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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. April 2012; 00:58
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EU/Repression:
> Die "Euroanarchisten" kommen
EUROPOL macht wieder gegen Links mobil
Laut einem Protokoll der EU-Ratsarbeitsgruppe "Terrorismus" 
organisierte die europaeische Polizeiagentur EUROPOL am 24./25. April 
2012 in Den Haag eine Konferenz zu Anarchismus. Neben einem Referat 
der italienischen Delegation ueber Aktivitaeten der "Federazione 
Anarchica Informale" (F.A.I.) sollte die Konferenz laut 
Medienberichten auch Aktivitaeten gegen "Schienennetzwerke" und das 
"No Border-Netzwerk" behandeln.
"Schienennetzwerke"?
Ganz im Stile europaeischer Politik bleibt der tatsaechliche Inhalt 
und die Intention der Veranstalter im Dunkeln. Unklar ist zum 
Beispiel, was mit dem Begriff "Schienennetzwerke" gemeint ist: Nahe 
liegen die Proteste gegen das "Schienennetzwerk" Stuttgart 21 ebenso 
wie gegen die Hochgeschwindigkeitsverbindung "Treno ad Alta Velocità" 
(TAV) von Turin ins franzoesische Lyon. Gegen beide Projekte leistet 
die oertliche Bevoelkerung massiven Widerstand, der 
selbstverstaendlich auch aus unterschiedlichen linken Bewegungen 
Italiens und Deutschlands getragen wird. Die Bundesregierung spricht 
in diesem Zusammenhang von "Linksextremismus/-terrorismus" und dessen 
angeblichen "Angriffe[n] auf Zugtransporte". [Anm. akin: Es koennten 
aber auch die Castorproteste gemeint sein]
Es ist zu vermuten, dass die Konferenz von EUROPOL den Widerstand 
gegen sinnlose Grossprojekte oder gefaehrliche Technologien in den 
Fokus konservativer Sicherheitsfanatiker ruecken sollte. Dies wuerde 
zur Politik der Regierungen und ihrer Polizeien passen, die immer 
wieder behaupten, Demonstrant_innen wuerden Tote in Kauf nehmen und 
seien als "terroristisch" einzustufen. Demgegenueber sind es immer 
wieder sie selbst, die bei Demonstrationen mit Waffengewalt und 
Terrormethoden das Leben von engagierten Menschen gefaehrden. Juengste 
Beispiele sind der No-TAV-Aktivist "Luca", der durch eine Aktion der 
Polizei lebensbedrohlich aus grosser Hoehe abstuerzte oder der junge 
Mann, der beim spanischen Generalstreik gegen die kapitalistische 
Krisenpolitik von den Bullen ein Gummigeschoss in den Kopf gejagt 
bekam.
"96 Anarchisten" und das "No Border-Netzwerk"
Laut Bundesregierung sollen zudem Aktivitaeten des "No 
Border-Netzwerks" bei der Tagung thematisiert werden. Auch hier ist 
unklar, was das bedeuten soll. Seit den fruehen 90er Jahren 
organisieren migrationssolidarische Gruppen regelmaessig 
grenzueberschreitende Demonstrationen, Camps oder Kampagnen. Fuer 
dieses Jahr wollen sie unter dem Motto "Boats for people" mit Schiffen 
auf dem Mittelmeer Praesenz zeigen und dort gegen die oft toedliche 
Gewalt der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX demonstrieren.
Womoeglich sind aber die Vorkommnisse auf dem Grenzcamp 2010 in 
Bruessel gemeint: Die belgische Polizei wollte verhindern, dass 
Menschen aus dem Camp an einer internationalen 
Gewerkschaftsdemonstration teilnehmen. Geholfen hatte dabei vermutlich 
der spaeter enttarnte Polizeispitzel Simon Bromma, der seine 
"Erkenntnisse" taeglich an das LKA in Stuttgart weitergab. Womoeglich 
gelangten daraufhin verfaelschte Informationen an die belgischen 
Behoerden, die schliesslich zur Festnahme von "96 Anarchisten" 
fuehrten. Derart vermeldete es damals ein Polizeisprecher ohne Angabe 
von Gruenden. Weder fuehrten die Aktivist_innen "verbotene 
Gegenstaende" mit, noch nahmen sie "strafrechtlich relevante 
Handlungen" vor. Es liegt also nahe, dass die Festnahmen nur wegen 
einer "anarchistischen" Gesinnung vorgenommen wurden.
"Euro-Anarchisten"
Auch das deutsche BKA setzt linken Aktivismus mit einem angeblichen 
militanten "Anarchismus" gleich. Im Januar letzten Jahres war dessen 
Chef Joerg Ziercke vom Innenausschuss des Bundestages befragt worden, 
wozu seine Behoerde mit Grossbritannien ausgiebig verdeckte Ermittler 
tauscht. Ziercke hatte zur Begruendung der staatlichen Unterwanderung 
des G8-Gipfels 2007 und NATO-Gipfels 2009 eine angebliche 
"Europaeisierung der Anarchoszene" aus Griechenland, Spanien, 
Grossbritannien, Frankreich, Daenemark und Deutschland angefuehrt. Er 
begruendetet ausserdem die in Heiligendamm eingesetzten britischen 
Spitzel mit dem Vorgehen gegen "Euroanarchisten, militante 
Linksextremisten und -terroristen". Der Begriff "Euro-Anarchisten" war 
bis dahin im deutschen Sprachraum nicht gebraeuchlich. Mittlerweile 
wird sogar der Piratenpartei eine "Angriffshaltung gegenueber dem 
Staat" attestiert und deren Konzeption vermeintlich als 
"anarchistisch" bezeichnet.
"Organisierte Kriminalitaet" und "Terrorismus"
Auch der EU-Geheimdienst Joint Situation Centre (SitCen) beschaeftigt 
sich mit dem "Phaenomen 'Anarchismus'". Im Oktober hatte der Dienst 
ein "Situation Assessment" erstellt, fuer das auch das deutsche 
Bundesamt fuer Verfassungsschutz einen Beitrag lieferte. Bei EUROPOL 
selbst werden einlaufende Erkenntnisse im jaehrlichen "Terrorism 
Situation and Trend Report" veroeffentlicht. Zu den von "anarchist 
extremists" unterstuetzten Themen zaehlen demnach "anti-capitalism, 
anti-militarism, anti-fascism and the 'No Borders' campaign". 
Informationen seien aus Deutschland, Schweden, der Tschechischen 
Republik und Grossbritannien angeliefert worden.
Erst kuerzlich wurde offenkundig, dass EUROPOL auch 
grenzueberschreitende Initiativen von Umwelt- und 
Tierrechtsaktivist_innen beobachtet. Auf Grundlage dieser 
"Erkenntnisse" organisiert die Polizeiagentur regelmaessige 
Konferenzen zu so genannten "Tierrechtsextremismus".
Die Beobachtungen zu "Terrorismus" und "Extremismus" werden bei 
EUROPOL in der weitgehenden Analysearbeitsdatei (AWF) "Dolphin" 
abgelegt, die teilweise regelrechte Dossiers ueber Personen, Objekte 
oder Tathergaenge enthalten kann. Laut Bundesregierung fand das 
Treffen zu "Anarchismus" am 25.April im Rahmen einer Einladung an die 
20 Mitgliedsstaaten der AWF "Dolphin" statt. Nicht nur durch die 
Listung in den "Dolphin"-Dossiers werden politische Aktivist_innen 
kriminalisiert. Im Mai sollen die zahlreichen AWFs neu strukturiert 
und fortan unter den beiden Schlagworten "Organisierte Kriminalitaet" 
und "Terrorismus" gefuehrt werden.
(euro-police.noblogs.org/bearb.)
Quelle mit weiterfuehrenden Links
http://euro-police.noblogs.org/2012/04/geheimdienste-und-polizeien-auflosen-anarchy-in-the-eu/
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