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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. April 2012; 00:50
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Repression:
> Mit dem Stalking-Verbot gegen politischen Aktivismus?
Seit dem 1. Juli 2006 gibt es ein Stalking-Verbot, §107a des 
oesterreichischen Strafgesetzbuchs. Besonders Frauengruppen haben sich 
fuer dieses Gesetz stark gemacht, verboten werden sollte, dass Frauen 
von Verehrern oder ehemaligen Partnern gegen ihren Willen staendig 
verfolgt werden. Auch Prominente sollten so vor aufdringlichen Fans 
geschuetzt werden.
Verboten und mit 1 Jahr Gefaengnis bedroht wurde aber ganz allgemein, 
wer die Lebensfuehrung einer Person unzumutbar beeintraechtigt, in dem 
er/sie eine laengere Zeit hindurch fortgesetzt ihre raeumliche Naehe 
aufsucht oder unter Verwendung eines beliebigen Kommunikationsmittels 
oder ueber Dritte zu ihr Kontakt herstellt. Sofort nach 
Veroeffentlichung dieses neuen Gesetzes kritisierten wir, dass das 
auch auf politischen Protest angewandt werden kann. Wenn der 
Landwirtschaftsminister ein Veto gegen ein Verbot der 
Kastenstandhaltung ausspricht, dann werden Tierschutzgruppen eine 
laengere Zeit hindurch fortgesetzt bei seinen Auftritten protestieren 
und damit seine raeumliche Naehe aufsuchen. Zusaetzlich werden sie per 
Flugblaettern oder Internetaufrufen mit ihm Kontakt aufnehmen oder 
Dritte dazu auffordern, bei ihm zu protestieren. Es ist anzunehmen, 
dass das die Lebensfuehrung des Landwirtschaftsministers 
beeintraechtigt. Ob unzumutbar, entscheiden dann (zumeist) 
konservative RichterInnen. Auch BVT und LVTs haben mir persoenlich 
gegenueber schon oefter angekuendigt, dass unsere Kundgebungen z.B. 
gegen Pelz vermutlich unter dieses Verbot fallen und demnaechst 
angezeigt werden.
Was bis vor kurzem graue Theorie war, ist jetzt Wirklichkeit geworden. 
Ein Hoechstgericht hat die Verurteilung vom Obmann eines Vereins zu 
6400 Euro und dreier AktivistInnen zu niedrigeren Geldstrafen wegen 
politischen Protesten bestaetigt. Die Staatsanwaltschaft hatte 2 Mal 
die Verfahren eingestellt, wurde aber durch die Oberstaatsanwaltschaft 
letztlich zur Anklage gezwungen. Den Obmann verurteilte man zur 
hoechsten Strafe der vier, obwohl er persoenlich nie vor Ort war, weil 
er durch das zur Verfuegungstellen von Flugblaettern und 
Demomaterialien fuer die Demos hauptverantwortlich war. Konkret wurde 
drei Mal pro Woche jeweils einige Stunden in kleiner Gruppe am selben 
Ort demonstriert, zusaetzlich gab es einmal pro Monat einen groesseren 
Demozug von 80-100 Personen am selben Ort vorbei.
Als beharrlich verfolgt galt dabei der Geschaeftsfuehrer dieses 
Betriebs. Er ist zwar nie persoenlich angesprochen worden, aber er 
habe aus dem Fenster heraus die Demos verfolgen koennen. An seiner 
Privatwohnung hat es nie Proteste gegeben. Das Gericht betonte im 
Urteil, dass es voellig irrelevant sei, ob die Demos legal (d.h. 
behoerdlich angemeldet und nicht untersagt) waren oder nicht, und ob 
sie ruhig oder aggressiv verlaufen sind. Tatsaechlich waren sie legal 
und sind voellig ruhig verlaufen. Relevant sei, dass die Demos in der 
raeumlichen Naehe des Geschaeftsfuehrers mehr als 10 Mal in einem 
mehrwoechigen Zeitraum stattgefunden haetten, und dass PassantInnen 
und KundInnen mittels Flugblaettern aufgefordert worden seien, beim 
Geschaeftsfuehrer zu protestieren. Das Gericht befand, dass dieses 
Vorgehen die Lebensfuehrung des Geschaeftsfuehrers vorsaetzlich 
unzumutbar beeintraechtigt habe. Haette es sich um prominente 
Personen, PolitikerInnen oder Personen des oeffentlichen Lebens 
gehandelt, muesse die Unzumutbarkeitsgrenze zur Lasten des Opfers 
verschoben werden, konstatierte das Gericht in Voraussicht, dass es 
sich hier um einen Praezedenzfall handelt. Irrelevant sei uebrigens, 
ob der Geschaeftsfuehrer tatsaechlich Geschaeftseinbussen durch diese 
Demonstrationen erlitten habe. Insgesamt sei es nicht 
verfassungsrechtlich bedenklich, wenn Meinungs- und 
Versammlungsfreiheit durch das Stalking-Verbot auf diese Weise 
eingeschraenkt wuerden.
Verurteilt wurde hier keine Tierschutzkampagne. Allerdings erklaeren 
die RichterInnen: "Beharrliche Protestaktionen von Umwelt- bzw. 
Tierschuetzern vor umweltbelastenden bzw. tierverarbeitenden 
Unternehmen wiederum waeren dann von §107a StGB erfasst, wenn sich der 
[...] (auch nur bedingte) Vorsatz auf die Eignung, die Lebensfuehrung 
des Opfers unzumutbar zu beeintraechtigen, auch hinsichtlich des 
diesbezueglichen Unternehmers, Betriebsleiters, Mitarbeiters etc. 
zweifelsfrei feststellen liesse, was insbesondere bei groesseren 
gewerblichen bzw. industriellen Unternehmen aufgrund der 
arbeitsteiligen vernetzten Unternehmenstaetigkeit deutlich weniger 
leicht moeglich erscheint."
PS: Ich habe absichtlich weder auf den konkreten Fall Bezug genommen, 
noch die Quelle des Urteils angegeben, um es unseren GegnerInnen nicht 
zu leicht zu machen, diese weitere Waffe gegen uns in Stellung zu 
bringen.
(Martin Balluch auf seinem Blog/gek.)
Quelle: http://www.martinballuch.com/?p=1037
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