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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. Mai 2012; 23:35
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EU/"Krise":
> Die Lage in Griechenland und die Entdemokratisierung in der EU
Geht es nach der Stadt Frankfurt, ist Demokratie entbehrlich. 
Lautstarker Protest gegen menschenverachtende Politik waere einfach 
verboten. Egal ob ein Konzert von Konstantin Wecker, eine Mahnwache 
der Ordensleute fuer den Frieden, eine Diskussion besorgter Menschen 
ueber die Krise, eine internationale Grossdemonstration oder das 
Besetzen von Strassen und Plaetzen nach dem Vorbild von Occupy 
Wallstreet - nichts davon duerfte stattfinden. Noch ist es zwar 
wahrscheinlich moeglich, diese Rechte vor Gericht zu erstreiten, das 
sollte aber nicht darueber hinwegtaeuschen, dass der damit verbundene 
Demokratieabbau derzeit ein weltweites Phaenomen ist.
Als am 3. Mai die Europaeische Zentralbank im spanischen Barcelona 
tagte, setzte die spanische Regierung kurzerhand das Schengen-Abkommen 
ausser Kraft. Dutzenden Menschen wurde die Einreise nach Spanien 
verweigert und 8.000 Polizisten machten aus Barcelona "eine Art 
Schaufenster fuer Uniformen, Waffen, Helikopter und Polizeiwagen" wie 
die FTD aus El Pais zitiert 1) Dabei hatte die spanische Bewegung auf 
Grund der zeitlichen Naehe zum 12. Mai nicht einmal groessere Aktionen 
geplant. Telepolis berichtete vor kurzem, dass die spanische Regierung 
die Strafgesetze so verschaerfen will, dass Aufrufe im Internet oder 
anderen Medien zu Protesten, die "ernsthaft den oeffentlichen Frieden 
stoeren" koennten, wie es auch Blockupy vorgeworfen wird, als Bildung 
einer kriminellen Vereinigung gewertet werden koennten. "Dann drohen 
Haftstrafen von mindestens zwei Jahren, um sofort Untersuchungshaft 
verhaengen zu koennen. Verhindert werden soll damit auch, dass die 
Strafen zur Bewaehrung ausgesetzt werden." 2)
Kein wahres Interesse fuer Syriza
Gleichzeitig findet eine massive Verunglimpfungs-Kampagne gegen das 
linke Parteienbuendnis SYRIZA statt, das bei den Wahlen in 
Griechenland seine Stimmen vervierfacht hat. Mit mehr als 16% wurde es 
zweitstaerkste Kraft knapp hinter der konservativen Nea Dimokratia, 
deren absolute Stimmenzahl sich halbierte. Obwohl SYRIZA wiederholt 
erklaert hat, Griechenland in der Eurozone halten zu wollen, wird die 
Partei in fast allen Artikeln als antieuropaeisch bezeichnet. Keine 
Kritik hoert man hingegen, wo wirklich antieuropaeische Toene zu 
hoeren sind, naemlich bei den zahlreichen Drohungen deutscher 
Politiker wie z.B. EZB-Mitglied Joerg Asmussen, Bundesfinanzminister 
Wolfgang Schaeuble oder Aussenminister Guido Westerwelle, Griechenland 
gegen seinen Willen aus dem Euro zu schmeissen, sollte dort auch nur 
eine Minute ernsthaft daran gedacht werden, gemaess dem Willen der 
Waehlerinnen und Waehler auf einer Neuverhandlung des von der Troika 
aus EZB, EU-Kommission und IWF diktierten Memorandums zu bestehen.3)
Fuer welche Inhalte SYRIZA wirklich steht, hat bisher auch wenig 
Aufmerksamkeit gefunden. Kein einziges namhaftes deutsches Medium --  
linke Tageszeitungen wie das Neue Deutschland und die Junge Welt 
eingeschlossen -- scheinen sich bisher fuer die fuenf Punkte zu 
interessieren, die der Vorsitzende von SYRIZA, Alexis Tsipras, nach 
der Wahl zu seiner Grundlage fuer Gespraeche mit anderen Parteien 
erklaert hat.4)
Fuenf Bedingungen der Syriza
Die ersten beiden Punkte bestehen darin, ab sofort keine weiteren 
Massnahmen mehr umzusetzen, die zu weiterer Verarmung fuehren wuerden, 
wie z.B. das Kuerzen von Renten oder Loehnen und keine fundamentalen 
Rechte von Beschaeftigten mehr zu schleifen, wie z.B. das Recht auf 
kollektive Tarifverhandlungen.
Ausserdem fordert SYRIZA die Erneuerung des politischen Systems. 
Explizit erwaehnt wird dabei, dass es zukuenftig moeglich sein soll, 
korrupte Minister vor Gericht zu stellen und eine Aenderung des 
Wahlrechts. Dass die staerkste Partei automatisch 50 der 300 
Parlamentssitze extra erhaelt, ist wohl einzigartig in Europa. Deshalb 
kommt die mit nur etwas mehr als zwei Prozent Vorsprung gewaehlte Nea 
Dimocratia mit 18,85% der Stimmen auch auf 108 Sitze, waehrend auf das 
mit 16,78% an zweiter Stelle gelandete SYRIZA-Buendnis nur 52 Sitze 
entfallen.5) Die Regelung soll die Vorherrschaft der 
Memorandums-Parteien Nea Dimocracia und PASOK zementieren, die 
Griechenland seit Jahrzehnten wie einen Erbhof regieren.
An vierter Stelle wird die oeffentliche Kontrolle der Banken gefordert 
und die Veroeffentlichung einer Untersuchung, die BlackRock kuerzlich 
zum Zustand des griechischen Bankensektors durchgefuehrt hat. Diese 
Untersuchung wurde von der griechischen Zentralbank beauftragt. Sie 
ist wichtige Berechnungsgrundlage fuer die Staatshilfen, die die 
griechischen Grossbanken gerade erhalten. Die Mittel dafuer stammen 
aus den Krediten, die verbuergt von europaeischen SteuerzahlerInnen 
und zu Lasten der griechischen Regierung vom EFSF aufgenommen werden. 
Von den 130 Mrd. Euro, die die griechische Regierung laut zweitem 
Memorandum 6) noch erhalten soll, sind bis zu 50 Mrd. Euro fuer die 
griechischen Grossbanken reserviert. Davon wurden 25 Mrd. Euro bereits 
kurz vor der Wahl ausgezahlt, der Rest sollte eigentlich kurz danach 
folgen. Echtes Mitspracherecht soll die Regierung dafuer bei den 
Banken aber nicht erhalten. Denn das Memorandum schreibt auch die 
Verabschiedung eines Gesetzes vor, das fuer den Fall, dass der Staat 
im Gegenzug fuer seine Zahlungen Aktien erhalten sollte, deren 
Stimmrechte beschneidet. Das Bankensystem soll auf jeden Fall privat 
bleiben.
Deshalb ist im Memorandum auch geregelt, dass der Staat, je nach Hoehe 
seiner Anteile, diese nach spaetestens drei oder fuenf Jahren wieder 
verkaufen muss. Ob er dabei dann ein gutes oder schlechtes Geschaeft 
macht, ist der Troika egal. Schliesslich geht es ja auch "nur" um eine 
Summe, die in etwa den Einnahmen eines kompletten griechisches 
Staatshaushalts entspricht und sollte dabei etwas schief gehen, gibt 
es ja auch noch die Buergschaften der anderen Eurostaaten und des IWF.
Wer ist eigentlich BlackRock?
Laut einem Artikel im Handelsblatt vom Juni letzten Jahres ist das mit 
einem verwalteten Vermoegen von 3,65 Billionen Dollar der mittlerweile 
groesste Vermoegensverwalter der Welt. 7) Zum Vergleich: Das 
Bruttoinlandsprodukt von Deutschland betrug 2011 gerade einmal 3,28 
Billionen Dollar. Da den von BlackRock verwalteten Fonds auch 
signifikante Teile aller 30 im deutschen Aktienindex DAX notierten 
Firmen gehoeren, bezeichnet das Blatt den Finanzkonzern auch als den 
"heimlichen Herrn des Dax". Die Deutsche Bank gibt zum Beispiel in 
ihrem letzten Jahresbericht an, dass Ende 2011 5,14% ihres Kapitals 
von BlackRock gehalten werden 8). Bei der Commerzbank sollen es 3,07% 
gewesen sein. Auch in Griechenland ist BlackRock einer der groessten 
auslaendischen Investoren, wie IPREO fuer 2010 berichtet. Allein 
BlackRock Fund Advisor soll in diesem Jahr in Griechenland mit mehr 
als 150 Mrd. Dollar investiert gewesen sein. 9)
Die New York Times berichtete in einem Artikel, unter welch 
konspirativen Umstaenden das Gutachten ueber das griechische 
Bankensystem zu Stande kam.10) Demnach tarnte BlackRock das Buero, das 
es fuer seinen griechischen Auftrag nutzte, als Solarfirma. Wie dabei 
mit Interessenkonflikten umgegangen wurde, die sicher zahlreich 
vorhanden sind, wenn der groesste Vermoegensverwalter der Welt die 
Kreditportfolios zahlreicher Grossbanken durchforstet, bleibt hingegen 
im Dunkeln. Und dabei war der Auftrag in Griechenland, fuer den 
BlackRock 17 Mio. Dollar kassiert haben soll, bei weitem nicht der 
einzige seiner Art. Neben den USA war BlackRock in derartiger Mission 
auch schon in Irland aktiv. Dort soll es die Zahlengrundlage fuer das 
Rettungspaket der irischen Banken geliefert haben, wegen dem sich dann 
auch Irland dem Diktat der Troika beugen musste. Die spanischen 
Tageszeitung El Mundo berichtete vor kurzem, dass schon ueber ein 
weiteren Auftrag in Spanien verhandelt wird.11)
Dieses Vorgehen wirft auch die Frage auf, in welchem Zustand sich die 
europaeische Bankenaufsicht befindet. Wuerde die naemlich 
funktionieren, muesste sie eigentlich selbst wissen, wie es um die 
Bankensystem der Krisenstaaten bestellt ist. Auftraege im 
zweistelligen Millionenbereich an einen Finanzkonzern wie BlackRock 
waeren dann ueberfluessig.
Der letzte Punkt aus dem "Fuenf-Punkte-Programm" der Syriza besteht 
schliesslich in der Forderung nach einem Schuldenaudit. Eine 
internationale Expertenkommission soll in einem transparenten und 
oeffentlichen Verfahren klaeren, wie es zu dem griechischen 
Schuldenberg gekommen ist. Bis dahin soll ein Moratorium gelten, 
waehrend dessen keine weiteren Tilgungen und Zinszahlungen mehr 
geleistet werden. Was dann mit den Schulden passiert, waere abhaengig 
vom Ausgang der Untersuchung. Schulden, die illegal, illegitim, auf 
verwerfliche Art und Weise zu Stande gekommen oder einfach nicht 
tragfaehig sind, muessten gestrichen werden. Dass eine derartige 
Schuldenstreichung nicht, wie beim kuerzlich erfolgten 
Schuldenschnitt, voellig intrnsparent, sondern in einem oeffentlichen 
und transparenten Verfahren erfolgt, liegt auch im Interesse der 
Menschen im Rest der Eurozone. Die buergen naemlich mittlerweile 
gemeinsam mit den Anteilseignern des IWF zu etwa Dreiviertel fuer den 
bei der griechischen Regierung aufgelaufenen Schuldenberg. Sollte es 
zu einem weiteren Schuldenschnitt kommen, was sehr wahrscheinlich ist, 
waeren auch die EFSF-Kredite betroffen und die zugesagten 
Buergschaften faellig.
Ein Schuldenaudit koennte dazu beitragen, herauszufinden, wie gross 
der Schaden ist, der Griechenland durch Steuerhinterziehung und 
Korruption entstand. Koennten die aus kriminellen Machenschaften 
erwachsenen Profite eingetrieben werden, waere das auch ein Beitrag 
dazu, die Schuldenquote wieder schneller auf ein tragfaehiges Niveau 
zu senken. Verbunden waere damit auch, dass die Strukturen aufgedeckt 
und zerschlagen werden wuerden, die fuer die derzeitige Lage 
mitverantwortlich sind. Ob das wohl der Grund ist, warum man in 
Deutschland so wenig darueber hoert?
Die Liste der deutschen Konzerne, die in Griechenland in 
Bestechungsskandale verwickelt sind, ist lang. Ganz oben auf der Liste 
steht der Konzern Siemens, welcher im letzten Jahrzehnt in 
Griechenland 100 Mio. Euro an Schmiergeldern verteilt haben soll. Ein 
Untersuchungsausschuss des griechischen Parlaments schaetzte den dabei 
entstandenen Schaden auf bis zu 2 Mrd. Euro.12)
Im Maerz einigte sich der Konzern mit der griechischen Regierung auf 
eine Zahlung von 270 Mio. Euro. Im Gegenzug erklaerte die griechische 
Regierung Siemens wieder zum sauberen Konzern und stellte alle 
Ermittlungen ein.13)
Waehrend dessen droht der Ausverkauf Griechenlands immer mehr an Fahrt 
aufzunehmen. Erst kuerzlich wurden wieder weitere Anteile an wichtigen 
Infrastruktureinrichtungen auf den Privatisierungsfonds Hellenic 
Republic Asset Development Fond uebertragen, dessen einziger Zweck 
darin besteht, nach Vorbild der deutschen Treuhand seine Besitztuemer 
zu privatisieren. Dabei laesst er sich unter anderem von der Deutschen 
Bank und der bundeseigenenAussenwirtschafts-Foerderagentur Germany 
Trade and Invest (GTAI)15 beraten. Er hat, neben vielen anderen 
Einrichtungen, schon seit laengerem die Haefen und Wasserwerke von 
Athen und
Thessaloniki im Angebot.14)
Auch hier gibt es einen strikten Zeitplan der Troika, bis wann was 
verkauft sein muss. Noch zieren sich die meisten potentiellen Kaeufer, 
weil sie glauben, dass die Preise noch weiter fallen. Auch weitere 25% 
des Athener Flughafens stehen zum Verkauf. Dem Essener Baukonzern 
HochTief hat seine Beteiligung an diesem Flughafen in den letzten 
Jahren deutlich zweistellige Renditen eingebracht. 2010 ergab die 
ausgeschuettete Dividende sogar eine Kapitalrendite von ueber 50%.15)
(Stephan Lindner, Attac Deutschland)
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Quelle: 
http://www.linke.cc/joomla/index.php?option=com_content&id=2453
Naehere Infos zu Blockupy Frankfurt unter 
http://blockupy -frankfurt.org/
Fussnoten:
1 http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/anleihen-devisen/70031131.html
2 http://www.heise.de/tp/artikel/36/36875/1.html
3 http://www.spiegel.de/politik/ausland/regierungschaos-schaeuble-stellt-griechenland-vor-die-wahl-euro-a-832281.html
4 Redglobe hat die Rede von Alexis Tsipras, in der er diese Punkte 
verkuendete, ins deutsche uebersetzt: 
http://www.redglobe.de/europa/griechenland/5171-erklaerung-des-syriza-fraktionsvorsitzenden-alexis-tsiprassyriza-am-8-mai-2012
5 http://www.griechenland-blog.gr/2012/ergebnis-der-parlamentswahlen-2012-in-griechenland/7860/
6 Eine englische Fassung des letzten Memorandums findet sich unter 
http://www.minfin.gr/contentapi/f/binaryChannel/minfin/datastore/d1/d9/7c/d1d97cb60bad8706a2cabbf83e5ae9fb7f3ab369/application/pdf/MOU+_+MEFP+13+march+2012%5B1%5D.pdf 
7 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken/blackrock-die-heimlichen-herren-des-dax/4150978.html
8 http://www.db.com/ir/en/content/shareholder_structure.htm
9 http://www.ipreoink.com/media/k2/attachments/International_Investment_in_Greece_Apr_2010.pdf 
  Seite 3
10 http://dealbook.nytimes.com/2012/03/19/in-greek-crisis-a-little-known-adviser-with-outsize-influence/
11 http://www.elmundo.e 
s/elmundo/2012/05/06/economia/1336293227.html
12 http://www.platow.de/griechische-regierung-schliesst-vergleich-mit-siemens/2881010.html
13 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechisches-parlament-segnet-vergleich-mit-unternehmen-ab-siemens-sagt-sorry-fuer-die-korruption-1.1327795
14 http://www.ekathimerini.com/4dcgi/_w_articles_wsite2_1_09/05/2012_441401
15 http://blog.attac.de/?p=999
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