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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 29. Mai 2012; 23:24
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Debatten:

> Demokratie und Voelkerrecht

Regierungspolitiker fuerchten im Falle Direkter Demokratie nicht
Schweizer, sondern irische Verhaeltnisse -- zu Recht

Im Zusammenhang mit den diversen Ideen zum Thema Volksgesetzgebung,
die jetzt die Runde machen, und irgendwann einmal vielleicht doch zu
einem Gesetz werden koennten, taucht immer wieder die Frage auf: 'Darf
das Volk auch ueber EU-Angelegenheiten abstimmen?' Und die Antwort von
SPOe und OeVP lautet: 'Wenn wir Euch schon abstimmen lassen, dann
sicher nicht darueber'.

Aber genau hier liegt der Hund begraben: Die entscheidenden Fragen
sind heutzutage EU-Angelegenheit, die nationalen Parlamente duerfen
zumeist nur mehr die Ausgestaltung der Bruesseler Richtlinien
diskutieren oder sind in allen anderen Fragen daran gebunden, dass
neue Gesetze EU-konform sind -- in diesem engen Korsett
Volksabstimmungen erzwingen zu koennen, wird diejenigen, die mehr
Demokratie fordern, nicht wirklich befriedigen. Wenn EU-Entscheidungen
aber in nationalen Volksabstimmungen abgelehnt werden koennen, dann
drohen den obersten Entscheidungstraegern Oesterreichs nicht
Schweizer, sondern irische Verhaeltnisse. In Irland muss bekanntlich
jeder Verfassungseingriff -- egal, ob durch das nationale Parlament,
die EU oder einen Staatsvertrag (wie jetzt bei der Fiskalunion)
initiiert -- einer Volksabstimmung unterzogen werden. Und genau da
liegt das Problem: Es ist den nationalen Regierungen sowieso schon ein
Dorn im Auge, dass sie, was sie am gemeinsamen Tisch der
Regierungschefs beschlossen haben, durch ihre eigenen Parlamente
bringen muessen -- da die meisten europaeischen Verfassungen so gut
wie keine saubere Trennung zwischen Exekutive und Legislative kennen,
haben fast alle Regierungen ihre Mehrheiten daheim aber sicher. Wenn
sie jedoch immer das Volk fragen muessten, dann wird es fast sinnlos,
irgendwelche Vertraege zu unterzeichnen, weil sie ja nicht sicher sein
koennen, dass ihre Unterschrift ueberhaupt die Tinte wert ist.

Das ist aber ein generelles Problem des Voelkerrechts: Regierungen
vertreten ihre Staaten international und muessen bei diversen
Vertragsverhandlungen immer wieder Kompromisse eingehen -- das vorher
alles zuhause demokratisch auf seine Legitimitaet pruefen zu lassen,
erscheint bei dieser regen Diplomatie unmoeglich.

Aber: Stimmt da vielleicht irgendwas mit den Mechanismen dieser
internationalen Diplomatie nicht? Wie geht das mit Demokratie
zusammen?

Nun, gar nicht. Ist auch nicht so vorgesehen. Letztlich fragt man im
Voelkerrecht nicht einmal, wie eine Regierung zustande gekommen ist,
sie muss nur wirklich regieren. Dann wird sie von den anderen
anerkannt und ihre Unterschrift zaehlt fuer ihren Staat. Da ist es
auch egal, wenn diese Regierung kurz nach einem Vertragsabschluss
abgesetzt wird -- der Vertrag gilt voelkerrechtlich, der Staat und
sein Volk sind daran gebunden. Quasi der Staat selbst hat
unterzeichnet und so wie eine Privatperson in einem Zivilvertrag kann
er es sich spaeter nicht einfach folgenlos anders ueberlegen.

Aber woher kommt diese Struktur des Voelkerrechts? Nun, aus einer ganz
alten Tradition, als Staat und Privatperson in Form eines Monarchen
noch tatsaechlich eins waren -- das Voelkerrechtssubjekt, also der
Staat, war identisch mit dem Thron, also dem Amt, und dieses mit dem
Amtstraeger. Wenn dieser einen Vertrag einging, unterzeichnete
tatsaechlich der Staat selbst, also der Souveraen. Diese Struktur gibt
es heute eigentlich nur mehr im Vatikan: "Der Heilige Stuhl", also der
Papst, vertritt nicht ein Voelkerrechtssubjekt, er ist es
hoechstselbst. Frueher waren aber solche absoluten Herrscher der
Normalfall, also waren diese Voelkerrechtsstrukturen nur logisch. Doch
heute ist in den allermeisten Staaten nominell das Volk und nicht ein
Staats- oder Regierungschef der Souveraen -- und da liegt das Problem
einer voellig veralteten Voelkerrechtstruktur. Waehrend sich auf dem
Strafrechtssektor einiges getan hat und es jetzt so etwas wie ein
Strafvoelkerrecht gibt (auch wenn dieses in der Praxis sehr nach
Siegerjustiz riecht), das sehr wohl zwischen Machthaber und Staat
unterscheidet, bleibt der Rest, quasi das Privatvoelkerrecht, immer
noch auf der Ebene des Prinzips des souveraenen Herrschers. Dessen
Reputation haengt davon ab, wie verlaesslich er ist, sprich: wie sehr
das einmal von ihm gegebene Wort in seinem Heimatland Gewicht hat und
wie wahrscheinlich es ist, dass auch sein Nachfolger dieselbe
Autoritaet besitzt.

Globalisierte Gesetzgebung

Verschaerfend kommen heute aber noch zwei weitere Umstaende hinzu: Zum
Einen werden Demokratiebestrebungen auf der ganzen Welt lauter --
egal, ob in faktischen Diktaturen oder in unseren buergerlichen
Nominal-Demokratien --, zum anderen gibt es kaum noch politische
Fragen, die nicht auf internationaler Ebene behandelt werden. Nicht
nur das Kapital, sondern auch die Gesetzgebung ist mittlerweile
weitgehend globalisiert. Man kann kaum noch zwischen Innen- und
Aussenpolitik trennen. Am besten ist das in der EU zu beobachten, wo
Aussenminister und Regierungschefs Innenpolitik auf multinationaler
Ebene machen.

Dass das mit Demokratie nicht viel zu tun hat und das
Legitimitaetsproblem dieser Gesetzgebung evident ist, ist auch den
Regierungen klar. Um das abzufedern, hat man dem Europaeischen
Parlament mehr Rechte gegeben. Doch weder ist dieses zum primaeren
Gesetzgeber geworden noch wurde der Ruf nach mehr direkter Demokratie
irgendwie gehoert -- die autoritaere Art, wie der Lissaboner Vertrag
letztlich durchgepeitscht worden ist, war ein beredtes Beispiel
dafuer.

Denn es ist eben dieser Ruf nach mehr direkter Demokratie auch Folge
einer eklatanten Entdemokratisierung, die wir speziell in der EU
derzeit gewaertigen. Dazu gehoeren neben der Macht des internationalen
Kapitals und den diversen Generalverdaechtigungs-
und -ueberwachungsgesetzen eben auch die Entsouveraenisierung der
Staaten und damit folgerichtig auch das immer weitergehende Ignorieren
des nominellen Souveraens -- des Volkes eben.

Nun muss eine Globalisierung nicht unbedingt schlecht sein -- nur so,
wie sie jetzt passiert, ist sie es. Denn eine Globalisierung der
Demokratie findet nicht statt. Wie das zu aendern waere, ist eine gute
Frage. Aber bei einem echten politischen Willen liessen sich dafuer
Wege finden. Damit wuerde man noch nicht Entsolidarisierung,
Nationalismus oder die Herrschaft einer Mehrheit ueber eine Minderheit
beenden, aber es waere ein Schritt vorwaerts. Und auch wenn das ein
unheimlich kompliziertes Unterfangen waere und kaum so auf die
Schnelle zu realisieren: Eins kann in der Frage der Demokratisierung
auch heute nicht mehr eine akzeptable Antwort der Herrschaftstraeger
an das Volk sein: 'Du, mein Souveraen, darfst dich nur bei den Sachen
einmischen, wo ich nicht schon irgendjemand anderen Wichtigen
versprochen haben, dass dich das nichts anzugehen hat'. So facht man
nur berechtigte Wut und leider auch Nationalismus an.

Wenn man in Europa und generell der Welt wirklich mehr Demokratie und
Gerechtigkeit moechte, wird man auch in Kauf nehmen muessen, dass man
die Probleme einer globalisierten Gesellschaft des 21.Jahrhunderts
nicht mehr allein mit den diplomatischen Gepflogenheiten des
17.Jahrhunderts wird loesen koennen.
*Bernhard Redl*


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