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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. April 2012; 00:51
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Wien/Bildung:

> Neue Rektoren raeumen gut

Die Uni Wien war letzte Woche im Ausnahmezustand

Das Audimax wurde in den letzten 40 Jahren wohl an die 20mal besetzt,
auch Besuche beim Rektorat sind keine Seltenheit. Also alles
eigentlich kein Grund fuer Rektorat und Polizei durchzudrehen. Aber
ein neuer Rektor wollte sich scheinbar profilieren und griff hart
durch.

Am Donnerstag, den 19. April wurde die Hauptuni und das NIG gesperrt,
Studierende und Lehrende rausgeschmissen, eine Unmenge an Polizei mit
Hunden, unterstuetzt von privaten Wachdiensten und Geheimdienst,
passte auf, dass auch ja keine Maus hineinkommt. Der Grund fuer den
Ausnahmezustand: Ca. 100 Studierende protestierten dafuer, dass sie
ihr Studium weiterfuehren duerfen, wollten deswegen mit dem Rektor
verhandeln -- und wurden dabei kraeftig unterstuetzt.

Der Grund fuer dieses krasse Missverhaeltnis (kurzer Protest vs.
"evakuierte" Hauptuni): Ein neuer Rektor, der von Anfang an klar
machen will, dass Proteste keinen Sinn machen, trifft auf eine
Polizei, die immer mehr Befugnisse und Einfluss bekommt; trifft auf
eine Oeffentlichkeit, die grossteils uninteressiert ist; und das Ganze
trifft auf eine politische Kultur von Machtspielen und Ignoranz, eine
Kultur des Aussitzens und des Fehlens jeglicher Konsequenz, selbst bei
groebsten Fehlern. Das Ergebnis dieser Mischung ist eine
ruecksichtslose Polizeiaktion, die ausser den Betroffenen kaum jemand
interessiert, da mensch mit der Vogel Strauss Taktik hier immer noch
ein gutes Leben haben kann.

Doch der Reihe nach: Der Studiengang Internationale Entwicklung (IE)
sollte abgeschafft werden (Anm. akin: So ganz klar ist es nicht, wie
mit dem IE weiterverfahren werden soll). Ausgehungert wird er schon
lange, Verhandlungen gibt es auch schon lange, doch so richtig
ernsthaft werden diese von Seiten des Rektorats nicht gefuehrt.
Deswegen wurde beschlossen, durch Aktionstage Druck aufzubauen.
Ausserdem soll gemaess dem altem Sprichwort "Wenn der Prophet nicht
zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen" beschlossen,
dem neuen Rektor einen Besuch abzustatten.

Der Rektor war aber nicht in seinem Buero, weswegen das Rektorat
kurzerhand besetzt wurde, solange "bis es Gespraeche mit dem Rektor
gibt." Der hatte allerdings gerade andere Sorgen, immerhin stellte er
an diesem Tag den Antrag auf Einfuehrung der Studiengebuehren an der
Uni Wien. Deswegen rief er die Polizei, die fuer ihn die
Gespraechsfuehrung uebernehmen soll. Diese kam dem Angebot gerne nach,
rueckte mit einem Grossaufgebot an und raeumte das Rektorat nicht
gerade zimperlich. Zum ersten Mal an diesem Tag gibt es
Verwaltungsstrafen. Danach begleitete die Polizei noch die
Studierenden, die nun eine Spontandemo bildeten, sperrte
sinnloserweise Gaenge ab und versuchte auch kurz zu kesseln.

Die Studierenden zogen sich in den Uni-Campus zurueck, wo es ein
laengeres Plenum gab. Dabei entschied sich die Gruppe, eine
Hoersaaltour zu machen. Beim Audimax angelangt, wurde beschlossen zu
verweilen, und den Hoersaal zu besetzen. Der Rektor duerfte dies als
Feuertaufe gesehen haben; als eine Moeglichkeit, dass Proteste unter
seiner Regentschaft keinen Sinn haben, anders laesst sich sein Handeln
nicht erklaeren: Der Rektor laesst also die gesamte Hauptuni raeumen,
wirft alle Lehrenden und Studierenden raus und schliesst kurzerhand
die gesamte Uni. Die Studierenden koennen aber vorerst das Audimax
besetzt halten, die Polizei posiert in Massen vor der Uni,
unterstuetzt die ueberforderte Security beim Verschliessen der Tueren.
Auch der Verfassungsschutz ist mit dabei, filmt, sammelt Daten,
schnueffelt herum.

Auch die Forderungen der Besetzer*nnen sind sehr brav: IE bleibt,
keine STEOP (Studien-Eingangs- & Orientierungs-Pruefung), keine
Studiengebuehren. Das Audimax wurde in den letzten 40 Jahren wohl an
die 20mal besetzt, auch Besuche beim Rektorat sind keine Seltenheit.
Also alles eigentlich kein Grund fuer Rektor und Polizei
durchzudrehen.

Es kommt, wie es kommen muss. Vor den verschlossenen Tueren sammeln
sich verstaendlicher Weise mehr und mehr Menschen. Aus den anfangs 100
Menschen sind im Laufe des Abends ca. 500 geworden. Der Grund fuer
diese spontane Solidarisierung liegt weniger an den konkreten
Forderungen der Besetzer*innen. Viele haben es ganz einfach satt, dass
die Studienbedienungen von Semester zu Semester schlechter werden,
waehrend Politiker*innen das Blaue vom Himmel versprechen, viele haben
es satt, dass selbst der harmloseste Protest behandelt wird als waeren
die aergsten Terrorist*innen vor Ort.

Waehrend die einen also im Audimax sind und dort langsam ausgehungert
werden, sind die anderen draussen und versuchen auf verschiedenste
Art, Unterstuetzung zu leisten: Es gibt eine sehr kurzfristige
Ringblockade und eine kurze Besetzung im NIG -- woraufhin auch dieses
komplett geschlossen wird und ein paar Spontandemos; andere Menschen
suchen nach Schleichwegen ins Audimax,versuchen, Essen und Trinken
reinzubringen; wieder andere harren vor den verschiedenen Tueren,
beobachten die Polizei,etc.

Doch auch das Ende ist unvermeidlich: Der Rektor gibt sich
schliesslich doch noch her, ein Angebot zu unterbreiten: Im Gegenzug
zur freiwilligen Raeumung soll es eine Informationsveranstaltung zum
Thema Studiengebuehren sowie eine Diskussionsrunde zum Erhalt der IE
geben -- nachdem alles in der Senatssitzung beschlossen worden ist.
Dass es haargenau diese Haltung ist "wir koennen ueber alles reden,
aber zum Mitreden habt ihr nix", die zu diesen Protesten gefuehrt hat,
will er nicht verstehen.

Also lehnt das Plenum des Audimax den Vorschlag ab, und bekommt etwas
spaeter die Rechnung praesentiert: Raeumung durch die WEGA. Dabei kam
es wie schon zuvor zu wenig offener, jedoch jeder Menge
psychologischer Gewalt, Einschuechterungen, Bedrohungen,
Beleidigungen, kleine Schubser, Aufnahme der Personalien inklusive der
Matrikelnummer (angeblich will der Rektor wissen, wer hinter den
Protesten steht),...

Draussen werden die Geraeumten mit Applaus empfangen. Doch damit enden
die Proteste nicht: Am Freitag, den 20. April, bleibt die Hauptuni
geschlossen, eine Spontandemo wird abgehalten, am Abend soll es noch
ein Fest gegeben haben. Und am Tag der Senatssitzung, Donnerstag, der
26.April, wo Studiengebuehren und IE-Abschaffung beschlossen werden
sollen, wird es grosse Proteste geben.
(indymedia/bearb.)

Quelle: https://at.indymedia.org/node/22811

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Nachtrag: Am Montag stellten sich Rektor Heinz Engl und seine beiden
Vize-RektorInnen im Hoersaal C1 den Studierenden. Laut Berichten fand
dabei aber wie zu Erwarten war, kein Dialog statt, sondern lediglich
der Austausch schon bekannter Standpunkte. Der Rektor beharrte darauf,
dass die Universitaet defizitaer sei, und er schon deswegen
Studiengebuehren einfuehren wolle, damit der Verfassunggerichtshof
darueber entscheiden koenne, ob eine autonome Einfuehrung von
Gebuehren durch die Unis rechtens sei -- und bat die anwesenden
Studierenden in ihm keinen "Gegner" zu sehen.

*

Anm. des LayOuters: Beim Uni-Streik 1987 wollte der Rektor auch den
Eindruck der Gegnerschaft vermeiden -- tat dies allerdings dadurch,
dass er ins besetzte Audimax kam, tatsaechlich den Dialog suchte und
hoechstpersoenlich sowie ziemlich lautstark die Polizei, die ohne
Aufforderung gekommen war, aus der Universitaet stamperte. Damals war
die Universitaetsleitung noch davon ueberzeugt, dass Konflikte
innerhalb des Unigebaeudes die Polizei nichts angingen. So aendern
sich die Zeiten... ###



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