**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. Mai 2012; 02:10
**********************************************************
Behindertes Oesterreich/Glosse:
> Inklusion! Oder so was Aehnliches...
*Rosalia Krenn*, Sozialarbeiterin und Betriebsraetin bei der 
Lebenshilfe Salzburg, ueber die Nicht-sehr-gleich-Stellung von 
Menschen mit Beeintraechtigungen:
*
Jaehrlich wird am 5. Mai der Kampftag fuer die Gleichstellung von 
Menschen mit "Behinderungen" mit vielerlei Aktionen zelebriert. Unter 
anderem machen die Organisationen des Dachverbandes der "Lebenshilfe 
Oesterreich" oeffentlichkeitswirksam auf die Rechte von Menschen mit 
Beeintraechtigungen aufmerksam. Die Lebenshilfe Salzburg hat sich 
gemeinsam mit "Pro Mente" heuer fuer eine Photoausstellung 
entschieden. Etwa einen halben Kilometer entlang der Salzach wurden 
riesige Phototafeln aufgestellt, die einen Monat lang besichtigt 
werden koennen. Die Salzburger Filmemacherin und Photokuenstlerin 
Petra Hinterberger hatte vor einem Jahr damit begonnen, Menschen mit 
Beeintraechtigungen in die Kunst der Photographie einzuweihen, die 
Ergebnisse koennen sich sehen lassen. Es sind ueber 450 wunderschoene 
Photos von Menschen mit mentaler "Behinderung" entstanden, sie zeigen 
diese Menschen in unterschiedlichen Handlungszusammenhaengen. Jedes 
Photo wurde von einer Photographin oder einem Photographen mit 
"Beeintraechtigung" gemacht und professionell nachbearbeitet. Am Rande 
der Photos sind einzelne ausgewaehlte Artikel der UN-Konvention ueber 
die Rechte von Menschen mit "Behinderung" zu lesen. Man merkt die 
kuenstlerische Schulung und Begleitung der PhotographInnen, aber 
genauso spuerbar wird, dass ein Mensch, der selbst betroffen ist, 
einen Menschen mit Beeintraechtigung ganz anders ins Bild zu ruecken 
vermag.
Inklusion in Theorie und Praxis
Die Eroeffnungsveranstaltung zur Ausstellung hat am 5. Mai nachmittags 
bei Schoenwetter begonnen: Die Soziallandesraetin, die 
Behindertenbeautragte der Stadt Salzburg und der Geschaeftsfuehrer der 
Lebenshilfe Salzburg, zwei OrganisatorInnen und auch die Filmemacherin 
durften reden. Das war's. Nein, das ist jetzt kein Schmaeh, das war's. 
Die PhotographInnen waren anwesend, sie wurden auch zum Podium 
gebeten, man schenkte ihnen Sticker, auf denen ein Photoapparat 
abgebildet war, den sie sich sofort anstecken sollten, um als 
KuenstlerInnen erkennbar zu sein. Gefragt wurden sie nichts, zu sagen 
hatten sie nichts, niemand ist auf die Idee gekommen, ihnen mal das 
Mikro in die Hand zu geben. Stumm haben saemtliche Menschen mit 
Beeintraechtigungen dem Eroeffnungszirkus beigewohnt. Nicht ein Mensch 
mit Beeintraechtigung ist zu Wort gekommen. Das anwesende Publikum hat 
nicht erfahren, wie es den einzelnen PhotographInnen in diesem Jahr 
gegangen ist, welche Eindruecke sie gewonnen haben, warum sie aus 
bestimmten Blickwinkeln photographiert haben, wie es ihnen im 
Lernprozess gegangen ist, wo die Anstrengung und wo die Freude gelegen 
ist und was sie von der Untermalung ihrer Photos mit bestimmten 
Artikeln der UN-Konvention halten, oder wie ihre Bilder jetzt im 
Grossformat an der Salzach auf sie wirken. Viele der abgebildeten 
Personen waren anwesend. Nicht eine einzige Person wurde gebeten, 
etwas darueber zu sagen, was sie empfindet, wenn sie sich so im 
Grossformat im oeffentlichen Raum begegnet. Nicht eine einzige 
betroffene Person wurde gefragt, was die Rechte fuer Menschen mit 
"Behinderungen" fuer sie bedeutet.Unter den betroffenen Personen 
befanden sich genuegend Menschen, die nur darauf warteten, ein Mikro 
in die Hand zu bekommen. Da gibt es keine Ausreden.
Die Lebenshilfe Salzburg, und insbesonders ihr Geschaeftsfuehrer 
schafft es nicht mehr, auch nur zwei Saetze zu sagen, ohne das Wort 
Inklusion zu verwenden. Inklusion, Inklusion, Inklusion. So, und jetzt 
veranstaltet diese Organisation selbstverstaendlich ein inklusives 
Event. Stimmt. Das Kunstprojekt ist ein gelungenes Beispiel fuer 
Inklusion. Nur: das hat mit der Organisation der Eroeffnung gar nichts 
zu tun. Es ist ein Skandal, dass in Anwesenheit eines Selbstvertreters 
der Lebenshilfe, der in Sachen Rechte von Menschen mit 
Beeintraechtigungen durchaus bewandert ist, dieser nicht zu Wort 
kommt. Wenn schon 6 schoen sprechende sogenannte wichtige Damen und 
Herren das Wort fuer ihre Selbstdarstellung ergreifen duerfen, waere 
es zumindest angebracht, auch 6 betroffene Menschen mit 
Beeintraechtigung um ihre Meinung zu bitten. Inklusion, ein schoenes 
Wort, eigentlich ist es zum Verkaufsschlager geworden. Auf allen 
huebschen Papieren steht es drauf, gelebt wird es nicht.
Die anwesenden Menschen mit "Behinderungen" sind nicht auf die Idee 
gekommen, sich waehrend der gezeichneten Veranstaltung das Mikrophon 
zu schnappen, hier spielt Anpassungsdruck an gesellschaftliche Normen 
eine grosse Rolle. Aus der Rolle fallen Menschen, wenn sie 
Benachteiligung erkennen, dass sie in vielen Settings zu schweigen 
haben, eine bessere Staffage abgeben, wird als Diskriminierung haeufig 
im ersten Augenblick nicht erkannt. Schliesslich ergreifen Menschen in 
ihrem Namen das Wort, die ihnen wohlgesonnen sind und zu denen nicht 
selten ein Abhaengigkeitsverhaeltnis besteht.
Selbstverstaendlich habe ich diese Situation im Nachhinein mit der von 
mir betreuten Literaturgruppe von "Behinderten" diskutiert. Bestaetigt 
wurde ich in meiner Vermutung, dass betroffene Menschen viel besser 
formulieren koennen, dass es um Akzeptanz und um Respekt geht. Warum 
schreibe ich jetzt trotzdem diesen Artikel in ihrem Namen? Ganz 
einfach: die Menschen mit Beeintraechtigung mit denen ich kommuniziert 
habe, waren der Meinung, dass es schon etwas viel Arbeit waere, dazu 
einen richtigen Artikel zu schreiben. Auf meine Anmerkung, dass es 
vielleicht gut waere, sich dieser Arbeit zu stellen bekam ich die 
Antwort, dass ich auch arbeiten koennte und dafuer viel besser bezahlt 
wuerde, also ich den Job erledigen sollte. ###
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero@gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.redaktion@gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin