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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 10. Oktober 2012; 04:15
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Glosse:
> Krank feiern ist besser als krank zu sein
Krankfeiern: Subversive Strategie oder einfach Notwendigkeit?
Der "blaue Montag" wird in manchen Arbeitszusammenhaengen zelebriert,
ArbeitnehmerInnen werden dann zu muede, sich an ihren Dienstzeiten zu
orientieren, in manchen Branchen kann es auch ein Dienstag sein, der
Unlust erzeugt, aufzustehen, um der Sinnlosigkeit oder
Unterbezahltheit der eigenen Werktaetigkeit nachzugehen. Fuer alle
Beschaeftigten in Normalarbeitsverhaeltnissen gilt nach wie vor, dass
drei Tage Krankenstand, also Abmeldung von der eigenen
Arbeitsfaehigkeit unkontrolliert und ohne Arztbestaetigung moeglich,
denkbar und somit durchfuehrbar sind. (Anm.d.Red.: Was aber auch nur
Usus ist und ueblicherweise keinen Rechtsanspruch darstellt.)
Es ist nicht einzusehen, dass ein Mensch, der jahrzehntelang in ein
Arbeitsverhaeltnis gepresst wird, welches ihm laecherliche fuenf bis
sechs Wochen Ferien pro Jahr zugesteht, dieses bis zum Altern
akzeptieren muss. Wenn die Leute aus den oberen Etagen der Meinung
sind, sie wuerden ja auch arbeiten, dann ist das nicht unser Problem.
Erstens wollen wir ihren Profit gar nicht, denn ihre Arbeit beinhaltet
unsere Ausbeutung, zweitens arbeiten wir um einen Lohn, von dem wir
nur mehr spaerlich unser Leben bezahlen koennen.
Das Krankfeiern ist aber aus noch einem anderen Grund nicht
unberechtigt: Denn wer krankfeiert macht genau das, was uns doch immer
gepredigt wird, maemlich Vorbeugung. Wer einen Tag, an dem er
verkatert ist oder einfach voellig unlustig zu arbeiten, zu einem
Krankenstandstag erklaert, tut das ueblicherweise nicht ohne Grund -
denn heutzutage kann man sich sowieso nicht mehr viele
Krankenstandstage leisten. Wenn es also trotz formaler Gesundheit gar
nicht gut erscheint, in die Arbeit zu gehen, heisst das, dass an einem
solchen Tag die Belastung, es doch zu tun, enorm waere. Das ist aber
genau das, was besonders gesundheitsschaedlich ist. Also ist
Krankfeiern nichts anderes als ein vorsorglicher und daher
berechtigter Krankenstand.
Zum Krankfeiern also ja: Aber sich nicht erwischen lassen! Wer noch im
bequemen Sessel eines regulierten Arbeitsvertrages sitzt, sollte sich
seine Arbeitsvertraege und Betriebsvereinbarungen genau durchlesen,
sollte sich aber auch vergewissern, dass Arbeitgeber heutzutage von
durchschnittlichen Krankenstaenden von etwa 6 Tagen pro Jahr ausgehen.
ArbeitnehmerInnen, die auffaellig mehr Tage Krankenstand beanspruchen,
koennten genauer kontrolliert werden. So viele schoene Montage, die
ein Liebster mit seiner Liebsten bequem schlafend zuzubringen gedenkt,
sind da gar nicht mehr moeglich. Eine Kuendigung kann ohne Begruendung
ausgesprochen werden. Das soziale Netz wird zerissen, Menschen unter
Armutsgefaehrdung und Not und Arbeitslosigkeit werden immer noch nicht
adaequat solidarisch ihren Beduerfnissen gerecht danach gefragt, was
sie benoetigen,
Wer kann in diesem gesellschaftlichen System noch gesund bleiben?
Lustvoll leben koennen noch jene, die es sich leisten koennen, "NEIN"
zu ihrem Alltag zu sagen. Jene, die entweder "Rauchen, Saufen, Sex"
oder "Bergsteigen" zu ihrem Lebensgefuehl erklaeren und dieses
durchzusetzen vermoegen.
Hermes Phettberg feierte dieser Tage seinen 60igsten Geburstag
Eine Seite hatte im die "Salzburger Nachrichten" geschenkt - nicht
ohne pausenlos zu betonen, dass ihm wohl seine "Masslosigkeit" in die
relative Armut getrieben haette. Die Perversion, Menschen, die es doch
erreicht haben, andere zu erreichen, letztlich der Demuetigung ueber
Text und Bild preiszugeben, ist wohl die Genugtuung der Buergers
hierzulande, doch endlich wieder sagen zu koennen: Abschaum gehoert zu
Abschaum und ich kann darauf heraubschauen. Es ist einem buergerlichen
Medium ein Genuss gewesen, hundertmal zu betonen, dass ein Mensch, der
der Gesellschaft tatsaechlich einen Spiegel vorgehalten hatte, nun
gedemuetigt auf Sozialhilfe angewiesen ist.
Manchmal erstickt das Schreien.
(Name des Autors oder der Autorin der Redaktion bekannt.)
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