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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 27. Juni 2012; 01:25
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Debatten:

> Viele Fallen

Direktdemokratische Instrumente sind tueckisch -- aber auch notwendig
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Ilse Grusch meinte in akin 15, gerade am Beispiel
Parkpickerl-Volksbefragung zeige sich ein Problem der Direkten
Demokratie, denn es sei zu befuerchten, dass zu dieser Befragung
hauptsaechlich die Autobesitzer gingen, die Autolosen aber fuehlten
sich vielleicht "nicht betroffen" und wuerden sich daher nicht an
diesem Urnengang beteiligen. Dieser Einwand ist sehr berechtigt. Denn
wer ist betroffen? Zum Einen natuerlich die Menschen, die in Wien
wohnen und ein Auto abstellen wollen -- und natuerlich kein
Parkpickerl bezahlen wollen. Zum anderen sind von der gesamten
Parkraumbewirtschaftung natuerlich auch diejenigen betroffen, die hier
nicht wohnen und kein Anrecht auf ein Parkpickerl haben, aber trotzdem
in Wien parken wollen. Zum Dritten sind aber natuerlich auch alle, die
Wien leben resp. arbeiten, weil der Autoverkehr in der Stadt sowie die
Vernutzung des oeffentlichen Raumes auch die Autolosen tangiert -- und
weil eventuelle Einnahmen aus einem Parkpickerl dem gesamten
Stadtbudget zugutekaemen. Es geht also um Verteilungsfragen -- um die
Verteilung von Geld und Raum. Davon sind die Menschen im Wiener
Stadtgebiet aber in unterschiedlichem Ausmass betroffen und fuehlen
sich auch in unterschiedlichem Ausmass betroffen. Wer also geht zu der
Befragung? Und wessen Betroffenheit ist hier relevant?

Aehnliche Effekte sind bei den meisten Abstimmungen zu beobachten. In
Salzburg gab es einmal zwei Volksbefragungen ueber eine
Olympiabewerbung -- je eine Befragung fuer Salzburg-Stadt und eine
fuer Salzburg-Land. Die Stadt war die offizielle Bewerberin fuer die
Spiele -- die Stadt waere aber hauptsaechlich Umsteigebahnhof und
Naechtigungsmoeglichkeit fuer die Fans gewesen. Davon haetten die
Hotels profitiert, aber der Grossteil der Einwohner haette darunter
eher gelitten. Also fiel in der sowieso schon uebertouristischen Stadt
das Votum negativ aus. Im Umland aber, wo die meisten Veranstaltungen
stattgefunden haetten und man sich mehrheitlich mehr Tourismus
wuenscht, gab es so grosse Zustimmung, dass sich inclusive Stadt
Salzburg immer noch ein positives Votum ergab. Waere es eine echte
Abstimmung und nicht nur eine Befragung gewesen, haette sich die Frage
gestellt: Welche Bevoelkerung hat das Recht, in dieser Frage zu
bestimmen?

Bei solchen Abstimmungen gesellt sich dann aber natuerlich auch die
Frage hinzu: Wieso duerfen nur diejenigen mitbestimmen, die die
oesterreichische (oder auf kommunaler Ebene: eine EU-ropaeische)
Staatsbuergerschaft besitzen? Sind die anderen, die hier auch leben,
nicht betroffen?

Und: Wer bestimmt ueberhaupt die Frage, die gestellt wird? Diese
Antwort scheint auf den ersten Blick einfach -- zumindest was die
geforderten durch Volksbegehren initiierten Abstimmungen betraefe:
Natuerlich diejenigen, die das Volksbegehren unterstuetzt haben -- die
Frage waere, ob der Inhalt des Volksbegehrens Gesetz werden soll. Nur
so einfach ist das nicht: Zum einen formulieren natuerlich wiederum
politische Eliten einen solchen Volksbegehrenstext nach der Massgabe,
ob er kampagnenfaehig ist. Eine Wahl zwischen verschiedenen
Formulierungen hat man da als einfacher Unterstuetzer natuerlich auch
wieder nicht.

Zum anderen ist man im Volksbegehrensgesetz schon vor laengerer Zeit
davon abgegangen, konkrete Gesetzestexte von den Initiatoren zu
verlangen, was so verwaschene Texte wie zum Beispiel den zum
Bildungsvolksbegehren hervorbrachte. Der Grund fuer das Abgehen von
konkreten Gesetzestexten ist aber der, dass sie, um in unserer
legistisch durchorganisierten Welt wirkmaechtig zu sein, oft genug in
einer Sprache verfasst werden muessten, die viele Menschen nicht
verstuenden. Wer also ein Volksbegehren unterstuetzt, das dann
tatsaechlich auch zur Abstimmung gelangt, stuende entweder vor einem
Juristenkauderwelsch mit unverstaendlichen Querverweisen oder einem im
Klartext verfassten Begehren, dessen daraus resultierende
Fragestellung aber nachher prompt wieder Eliten definieren -- entweder
die Initiatoren oder gar der Gesetzgeber selbst.

Zu alldem kommt natuerlich auch noch der altbekannte richtige Einwand,
wieso eine Mehrheit eine Minderheit -- die vielleicht noch von der
jeweiligen Gesetzesmaterie viel staerker betroffen ist -- dominieren
koennen sollte. Und natuerlich darf auch der Hinweis nicht fehlen,
dass ganz bestimmte Interessensgruppen dank ihrer Medienmacht die
Volksmeinung massiv manipulieren koennen. Von der Vereinfachung
komplexer Probleme durch den Boulevard, dessen Interesse
hauptsaechlich darin besteht, leichtverdauliche Kost zu verkaufen,
ganz zu schweigen...

Nur: All diese Einwaende betreffen genauso das repraesentative
System -- und zwar oft genug in einem noch viel groesserem Ausmass.
Auch hier bestimmen die Eliten, was ueberhaupt diskutiert werden darf,
und auch hier ist die Sache mit der Betroffenheit eine schraege. Da
bestimmen Menschen, die ganz sicher nicht mit einem Einberufungsbefehl
rechnen muessen, ueber die Wehrpflicht, oder sie diskutieren ueber
Mindestsicherung oder Fremdengesetze, ohne je zum Sozialamt zu muessen
oder in die Gefahr geraten zu koennen, in Schubhaft zu muessen.

Diese Leute sind aber in irgendeiner Art und Weise demokratisch
legitimiert. Und diese Legitimation entstand nicht zuletzt auch durch
die Manipulation des Wahlvolkes durch mediale Berichterstattung. Wenn
also Direkte Demokratie wegen all dieser Probleme nicht als gute
Methode anzusehen waere, dann waere es wohl auch keine gute Idee, das
Volk waehlen zu lassen. Dann koennen wir gleich zu jener Methode
zurueckkehren, die den politischen Eliten insgeheim eh am liebsten
waere: Wir lassen einfach wieder ein paar kaiserliche Raete im stillen
Kammerl die Gesetze schreiben und eine Ruh ist mit der bloeden
Demokratie-Idee.

Das kann es ja wohl auch nicht sein. Nein, wir werden uns anfreunden
muessen mit Direkter Demokratie. Aber das heisst eben nicht nur
Volksgesetzgebung von unten, sondern auch Volksinformation (und
natuerlich Soziale Sicherheit, um das Divide et Impera zu erschweren).
Doch woher soll diese Volksinformation kommen? Nun, ein Volk, das
politische Berichterstattung nur als Unterhaltungsprogramm konsumieren
kann, weil es sowieso so gut wie nie mitbestimmen darf, braucht keine
Qualitaetsinformation. Wozu auch politische Bildung, wenn man eh nicht
mitspielen darf? Wenn man aber mitbestimmen darf, wird man sich auch
informieren wollen und dann gibt es neben dem Boulevard und der
Raiffeisen-Propaganda auch einen echten Markt fuer Qualitaetsmedien.
Also her mit den direktdemokratischen Instrumenten -- trotz aller
Bedenken und zu erwartenden Katastrophen!

Man vergleiche die oesterreichische mit der Schweizer
Medienlandschaft! Auch in der Eidgenossenschaft gibt es einen ekligen
Boulevard, aber trotzdem ist der Vorsprung der Schweiz enorm. Und was
ist der politische Unterschied zwischen diesen beiden Laendern, die
sich doch in vielen so aehnlich sind? Eben!
*Bernhard Redl*


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