Nutzername und Passwort so aufwendig ist, wird als 
besonderer Service zusaetzlich angeboten, gleich angemeldet zu 
bleiben, und so wird das Bild, den eigenen Account-Namen rechts auf 
zahlreichen Webseiten zu sehen immer vertrauter. Google hatte 
erklaert, mit der Zusammenfuehrung der Daten die "Nutzung unserer 
Produkte noch unkomplizierter und intuitiver" machen zu wollen, zum 
Beispiel ueber eine verbesserte personalisierte Suche. Zudem koenne 
man so passendere Werbung anzeigen. Doch was bequem und intuitiv ist, 
muss nicht immer rechtens sein, zumindest wenn man der EU-Kommission 
glaubt, die meint "Google verstoesst bei Datenschutz gegen EU-Gesetz". 
Denn nach EU-Recht duerfen Informationen nur fuer den Zweck verwendet 
werden, fuer den sie erhoben wurden.
Googles Datenkrake war der Jury der 14. oesterreichischen Big Brother 
Awards (BBA), die am 25.Oktober vergeben wurden, den ungeliebten Preis 
in der Kategorie "Weltweiter Datenhunger" wert. Ausserdem nominiert in 
dieser Kategorie waren das EU-Projekt INDECT ("Intelligentes 
Informationssystem zur Unterstuetzung von Ueberwachung, Suche und 
Erfassung fuer die Sicherheit von Buergern in staedtischer Umgebung") 
und Aussenminister Spindelegger fuer die Weitergabe oesterreichischer 
Polizeidatensaetze an die USA.
Kurt Schuegerl von der Digilight Werbe- und Netzwerk GmbH darf sich 
hingegen ueber den Preis "freuen" fuer die Fahndungsinserts auf den 
Infoscreens in den OeBB-Bahnhoefen -- bei denen Verdaechtige (fuer die 
die Unschuldsvermutung offensichtlich nicht gilt) mit Namen und Foto 
der Oeffentlichkeit praesentiert werden. Nominiert wurde in dieser 
Kategorie unter anderen auch -- fuer diese Partei besonders 
peinlich -- Wiens gruene Vizebuergermeisterin Maria Vassilakou. Denn 
waehrend alle grossen WLAN-Anbieter in Oesterreich ihre Dienste nicht 
nur kostenlos sondern auch anonym anbieten (wie die Asfinag, die 
Westbahn, McDonald's und Tankstellen) und an zahlreichen Plaetzen in 
Wien mit freewave voellig unzensuriert die Weiten des Internets 
erkundet werden koennen, muss man sich beim WLAN der Stadt Wien mit 
der Handynummer identifizieren.
Preis fuer Pinkelpause
Auch ein SPOe-Mandatar bekam sein Fett resp. den Preis ab -- wenn auch 
fuer einen Akt der Hilflosigkeit. Denn Johann Maier, Vorsitzender 
Datenschutzrat und Nationalratsabgeordneter geriet in die Position als 
Diener zweier einander widersprechender Herren. Denn waehrend der 
Datenschutzrat sich einstimmig gegen die Vorratsdatenspeicherung 
ausgesprochen hatte, haette Maier mit seinem Parlamentsklub dafuer 
sein muessen. Was machte Maier in diesem Zwiespalt? Als die 
Vorratsdatenspeicherung im Parlament zur Abstimmung kam, fehlte er, da 
ihn ploetzlich ein menschliches Beduerfnis ueberkam. Die Pinkelpause 
dauerte lange genug, um sich der Abstimmung zu entziehen. Die 
Vorratsdatenspeicherung wurde mit den Stimmen der anwesenden 
Abgeordneten von SPOe und OeVP beschlossen.
Vielleicht waere es aber doch besser gewesen, der OeVP diesen Preis 
zuzugestehen, deren Ministerinnen in vollem Einklang mit ihren Idealen 
gehandelt hatten. Nominiert waren naemlich noch zum Einen das Innen- 
und Justizministerium fuer die Ausarbeitung der Novelle des 
Sicherheitspolizeigesetzes (SPG). Die wesentlichste Gesetzesaenderung 
war hier, dass die "erweiterte Gefahrenforschung" kuenftig auch bei 
Einzelpersonen moeglich ist. Bisher war der Einsatz dem Staatsschutz 
nur bei Gruppen ab drei Personen erlaubt. Genehmigt werden muss die 
Gefahrenerforschung vom Rechtsschutzbeauftragten. Dieser ist zwar 
weisungsfrei, allerdings im Innenministerium angesiedelt.
Zum Anderen war aber auch ein zweites Mal das Innenministerium 
nominiert fuer die Unterstuetzung des europaeischen Programms "Clean 
IT" zur Einfuehrung des glaesernen Internet-Users (siehe akin 
20/2012).
In der Kategorie "Behoerden und Verwaltung" gewann die 
Parlamentsredaktion den Preis dafuer, dass die Daten von 
Online-Petitionsunterzeichnern automatisch Google ausgeliefert werden. 
Nominiert war auch die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft 
(SVA). Denn wer sich zu wenig bewegt, raucht, trinkt, oder einen zu 
hohen Blutdruck hat, wird bei der SVA seit Jahresbeginn benachteiligt. 
Die SVA hat naemlich ein Bonus-Malus-System eingefuehrt. Wer zusammen 
mit dem Hausarzt gewisse Gesundheitsziele definiert und diese auch 
einhaelt, dem wird der Selbstbehalt beim Aerzte-Honorar von 20 auf 10 
Prozent heruntergesetzt. Das Ganze geschieht natuerlich "freiwillig" 
und der stv. SVA-Obmann McDonald stellt via Aussendung fest "Wir haben 
es in der Hand, unsere Versicherten zu einem gesuenderen Lebensstil zu 
motivieren und ihnen damit mehr gesunde Lebensjahre zu ermoeglichen". 
Patienten, die nicht wollen, dass ihnen vorgeschrieben wird, wie sie 
zu leben haben, werden allerdings bestraft: Sie kommen nie in den 
Genuss dieser Reduktion, sie beugen sich nicht der Oekonomie des 
Gesundheitssystems. Dass dabei auch chronisch Kranke und aeltere 
Menschen bestraft werden, ist nur einer der Nachteile dieses Systems. 
In der aktuellen Urbefragung der SVA Versicherten zeigt sich auch der 
Umgang der SVA mit personenbezogenen Daten. Die individuelle Nummer 
des SVA-Fragebogens der Urbefragung fand in einer personalisierten 
Email-Aussendung der Jungen Wirtschaft bereits seine Verwendung.
Ausserdem nominiert war die E-Control mit ihren "Schnueffelzaehlern". 
Mit den intelligenten Stromzaehlern ("Smart Metern") laesst sich 
feststellen, ob jemand alleine lebt, ob am Herd oder mit der 
Mikrowelle gekocht wird, oder welches TV-Programm abends laeuft. 
Dieses Verhalten duerfte daher nicht nur fuer 
Haushaltsgeraetehersteller interessant sein, sondern auch fuer 
Lebensmittelhaendler oder Anbieter von DVDs oder 
Streaming-on-Demand-Diensten. Bis jetzt war es ausreichend, dass 
jaehrlich der Stromverbrauch abgelesen wurde, ab jetzt soll das 
mindestens alle 15 Minuten erfolgen: In Oesterreich sollen bis 2019 
fast alle 5,5 Millionen mechanischen Zaehler durch die digitalen Smart 
Meter ersetzt werden.
Gesundheit!
Auch wenn die SVA den Preis letztlich nicht bekam, konnte der 
Gesundheitsbereich doch noch punkten. In der Kategorie "Business und 
Finanzen" wurde "IMS Health" ge- oder besser entehrt fuer ihr 
Ansinnen, Aerzten ein Honorar dafuer zu bezahlen, dass diese ein 
Plug-in in ihrer Praxis-Software installieren, womit Patientendaten 
wie Geschlecht, Geburtsjahr, Krankenscheinart, Diagnosen, Medikamente, 
Dosierung, Therapie oder Laborwerte an diese US-amerikanische Firma 
weitergeleitet werden koennen. Diese Datenvolumina sollen natuerlich 
alle anonymisiert weitergegeben werden und laut IMS Health fuer eine 
Studie dienen, um die Diagnose- und Therapiegewohnheiten 
niedergelassener Aerzte in Oesterreich zu erfassen. Die Aerztekammer 
warnt ihre Mitglieder dringend davor, sich auf derlei einzulassen.
Soweit die BBA-Jury-Preise. Aber auch der Publikumspreis war 
gesundheitsorientiert. Dieser ging -- wenig ueberraschend -- an die 
Verfechter der elektronischen Gesundheitsakte ELGA.
(BBA, diverse / akin)
Mehr ueber alle Nominierten:
http://www.bigbrotherawards.at/2012/
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