**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 28. August 2012; 22:09
**********************************************************

Heimskandale/Kommentar:

> Unter der Tuchent

Die Massenmedien berichteten in den letzten Wochen immer wieder, dass
es ueber Jahrzehnte hinweg bis hinauf in die 1990er ueblich war,
15-18jaehrige Heimzoeglinge diversen Unternehmen zur Verwertung ihrer
Arbeitskraft zu ueberlassen. Zuletzt lief das unter Labels wie etwa
"Arbeitspaedagogik". Oft bekamen die Betroffenen wenig bis gar keinen
Lohn, die Sozialversicherungsbeitraege aber liess man ganz unter den
Tisch fallen.

2010 hat ein Tiroler Historiker ein Buch ueber die Heimerziehung in
seinem Bundesland herausgebracht, seither kochen Details dieser
Debatte immer wieder hoch -- und klar wird langsam, dass davon
natuerlich auch andere Bundeslaender betroffen sind. Es gibt daraufhin
wechselweise Zustaendigkeitszuschiebungen und bisweilen wurde von den
Laendern und den betroffenen Betrieben Entschaedigungszahlungen
geleistet -- ganz im Stillen. Der Sozialminister will sich da nicht
einmischen, denn das sei eben Sache der Laender, die zumeist die
Heimerhalter gewesen waeren. Und wenn man nun jenen Betroffenen, die
bisher keine Entschaedigungen erhalten haetten, jetzt einfach die
Versicherungszeiten anrechnen wuerde, dann sei das -- so die Logik
Hundstorfers -- unfair gegenueber jenen, die sich schon von anderen
Entschaedigungszahlungen ihre Zeiten haetten nachkaufen koennen resp.
muessen.

Und doch ist es auch eine Bundesangelegenheit. Denn einer der
nutzniessenden Betriebe war das Bundesheer, das die Jugendlichen zum
Waschen und Stopfen eingesetzt hatte. Ueber dessen Verantwortung wird
aber kaum geredet. Tatsaechlich duerfte es aber so sein, dass auch
dort alles unter der Tuchent gemacht wird. Wenn man beim
Kriegsministerium nachfragt, bekommt man zu hoeren, dass Opfer, die
sich melden, sehr wohl entschaedigt werden. Jene, die sich jetzt
gemeldet haetten, seien heute zwischen 61 und 65 Jahre alt.

Die Frage stellt sich: Warum melden die sich erst heute? Zum einen
wohl, weil sie in Pension gehen wollen und ihnen erst jetzt die
Versicherungszeiten abgehen. Menschen, die in Heimen grossgeworden
sind, haben selten so tolle Karrieren gehabt, dass sie auf diese Jahre
verzichten koennten. Zum anderen wahrscheinlich auch, weil sie bisher
nicht auf die Idee gekommen waren, dass sie irgendwelche Ansprueche
haetten geltend machen koennen. Und zum dritten vielleicht auch, weil
man sie in ihrer Jugendzeit eben recht eindringlich gelehrt hatte,
dass sie derlei Ideen gar nicht haben duerfen.

Jetzt kommen diese Ausbeutungsmechanismen so wie die ganzen anderen
Heimskandale frueherer Jahrzehnte langsam ans Licht. Und waehrend die
Kirche den Deckel schon laengst nicht mehr auf ihren diesbezueglichen
Skandaltoepfen halten kann, gelingt es anderen Stellen wie eben
Behoerden oder kommerziellen Betriebe immer noch, mit ganz
unauffaellig geleisteten Entschaedigungszahlungen sich von einer
Skandalisierung freizukaufen; wohl auch in der Hoffnung, dass sich
dann nicht noch mehr Betroffene melden.
*-br-, rk*



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.redaktion@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin