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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. April 2012; 04:10
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Buecher:
> Kein sensationsgeiler Schund
Ian Kershaw,
HITLER 1936 -1945,
DVA Stuttgart 2000,
1343 Seiten
Ueber den Nationalsozialismus gibt es eine Unmenge an Literatur, auch
Hitler-Biographien stapeln sich. Ian Kershaws Buch ueber den "Fuehrer"
hebt sich wohltuend von dem zum Teil nur sensationsgeilen Schund ab.
Auf beeindruckende Weise gelingt es ihm die Entwicklungsgeschichte der
Nazis mit der Person Hitlers zu verweben.
Kershaw hat lange Zeit gezoegert, bis er sich doch entschloss eine
Hitler-Biographie zu schreiben."Bis vor wenigen Jahren hatte ich nie
daran gedacht, eine Hitler-Biographie zu schreiben"(Band 1, S.7.).
Gestuetzt auf seine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem
Nationalsozialismus hat er dann doch den "Sprung hin zum Individuum"
gewagt und mehr als erfolgreich bewaeltigt.
Die "Rolle der Persoenlichkeit in der Geschichte": der revolutionaere
Marxist ("Trotzkist") Roman Rosdolsky hat dazu eine tiefgehende Studie
verfasst. Gaenzlich anders Karl Kautskys interessantes Buch ueber den
Ursprung des Christentums": bei ihm gibt es so etwas wie ein
"Christentum ohne Christus".
Natuerlich bedurfte es der allgemeinen krisenhaften wirtschaftlichen,
sozialen und politischen Verhaeltnisse, damit in Europa nach dem
Ersten Weltkrieg der Faschismus entstehen und sich ausbreiten konnte.
Aber gerade eine so autoritaere Erscheinung wie der Faschismus bedarf
spezifischer Gestalten, die die "Fuehrer"-Rolle einnehmen. Kershaw
geht historisch fundiert an die Verknuepfung von allgemeiner Historie
und Persoenlichkeitsgeschichte heran.
Waehrend im 1.Band der Biographie (1889-1936) der Aufstieg der
Nazi-Bewegung, deren Machtergreifung 1933 bzw.der Prozess der
Konsolidierung der Macht bis 1936 gezeigt wird und die zentrale Rolle,
die der charismatische Fuehrer dabei spielte, setzt der vorliegende
2.Band mit der bereits relativ konsolidierten Herrschaft der Nazis
ein.
Seine Verehrung nimmt zunehmend religioese Formen an. Er selbst sieht
sich immer mehr darin bestaerkt von der "Vorsehung" fuer die "Rettung
Deutschlands" auserkoren zu sein. Obwohl sein Denken, seine Politik
zunehmend wahnhafte Zuege annehmen, waere es gaenzlich verfehlt ihn
schlicht als "Verrueckten" abzustempeln.
Hitler hat im Gegenteil im Laufe seiner politischen Karriere "viel
dazugelernt", er beweist taktisches Geschick - insbesonders was die
anfaengliche Balance zwischen traditionellen Eliten und der
NS-Bewegung betrifft. Er erkennt die Nachgiebigkeit von Frankreich und
England und nuetzt sie brutal zu Einmaerschen in andere Laender (Band
2, S.31 ff).
Der Antisemitismus wird vorerst eher "gedaempft" gehandhabt. Erst
spaeter setzt eine zunehmende Radikalisierung bis hin zum Holocaust
ein( Band 2, S.183 ff).
Hitler ist kulturell nicht unbeleckt, verfuegt ueber rhetorisches
Talent. Mit Beharrlichkeit und Skrupellosigkeit konnte er sich seiner
innerparteilichen Widersacher entledigen, ein Buendnis mit der
traditionellen, nationalistischen Rechten eingehen und einmal an Macht
systematisch die Linke ausschalten und die Reste der buergerlich
parlamentarischen Demokratie beseitigen.
Hitler und den Nazis ging es vorrangig um Machteroberung bzw.
Machterhaltung - die Ideolgie wurde eher "pragmatisch" gehandhabt. Die
imperialistischen Konzepte lagen weitgehend vor (entwickelt u.a. von
der Reichwehr) die Nazis mit Hitler als ihrem Frontmann setzten sie
eisern um. Kershaw haelt den zunehmenden "Realitaetsverlust" Hitlers,
naemlich die Leugnung negativer Ereignisse insbesonders nach
Stalingrad und der folgenden "Retourentwicklung" des Deutschen
Reiches, fest.
Als Person war Hitler weitestgehend monoman, "ein narzistischer,
groessenwahnsinniger, selbsternannter nationaler Retter" (Band 2 S.
1081). Seine endlosen Monologe und Wutausbrueche waren beruechtigt. Zu
seiner Lebensgefaehrtin Eva Braun hatte er ein skurriles Verhaeltnis:
sie wurde vor der Oeffentlichkeit moeglichst versteckt, die makabre
"Heirat" erfolgte unmittelbar vor dem gemeinsamen Selbstmord im
Fuehrerbunker 1945.
Es war diese braune Bewegung und an ihrer Spitze ein bis zum Schluss
von sehr, sehr vielen nicht in Frage gestellter "Fuehrer" Adolf
Hitler, die Deutschland ins Verderben stiessen und der Welt das zweite
globale Abschlachten im 20.Jahrhundert bescherten. Gut zu wissen, wie
es dazu kam: Die gesellschaftlichen Gruende und auch genau die
persoenliche Disposition /Charakterstuktur desjenigen zu kennen, der
all diese Schrecken dirigierte. Nur auf der Basis eines solchen
umfassenden Wissens wird es gelingen den heutigen autoritaeren,
rechtspopulistischen, rechtsextremen und offen faschistischen Gefahren
wirksam zu begegnen. Ian Kershaws Buch liefert dazu einen exzellenten
Beitrag.
*Hermann Dworczak*
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