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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 25. September 2012; 22:58
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Moderne Zeiten
> Clean IT: Privatisierte Ueberwachung
Seltsame Cybercops treffen sich im November in Wien
Der naechste Anschlag auf Netzneutralitaet und Meinungsfreiheit: 
Europaeische Internet-Anbieter sollen alle Internet-Verbindungen 
ueberwachen und bestimmte Inhalte herausfiltern. Das schlaegt das 
"Clean IT"-Projekt einiger EU-Staaten in einem internen Entwurf vor, 
den die NGO European Digital Rights (EDRi) juengst veroeffentlicht 
hat. Im "Kampf gegen Terrorismus" sollen Firmen ihre 
Geschaeftsbedingungen verschaerfen, teilweise am Gesetzgeber vorbei.
Finanziert von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmstroem wollen 
Strafverfolgungsbehoerden zusammen mit Providern und 
Filter-Herstellern "freiwillige Verhaltensregeln" aufstellen, um die 
"terroristische Nutzung des Internets einschraenken" und die "illegale 
Nutzung des Internets bekaempfen".
Die bisherigen Treffen der Initiative haben vornehmlich Firmen 
angezogen, die Filtertechnologien herstellen und Absatzchancen fuer 
ihre Produkte sehen. Und deren Arbeit hat sich ausgezahlt, wie ein 
internes Dokument belegt. European Digital Rights hat soeben einen 
Entwurf der angepeilten Verhaltensregeln veroeffentlicht. Darin findet 
sich ein ganzer Katalog an schlechten und gefaehrlichen Massnahmen, 
darunter zahlreiche Vorschlaege fuer den Einsatz diverser 
Filtertechnologien durch staatliche und private Stellen. Regierungen 
sollen neue Filter finanzieren und der Einsatz von zu seichten Filtern 
bestraft werden.
Die Grundprobleme des ganzen Projekts bleiben unangetastet: Es gibt 
keine Definition der zu bekaempfenden "terroristischen" Inhalte. Es 
gibt kein klar identifiziertes Problem, das angegangen werden soll, 
vielmehr soll Aktionismus gezeigt werden. Die Vorschlaege gehen 
komplett an demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien wie 
Gesetzen und richterlicher Kontrolle vorbei. Statt dessen sollen 
private Unternehmen ihre Geschaeftsbedingungen anpassen, um 
unerwuenschte Inhalte zu untersagen. Firmen sollen Inhalte nach 
Gutduenken entfernen, ohne richterliche Anordnung oder Kontrolle. Die 
Privatisierung der Rechtsdurchsetzung schaltet in den Turbo-Gang.
In dem Dokument finden sich unter anderem folgende Vorschlaege:
- Schaffung von Gesetzen, dass Behoerden auf Online-Patrouille gehen 
koennen, inklusive der (vermutlich anonymen) Teilnahme an 
Online-Diskussionen
- Aufhebung von Gesetzen, die das Filtern und Ueberwachen der 
Internet-Anschluesse von Mitarbeiter/innen in Firmen verbieten
- Strafverfolgungsbehoerden soll es ermoeglicht werden, Inhalte 
entfernen zu lassen "ohne arbeitsintensive und formelle Verfahren"
- "Wissentliches" Verlinken auf "terroristische Inhalte" (der Entwurf 
bezieht sich nicht auf Gerichtsurteile, sondern laesst diese 
Einschaetzung undefiniert) soll im selben Ausmass strafbar sein wie 
"terroristische Inhalte" selbst
- Schaffung rechtlicher Grundlagen fuer Klarnamenszwang, um anonyme 
Nutzung von Online-Diensten zu verhindern
- Provider sollen haftbar gemacht werden, wenn sie keine 
"angemessenen" Anstrengungen unternehmen, Ueberwachungstechnologien 
einzusetzen, um diese undefinierte "terroristische" Nutzung des 
Internets zu identifizieren
- Unternehmen, die Internet-Filter zur Verfuegung stellen sowie deren 
Kunden sollen haften, wenn sie von Filtern festgestellte "illegale" 
Aktivitaeten nicht melden
- Unternehmen sollten Upload-Filter einsetzen, damit einmal entferne 
Inhalte (oder aehnliche) nicht erneut hochgeladen werden koennen
- Verbot anonymer Nutzung des Netzes und Gebot dass "soziale Netzwerke 
nur echte Bilder von Nutzern erlauben" duerfen.
Nach dem urspruenglichen Vorschlag sollten ueberhaupt keine Gesetze 
zum Einsatz kommen, womit man die Paralamente generell uebergangen 
haette. Einer der Hebel, auch ohne Gesetze diese Kontrollideen 
durchzusetzen ist aber, dass Regierungen die Hilfsbereitschaft der 
Provider als Kriterium fuer die Vergabe oeffentlicher Vertraege 
verwenden sollen.
Diesen kommerziellen Zugang definiert man auf der Internetseite von 
Clean IT so: "Der Privatsektor soll die Fuehrung uebernehmen". Doch es 
wird wohl eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie gefahren werden. Bei 
EDRi vermutet man, die Botschaft an die Unternehmen sei: "Benutzt 
Filter, oder werdet wegen terroristischer Straftaten zur Verantwortung 
gezogen", so die NGO.
Ausgegangen ist die Initiative uebrigens von den Regierungen der 
Niederlande, Deutschlands, Grossbritanniens, Belgiens und Spaniens. 
Mittlerweile wurde der erlauchte Kreis durch "Unterstuetzende 
Regierungen". Das sind Ungarn, Rumaenien, Daenemark, Griechenland und 
natuerlich Oesterreich.
Das naechste Treffen des Clean IT Projekts ist Anfang November in 
Wien. Wahrscheinlich im Februar sollen die endgueltigen "Empfehlungen" 
veroeffentlicht werden.
(Artikel basierend auf einem zur nichtkommerziellen Nutzung 
freigegebenen Text von Andre Meister auf netzpolitik.org, von akin 
stark bearb. unter Verwendung von n-tv.de, wikipedia und edri.org)
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Originaltext von netzpolitik.org: 
https://netzpolitik.org/2012/clean-it-die-eu-kommission-will-das-internet-uberwachen-und-filtern-ganz-ohne-gesetze/
Dokument: Das nicht gezeichnete, aber dem Anschein nach von einer 
Clean-IT-Arbeitsgruppe stammende und von EDRi geleakte "Non-Paper": 
http://www.edri.org/files/cleanIT_sept2012.pdf
Anmerkung: Die oesterreichische Initiative clean-IT hat damit 
uebrigens nichts zu tun. Dabei handelt es sich um eine Kampagne der 
NGO Suedwind, die sich fuer faire und nachhaltige Computererzeugung 
und -entsorgung stark macht. Diese Kampagne ist deutlich aelter als 
die gleichnamige Ueberwachungsinitiative der EU-Staaten.
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