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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 31. Oktober 2012; 16:35
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Debatten:

> Ueber den paternalistischen Umgang der Armutskonferenz mit den Armen

Eine Unmutsaeusserung der "Aktiven Arbeitslosen"
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Heuer sind zum ersten Mal VertreterInnen von
Betroffenenselbstorganisationen als KoreferentInnen in Arbeitsgruppen
geladen. Das soll wohl eine groessere Einbeziehung Betroffener
signalisieren. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt aber anderes:

-) Die Armutskonferenz hat sich die ihr genehmen Personen einzeln
heraus gepickt. Der Armutskonferenz gegenueber kritisch eingestellte
Personen wurden natuerlich nicht angesprochen.

-) Obwohl es mit "sichtbar bleiben" bereits ein Netzwerk der
Betroffenenselbstorganisationen gibt, wurde diese (wieder einmal)
nicht einbezogen.

-) Sogar die einzelnen Selbstorganisationen wurden nicht angesprochen.
Es wurden da nur die Einzelpersonen eingeladen, sodass mitunter
Vereinsvorstaende erst durch das Programm erfuhren, dass ihr Verein
bei der Armutskonferenz vertreten ist.

-) Heisse, aktuelle Themen gibt es bei der "9. Armutskonferenz"
sowieso nicht. Sie dient wohl eher der Armutsbranche dazu, sich
gegenseitig auf die Schulter zu klopfen und zu beweihraeuchern.

Unter der Obhut der "Eltern"

Auch sonst agiert die Armutskonferenz - so wie bisher - ueber die
Betroffenen hinweg und informiert diese nicht einmal, wenn die
Armutskonferenz eine Pressekonferenz oder Presseaussendung macht. Auch
die "Evaluierung" der Mindestsicherung wurde wieder einmal ueber die
Betroffenen hinweg gemacht. Zur Abschaffung der befristeten
Invaliditaetspension, die nicht nur weniger Geld sondern auch mehr
Stress durch das AMS bringt, ging sie ueberhaupt auf Tauchstation.

Damit zeigt sich wieder einmal, dass die Armutskonferenz nur
halbherzig die Betroffenenselbstorganisationen und deren neue
Plattform unterstuetzt. Die Armutskonferenz zeigte bislang eine recht
paternalistische Einstellung, in dem sie sich einige bevorzugte
Vorzeigearme hielt und diese der Oeffentlichkeit vorfuehrte. Bei
"sichtbar werden" - der Projektschiene fuer
Betroffenenselbstorganisationen - war stets die sanft elterliche
Gewalt im Spiel, auf dass es ja nie zu selbstaendig und zu politisch
wurde.

Die recht beschraenkte Einbeziehung der
Betroffenenselbstorganisationen sollte wohl eher das Themenmonopol der
Armutskonferenz auf das Thema sichern als neue eigenstaendige Stimmen
neben sich aufzubauen.

Vorsicht: Der Name truegt

Bei der "Armutskonferenz" handelt es sich nicht um eine breite
Plattform bei der sich alle AkteurInnen zum Thema Armut auf gleicher
Augenhoehe treffen. Es handelt sich auch nicht um eine "nationale
Armutskonferenzen" wie in Deutschland oder anderen EU-Staaten, sondern
primaer um eine private Interessenvertretung der Armutsbranche.

Menschenrechte: Armutskonferenz auf Tauchstation?

Als vor eineinhalb Jahren beim von der Armutskonferenz organisierten
Treffen "sichtbar machen" die vertretenen
Betroffenenselbstorganisationen den Aufbau einer eigenstaendigen
Plattform beschlossen, stellten die Arbeitsloseninitiativen als
Bedingung, dass die Armutskonferenz sich gegen die
menschenrechtswidrigen Bezugssperren beim AMS und bei den
Sozialaemtern (Mindestsicherung) distanziere.

Davon ist uns bis heute noch nichts bekannt. Grosse Mitglieder der
Armutskonferenz wie Caritas (z.B. "Job aktiv"), Volkshilfe (z.B.
"Kommuna"), Rotes Kreuz (z.B. "Visitas") und vor allem der Dachverband
der Sozialoekonomischen Betriebe bdv fuehren nach wie vor
Arbeitszwangmassnahmen im Rahmen des neoliberalen Aktivierungs- und
Arbeitszwangregime durch, die unter bestaendiger Sanktionsdrohung den
Armen und Arbeitslosen aufgezwungen werden.

Mitglieder der Armutskonferenz umgehen dabei auch mit den
"Transitarbeitskraefteregelungen" von BASGS- und BABE-Kollektivvertrag
regulaere Kollektivvertraege und bieten oft nur eine sehr geringe und
unserer Meinung nach sittenwidrigen Pauschalentlohnung an: Keine
Anrechnung von Vordienstzeiten und Qualifikationen, keine der
Taetigkeit entsprechende Bezahlung und gewaehren auch keine
Gehaltsvorrueckungen. Bei diesen Programmen der "Hilfsorganisationen"
handelt es sich fuer uns um nichts anderes als um Ein-Euro-Jobs auf
oesterreichisch. Oft werden diesen "Arbeitsverhaeltnisse" zweimonatige
"Arbeitstrainings" vorgeschaltet, bei denen die Arbeitslosen und Armen
gratis fuer die "Hilfsorganisationen" ("Bezahlung" = AMS-Bezug oder
Mindestsicherung) arbeiten duerfen.

Die Geschaeftsgrundlage dieser "Hilfsorganisationen" und
"sozialoekonomischer Betriebe", die sich via Armutskonferenz gerne als
"soziale Betriebe" darstellen wollen, liegt also in der Entrechtung
der Armen und Arbeitslosen. Die Bezahlung liegt eher am unteren Ende
des Niedriglohnsektors und oft dank Teilzeitjobs sogar unter der
Armutsgrenze und kann kaum als Beitrag zu Armutsbekaempfung bezeichnet
werden.

Eine entsprechende Klarstellung der Armutskonferenz, dass diese
menschenverachtenden Praktiken ihrer Mitglieder nicht in Ordnung sind,
liegt uns leider noch immer nicht vor.

Daher kann der Verein AKTIVE ARBEITSLOSE der Armutskonferenz leider
nur ein Armutszeugnis ausstellen und wird wieder die Rechte der von
unter Mithilfe von Mitgliedern der Armutskonferenz entrechtete
Menschen einfordern, die unter Mithilfe von Mitgliedern der
Armutskonferenz entrechtet werden. ###



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