**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 15. Mai 2012; 23:49
**********************************************************
Israel:
> Putsch gegen den Krieg
Generaele und Geheimpolizeichefs greifen gemeinsam Politiker an
Es begann mit dem unwahrscheinlichsten Kandidaten fuer eine Rebellion: 
mit Exmossadchef Meir Dagan. Acht Jahre, laenger als die meisten 
seiner Vorgaenger, hat Dagan den Mossad, Israels Auslandsgeheimdienst 
gefuehrt. Niemand warf Dagan jemals Pazifismus vor. Waehrend seiner 
Dienstzeit fuehrte der Mossad viele Anschlaege durch, mehrere gegen 
iranische Wissenschaftler, sowie Internetangriffe. Der Protegé Ariel 
Scharons wurde als Anhaenger der aggressivsten Politik angesehen. Und 
jetzt, nachdem er in den Ruhestand getreten ist, spricht er in 
schaerfsten Ausdruecken gegen die Plaene der Regierung, einen Angriff 
auf Irans nukleare Einrichtungen zu fuehren. Mit deutlichen Worten 
sagte er: »Dies ist die duemmste Idee, die ich je in meinem Leben 
gehoert habe.«
In der vergangenen Woche hat ihn der kuerzlich in Pension gegangene 
Chef des Shin Bet noch in den Schatten gestellt. (Anm.: Shin Bet ist 
der Inlandsgeheimdienst, er befasst sich aber vor allem mit den 
Palaestinensern in Israel und den besetzten Gebieten.) Sechs Jahre 
lang war Yuval Diskin der schweigende Chef des schweigenden Dienstes. 
Er konnte mit seinem geschorenen Kopf beim Betreten und Verlassen der 
Treffen von Sicherheitskomitees gesehen werden. Er wird als Vater 
der »gezielten Toetungen« betrachtet, und sein Geheimdienst ist wegen 
umfassenden Gebrauchs von Folter angeklagt worden. Keiner hat ihn je 
dafuer angeklagt, dass er mit den Arabern sanft umgehe.
Und nun hat er seine Meinung gesagt. Er waehlte einen sehr 
ungewoehnlichen Ort dafuer - einen Stammtisch mit etwa zwei Dutzend 
Pensionaeren im Café einer Kleinstadt. Nach Diskin - und wer wuerde es 
besser wissen? - wird Israel derzeit von zwei inkompetenten Politikern 
(Anm.: Netanjahu und Barak) mit messianischen Illusionen und wenig 
Verstaendnis fuer die Realitaet gefuehrt. Ihr Plan, den Iran 
anzugreifen, fuehrt zu einer weltweiten Katastrophe. Nicht nur wird es 
misslingen, die Produktion einer iranischen Atombombe zu verhindern. 
Es wird sogar eher das Gegenteil eintreten: Der Iran wird mit seinen 
Bemuehungen schneller voranschreiten und diesmal mit der 
Unterstuetzung der Weltgemeinschaft.
Diskin geht noch weiter als Dagan; er erklaerte, der einzige Faktor, 
der die Friedensverhandlungen mit den Palaestinensern verhindere, sei 
Netanjahu selbst. Israel kann mit Mahmoud Abbas Frieden machen. Er 
verpasst diese historische Gelegenheit und bringt damit eine 
Katastrophe ueber Israel.
Als Chef des Shin Bet war Diskin die Nummer eins der offiziellen 
Regierungsexperten die Palaestinenser betreffend. Seine Agentur 
erhielt und sammelte alle Beweise, Spionageberichte, Verhoerergebnisse 
und Informationen, die von Lauschgeraeten erfasst werden. Um keine 
Zweifel an seiner Aussage zuzulassen, erklaerte Diskin, er kenne 
Netanjahu und Barak aus der Naehe, vertraue ihnen nicht und denke, 
dass sie nicht geeignet seien, eine Nation in einer Krise zu fuehren. 
Er sagte auch, dass sie das Volk bewusst taeuschten, und vergass auch 
nicht zu erwaehnen, dass sie in aeusserstem Luxus lebten.
Gegenangriff
Jeder, der dachte, diese Anklaeger waeren einsame Stimmen und der 
ganze Chor vergangener und jetziger Sicherheitschefs wuerde sich 
erheben und sie einstimmig verurteilen, wurde enttaeuscht. Einer nach 
dem anderen dieser Experten wurde von den Medien zitiert, dass sie mit 
den beiden im wesentlichen uebereinstimmten, wenn auch nicht mit ihrem 
Stil. Kein einziger hinterfragte ihre Behauptungen oder leugnete, was 
sie sagten. Der augenblickliche Stabschef und die Chefs von Mossad und 
Shin Bet machten bekannt, dass sie die Ansichten der beiden ueber den 
Iran teilten. Fast alle ihre Vorgaenger, einschliesslich aller 
Militaerstabschefs aus der letzten Zeit, sagten den Medien, auch sie 
stimmten mit ihnen ueberein. Ploetzlich gab es eine gemeinsame Front 
von erfahrenen Sicherheitschefs gegen einen Krieg mit dem Iran.
Der Gegenangriff liess nicht auf sich warten. Die ganze Batterie von 
Politikern und Medienschreiberlingen wurde aktiv. Sie taten das, was 
Israelis meistens tun, wenn sie ernsthaften Problemen oder ernsthaften 
Argumenten gegenueberstehen. Sie befassen sich nicht mit der Sache 
selbst, sondern picken einige nebensaechliche Details heraus und 
diskutieren endlos ueber sie. So gut wie keiner versuchte, die 
Behauptungen der Offiziere zu widerlegen, weder in bezug auf den 
vorgeschlagenen Angriff auf den Iran noch in bezug auf das 
Palaestinenserproblem. Sie konzentrierten sich auf die Sprecher, nicht 
auf das, was sie gesagt hatten. Beide, Dagan und Diskin, seien 
verbittert, weil ihre Dienstzeit nicht verlaengert worden sei. Sie 
fuehlen sich gedemuetigt, reagierten ihren persoenlichen Frust ab und 
spraechen aus reiner Boshaftigkeit und Rachsucht, wurde behauptet. 
Wenn sie dem Ministerpraesidenten nicht trauten, warum standen sie 
nicht auf und kuendigten, waehrend sie im Amt waren? Warum sprachen 
sie nicht vorher? Wenn dies eine Sache von Leben und Tod ist, warum 
warteten sie?
Der Mann, dem seine Sicherheitsberater messianische Tendenzen 
vorwerfen, wurde kuerzlich von einem persoenlichen Schicksalsschlag 
getroffen. Sein Vater, Ben-Zion Netanjahu, starb im Alter von 102 
Jahren. Zweifellos hatte der Vater einen sehr grossen Einfluss auf 
seinen Sohn. Er war Historiker, dessen ganzes intellektuelles Leben 
auf ein Thema konzentriert war: die spanische Inquisition - ein 
traumatisches Kapitel der juedischen Geschichte, vergleichbar mit dem 
Holocaust. Ben-Zion Netanjahu war ein extremer Rechter, von der Idee 
besessen, die Juden koennten jeden Moment ausgeloescht werden, und 
deshalb koenne man keinem Nichtjuden trauen. Der Vater war eine sehr 
verbitterte Person. Als Historiker war er nie von der akademischen 
Welt in Jerusalem akzeptiert worden, die seine Theorien ablehnte. All 
dies formte den Charakter und das Weltbild von »Bibi«. Wenn Benjamin 
jetzt endlos ueber den kommenden zweiten Holocaust spricht und 
darueber, dass es seine historische Aufgabe sei, ihn zu verhindern, so 
ist dies nicht nur ein Trick, um die Aufmerksamkeit vom 
Palaestinenserproblem abzulenken oder um sein politisches Ueberleben 
zu sichern. Er duerfte - ein erschreckender Gedanke - tatsaechlich 
daran glauben. Das Bild, das auftaucht, ist genau dasselbe, wie es 
Yuval Diskin malte: Ein vom Holocaust besessener Phantast ohne Kontakt 
zur Realitaet, keinem Nichtjuden trauend, versucht, in die Fussstapfen 
eines starrkoepfigen, extremistischen Vaters zu treten - insgesamt 
eine gefaehrliche Person dafuer, eine Nation durch eine wirkliche 
Krise zu fuehren.
(Uri Avnery, 4.5.2012 / gek.)
Uebersetzung aus dem Englischen: Ellen Rohlfs.
Quelle http://www.uri-avnery.de/news/187/15/Ein-Putsch-gegen-den-Krieg
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin