**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 17. Oktober 2012; 04:02
**********************************************************
International/Initiativen:
> Anders als das ESF
Neuer Anlauf fuer eine europaeische Koordination des Widerstandes
Vom 14. bis 16.September trafen sich in Mailand Veteranen des 
Europaeischen Sozialforums (ESF) und einige Vertreter Neuer sozialer 
Bewegungen, um im November in Florenz einen neuen Anlauf fuer eine 
Europaeisierung der sozialen Bewegungen zu nehmen. «Florenz wird keine 
Wiederholung des ESF sein», wurden die Organisatoren des Treffens 
«Florenz 10+10» vom 8. bis 11.November nicht muede zu betonen. Sicher, 
der Name enthaelt den Hinweis auf das erste Europaeische Sozialforum 
im November 2002, ein Jahr nach dem Debakel von Genua und nur wenige 
Monate vor der weltweiten Demonstration gegen den Irakkrieg. Eben 
diese Positionierung verweist aber auch auf ein Grundproblem, das das 
ESF nie loesen konnte: die Unfaehigkeit, zu gemeinsamem Handeln zu 
kommen. Bei der politischen Bandbreite, die das ESF hatte, war es 
verstaendlich, dass es nicht mehr sein konnte als eine Kontakt-, 
Informations- und Vernetzungsboerse. Das reichte schon damals nicht 
und heute, nach der Krise 2008 und der Beschleunigung, die die 
europaeische Integration erfahren hat, schon dreimal nicht.
Konzentration
Florenz 10+10 steht deshalb unter dem Druck, konkrete Verabredungen 
fuer Aktionen treffen zu wollen, und zwar nicht nur fuer einmalige 
Grossdemonstrationen, sondern auch fuer langfristige gemeinsame 
Kampagnen. Die Herausforderung wird darin bestehen, sich auf ein, zwei 
Kernfragen zu konzentrieren, die fuer alle relevant sind, unabhaengig 
davon, was sonst ihr Arbeitsschwerpunkt ist.
Auch sonst praegt Konzentration das Bild der Programmgestaltung: 
Vorbei die Zeiten, wo jede Gruppe ihre Seminare anbieten konnte mit 
dem Effekt, dass die Rufe nach Zusammenfuehrung thematisch aehnlicher 
Veranstaltungen verhallten und vieles parallel lief, ohne 
zusammenzukommen. Auch die schier endlose Liste mit Aktionsvorhaben, 
die am Schluss verkuendet wurde, gehoert nun der Vergangenheit an: 
Florenz 10+10 versteht sich explizit nicht mehr als Forum, auf dem 
dargestellt wird, was die einzelnen Initiativen tun, sondern als 
Arbeitskonferenz, um herauszufinden, was gemeinsam getan werden kann.
Seminare koennen bis zum 10.Oktober nur angemeldet werden, wenn sie 
die Unterschrift von mindestens drei Organisationen aus drei 
verschiedenen Laendern tragen. Da ist der Zwang zur Kooperation schon 
im Vorfeld angelegt. Die Begrenzung der Raeumlichkeiten auf 5 grosse 
Saele (250-1000 Teilnehmer) und 30 kleinere Raeume (20-100 Leute) tut 
ein Uebriges, den Wildwuchs im Zaum zu halten. Die Schlusserklaerung 
soll explizit einen Aufruf fuer wenige gemeinsame Aktionen enthalten. 
In dieselbe Richtung ging auch der Wunsch, eine gemeinsame Losung zu 
finden. Ein erster Vorschlag war: Enough is enough! Resist Austerity! 
Europe to the people, not the banks!
Politisierung
Die Netzwerke kommen deshalb nicht zu kurz: sie haben zwei Tage zur 
Verfuegung, um Absprachen untereinander zu treffen. Sie muessen sich 
einfuegen in fuenf thematische Bloecke: Demokratie (worunter 
Antifaschismus und Migration, aber auch die Konzeption eines anderen 
Europa fallen); Finanzkrise und Schulden; Arbeit und soziale Rechte; 
die Commons (natuerliche Ressourcen und oeffentliche Dienste); Europa 
in der Welt (Kriege etc.). Genderfragen sind Querschnittfragen. Die 
Gruppen, die sich diesen Bloecken zuordnen gestalten ihr Programm 
selbst, mit Hilfe eines Assistenten aus dem Orga-Team. Es gibt keine 
zentrale Programmgruppe mehr.
In Florenz trifft sich, was an einem europaeischen Gegenentwurf 
arbeiten will. Das gemeinsame Anliegen heisst: Europa neu begruenden - 
einschliesslich der Frage der Oekonomie und der Institutionen (an 
diesen beiden Punkten war der Entwurf einer Charta der Grundsaetze 
fuer ein anderes Europa 2007 gescheitert). In Mailand stand deutlich 
der Wille im Vordergrund, die Debatte ueber Europa zu politisieren und 
Raum fuer «strategische Diskussionen» zu haben. Dies passt in das 
Korsett der thematischen Bloecke und der Zusammenfuehrung von 
Initiativen nicht wirklich rein; streng genommen markiert die 
Faehigkeit dazu den Uebergang von einer sozialen Bewegung zu einer wie 
auch immer gearteten politischen Kraft. Ein ueberzeugendes Format fuer 
diesen «6.Block» gab es in Mailand noch nicht, man hat nur verabredet, 
dass «ausreichend Raum und Zeit» dafuer sein sollte.
Erweiterung
Schliesslich betonten alle die Wichtigkeit, die seit der grossen Krise 
aufgetretenen neuen Bewegungen wie Occupy oder 15M in Spanien zu 
integrieren. In der Praxis ist das nicht einfach, weil die politischen 
Kulturen unterschiedlich sind. So wollten deren in Mailand anwesende 
Vertreterinnen, dass es in Florenz einen Moment geben sollte, wo die 
Konferenz den Tagungsort (die Fortezza da Basso) verlaesst und auf dem 
oeffentlichen Platz den Kontakt zur Bevoelkerung sucht. Und sie 
wollten diesen Moment gestalten.
Waehrend ersteres jedoch ohne weiteres auf Zustimmung stiess, gab es 
bei letzterem die Befuerchtung, es koenne in der Oeffentlichkeit ein 
Bild von der Konferenz praesentiert werden, das ihr nicht wirklich 
entspreche. Da bleibt noch viel zu tun, um gegenseitiges Misstrauen zu 
ueberwinden.
(Angela Klein, SoZ)
Quelle: http://www.sozonline.de/2012/10/auf-nach-florenz/
Link: http://www.firenze1010.eu/index.php/en
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin