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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Mai 2012; 02:08
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Demokratie/Krise
> Wenn Wahlen nichts veraendern
Wird sich in der EU etwas aendern nach diesem Wahltag? Nun, in
Frankreich wurde ein Sozialdemokrat gewaehlt. Also das wird einmal
keine Aenderung bringen. Auch dann nicht, sollte die Sozialdemokratie
nach den kommenden Wahlen auch das Abgeordnetenhaus dominieren. Warum
sollte sich auch etwas aendern? Man denke an Schroeder und Blair und
Zapatero und hat die Antwort. Die Sozialdemokratie war immer schon
faehig, den Kapitalismus besser durchzusetzen als die Konservativen --
vor allem in Krisenzeiten. Die oekonomischen Parameter haben sich an
diesem Sonntag nicht geaendert -- und auf die kommt es an. Und
Sozialdemokraten sind ja nicht besonders beruehmt dafuer, prinzipielle
Einschnitte in ein vorgefundenes System zu machen. Im Gegenteil: Das
unberechenbare Rumpelstilzchen, das bisher im Élysée sass, hat seine
Schuldigkeit getan, waere aber fuer ein Europa der zunehmenden
Spannungen eine ziemliche Katastrophe gewesen. Wenn wer die EU retten
kann, dann ist es die Sozialdemokratie, denn was das Volk in diesem
mittlerweile sich zum Superstaat gemauserten Staatenbund braucht, sind
Beruhigungspillen -- und die waren von diesem bisherigen Praesidenten,
der staendig den Monsieur 100.000 Volt geben wollte, nicht zu haben.
Am Diktat der Maerkte wird aber Hollande sicher nicht ruetteln und ob
es am Fiskalpakt auch nur kosmetische Veraenderungen geben wird, ist
mehr als fraglich.
In Griechenland sieht die Sache auf den ersten Blick anders aus. Die
Berichterstattung bei uns ist auch dementsprechend dramatisch: Linke
und Faschisten werden beide taxfrei als "Extremisten" und "Populisten"
ueber einen Kamm geschoren. Die deutsche "Bild" titelte gar: "Chaos
siegt ueber Vernunft"! Die bisherige griechische Elite weigert sich
auch voellig zu begreifen, was da passiert ist -- der Chef der Nea
Demokratia warf empoert das Handtuch, als er erkennen musste, dass man
mit Syriza den brutalen "Sparkurs" wirklich nicht weiter wird fuehren
koennen. Schoene Scheisse, wird er sich gedacht haben, die haben das
ernstgemeint mit dem, was sie im Wahlkampf gefordert haben!
Aber die Troika steht ja vor der Tuer. Und die will diese
Austeritaetspolitik -- damit der Euro und die Interessen der Zeichner
von Staatsanleihen gerettet werden. Wird es im griechischen Parlament
aber eine Mehrheit geben, die es eiskalt zum Crash kommen lassen
wird -- sprich Zahlungsunfaehigkeit und Rueckkehr zur Drachme
riskieren? Ausser den Faschisten und der KKE wollen alle im Parlament
im Euro bleiben. Wird man in Griechenland sagen: Die Troika muss
sowieso zahlen, es bleibt ihr ja nichts anderes uebrig, wenn sie den
Euro und damit vielleicht das ganze "europaeische Projekt" retten
will? Hat das neue Parlament den Mut, das wirklich zu riskieren? Was
waere die Folge? Ist ein Putsch oder sonst eine "militaerische
Loesung" in der EU vielleicht sogar schon vorstellbar? Oder laesst man
einfach nochmal waehlen, in der Hoffnung, dass es sich fuer ND und
PASOK doch noch ausgeht?
Ach, irgendwas wird man schon an Regierung basteln, vielleicht mit
Unterstuetzung der ND- oder Syriza-Dissidenten, die ja jetzt auch im
Parlament sitzen. Irgendwie wird es moeglich sein, eine "Regierung der
Vernuenftigen" zustandezubringen -- und den Protest kann man ja
weiterhin niederknueppeln. Schliesslich ist man in einer Demokratie
und da darf das Volk nur mitreden, wenn es per Stimmzettel auswaehlen
darf, von wem es denn verarscht werden moechte.
Was wir in den Laendern der EU brauchen, ist ein klarer
Paradigmenwechsel. Und der ist nicht so einfach an der Urne zu
erreichen. Die jetzigen Ergebnisse waren zwar ein warnender Schuss vor
den Bug, aber leider einer mit Platzpatronen. Denn wenn Wahlen etwas
veraendern koennten, waeren sie laengst verboten.
Persoenlicher Nachtrag: In Prognosen, besonders, wenn sie die Zukunft
betreffen, war ich noch nie gut. Vielleicht irre ich mich auch
diesmal. Wuerde mich sogar freuen...
*Bernhard Redl*
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