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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. Juni 2012; 01:23
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  Medien/Schweiz:
  
  > Verlorener Prozess gegen die Pressefreiheit
  
  Polizeipruegel duerfen nicht fotografiert werden, befindet ein 
  Zuercher Gericht.
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  Vor dem Bezirksgericht Zuerich fand ein Prozess gegen den bekannten 
  Fotografen Klaus Rozsa statt. Das Urteil: Das Fotografieren von 
  Polizeipruegel gilt als Hinderung einer Amtshandlung.
  
  Der Fotograf ist aktiver Gewerkschafter, er war Praesident des 
  Zuercher Gewerkschaftsbunds, er war Praesident der groessten 
  Organisation von Medienschaffenden, der Gewerkschaft Comedia (heute 
  Syndicom), die 45.000 Beschaeftigte in der Kommunikationsbranche 
  vertritt, er war im Vorstand des Schweizer Presserats -- und er stand 
  vor Gericht, wo es um nichts weniger ging als um die Pressefreiheit in 
  der Schweiz. Doch die grossen Zeitungen kamen nicht, so, als ginge sie 
  dies nichts an.
  
  Dabei hatte Klaus Rozsa in Ausuebung seines Berufs als Pressefotograf 
  und seiner Aemter im Jahr 2002 endlich aufraeumen koennen mit dem 
  alten System der Berichterstattung bei Krawallen und unfriedlichen 
  Demonstrationen, das die Journalisten behindert und die Pressefreiheit 
  eingeschraenkt hatte. Rosza hatte in einem dreijaehrigen Prozess vor 
  Bundesgericht erstritten, dass der von Polizei und Justiz bis dahin 
  verteidigte Journalistenbann bei Krawallen endlich aufgehoben wurde. 
  Danach durfte die Polizei die Medienvertreter nicht mehr fernhalten 
  von gewalttaetigen Auseinandersetzungen zwischen Ordnungshuetern und 
  Demonstranten. Sie durften berichten, was sie aus der Naehe sahen -- 
  auch Polizeiuebergriffe, wie sie bei den Zuercher Jugendunruhen der 
  60er und 80er Jahre zum Alltag gehoert hatten.
  
  Dass die Polizei keine Freude daran hatte, und dass es ausgerechnet 
  Klaus Rozsa gewesen war, seit je ein Feindbild, der dafuer gesorgt 
  hatte, dass der «embedded journalisme» nach Zuercherart der 
  Vergangenheit angehoerte, durfte nicht ewig dauern. Nur zehn Jahre.
  
  Nach dem Prozess ist es damit nun vorbei. Das Bezirksgericht hat Rozsa 
  zu einer bedingten, aber fuer den Journalismus insgesamt empfindlichen 
  Geldstrafe wegen Gewalt und Drohung und Hinderung einer Amtshandlung 
  verurteilt, weil er vor vier Jahren die Besetzung des Fussballstadions 
  Hardturm und einen Polizeieinsatz fotografiert hatte.
  
  Das Urteil bedeutet bis zu seiner Rechtskraft, dass die Polizei 
  kuenftig Journalisten wieder wegweisen darf, wenn sie Uebergriffe 
  beobachten und fotografieren wollen. Sollten sie sich dennoch beim 
  Geschehen aufhalten, gilt das fotografische Festhalten von 
  Polizeipruegel kuenftig als Hinderung einer Amtshandlung. Knueppeln 
  wird, ob verhaeltnismaessig oder nicht, von Amts wegen nun wieder 
  geschuetzt wie auch das Abfeuern von Gummigeschossen, ob aus der Naehe 
  oder aus der Distanz. Aber genau darum ging es, als Klaus Rozsa den 
  Polizeieinsatz beim Hardturmstadion fotografierte: Die Polizisten 
  schossen aus wenigen Metern Gummiprojektile auf die jugendlichen 
  Besetzer und wollten vermeiden, dass es Bilder davon gibt, weil die 
  Polizeiverordnung beim Einsatz von Gummigeschossen eine Mindestdistanz 
  von 20 Metern vorschreibt. Kurz gesagt: man hat Rozsa als Augenzeugen 
  von unverhaeltnismaessiger Polizeigewalt kriminalisiert.
  
  Das Verfahren lief nach dem alten System ab. Klaus Rozsa wurde 
  misshandelt und reichte gegen die Polizisten eine Strafanzeige ein. 
  Dieses Verfahren wurde verschleppt und laeuft noch. Aber als 
  Retourkutsche wurden zwei Strafverfahren gegen Klaus Rozsa 
  eingeleitet: eines wegen Ehrverletzung, weil er einem Polizisten, der 
  ihn angeblich als «Sauhund» bezeichnet hatte, gesagt haben soll, er 
  sei ein «Nazi». Dieser Prozess wurde im Eilverfahren abgeschlossen. 
  Klaus Rozsa wurde 2009 vom Obergericht rechtskraeftig verurteilt und 
  musste seinen Peiniger 5000 Schweizer Franken Entschaedigung bezahlen. 
  Das zweite Strafverfahren, bei dem es um eine Abwaegung ging, ob Klaus 
  Rozsa, wie von den Polizisten behauptet, ihnen gegenueber Gewalt 
  angewendet und sie in ihrer Amtshandlung behindert haette oder nicht, 
  dauerte vier Jahre.
  (Erich Schmid, Infosperber/gek.)
Volltext: http://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/Verlorener-Prozess-gegen-die-Pressefreiheit
  
  
  
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