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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. April 2012; 17:26
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Demokratie/EU/Aufruf:
Nachfolgender Aufruf wurde am 14.Maerz 2012 unterzeichnet von 120 
WissenschaftlerInnen in der "taz" veroeffentlicht:
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> Demokratie statt Fiskalpakt
Krisenloesung und Europa gehen nur ganz anders
Fruehjahr 2012. Merkel und Sarkozy eilen von Gipfel zu Gipfel, um den 
Euro zu retten. Der Boulevard hetzt gegen die Menschen in 
Griechenland. Der Kampf um die Krisenloesung spitzt sich dramatisch 
zu: Bis Anfang 2013 will ein autoritaer-neoliberales Buendnis aus 
Kapitalverbaenden, Finanzindustrie, EU-Kommission, deutscher Regierung 
und weiteren Exportlaendern den juengst in Bruessel beschlossenen 
‚Fiskalpakt' im Schnellverfahren durch die Parlamente bringen. Der 
Fiskalpakt verordnet eine sozialfeindliche Sparpolitik und umfasst 
Strafen gegen Laender, die sich dieser Politik widersetzen. Der 
Fiskalpakt schraenkt damit demokratische Selbstbestimmung weiter ein. 
Er ist vorlaeufiger Hoehepunkt einer autoritaeren Entwicklung in 
Europa.
Wir sind diese unsoziale und anti-demokratische Politik ebenso leid 
wie die rassistischen Attacken auf die griechische Bevoelkerung. Reden 
wir stattdessen von den menschenverachtenden Folgen dieser Politik. 
Reden wir ueber die autoritaere Wende Europas und deutsche 
Niedrigloehne als Krisenursache. Reden wir vom unangetasteten 
Vermoegen der Wenigen und dem Leid der Vielen. Reden wir von unserer 
Bewunderung fuer den Widerstand und die Solidaritaet in der 
griechischen Bevoelkerung. Fordern wir das Selbstverstaendliche: Echte 
Demokratie und ein gutes Leben in Wuerde fuer alle - in Europa und 
anderswo.
Die Krise in Europa ist die Spitze eines Eisbergs. Darunter liegt eine 
tiefe Strukturkrise des Kapitalismus. Zu viel Kapital ist auf der 
Suche nach Profit. Doch die Profitraten sind niedrig: Die Konkurrenz 
ist zu gross und die Loehne zu gering. Schuldenfinanziertes Wachstum 
und Spekulationsblasen konnten den Ausbruch der grossen Krise nur 
verzoegern. Nun propagiert das autoritaer-neoliberale Buendnis das 
radikalisierte Weiter-so: Spekulationsverluste sozialisieren - durch 
dauerhaften Schuldendienst der Lohnabhaengigen. Die Profitrate soll 
gesteigert werden - durch prekaere Arbeitsverhaeltnisse, Lohn- und 
Rentenkuerzungen, Sozialabbau und Privatisierung. Die Folgen sind 
drastisch und was in Griechenland passiert, droht ganz Europa: 
Massenarbeitslosigkeit, Verarmung breiter Bevoelkerungsschichten, 
zerfallende Gesundheitssysteme, die Zunahme psychischer Erkrankungen 
und eine sinkende Lebenserwartung.
Derartige Massnahmen koennen nur autoritaer durchgesetzt werden. Der 
Putsch Pinochets in Chile 1973, die IWF-Programme in afrikanischen 
Staaten der 1980er Jahre und die Transformation im Osteuropa der 
fruehen 1990er Jahre sind historische Vorlaeufer fuer Fiskalpakt & Co: 
Es sind Schockstrategien. Mit vielen Opfern erkaempfte, soziale und 
demokratische Prinzipien werden durch den Fiskalpakt in 
atemberaubendem Tempo abgeschafft, um den Schuldendienst zu sichern 
und die Profitraten zu steigern. In Italien und Griechenland setzen 
nicht-gewaehlte Technokraten-Regierungen mit Knueppeln, Traenengas und 
Wasserwerfern jene Spardiktate durch, die in Bruessel, Frankfurt und 
Berlin von maennerdominierten ‚Experten'-Gruppen beschlossen werden. 
Der Fiskalpakt und das Gesetzespaket zur 'Economic Governance' 
verleihen Organen wie EU-Kommission, Europaeischem Gerichtshof und 
Europaeischer Zentralbank, die jenseits demokratischer Kontrolle 
agieren, mehr und mehr Macht. Es ist perfide: Um demokratische 
Entscheidungen gegen die neoliberale Orthodoxie zu verhindern, 
verstaerkt der Fiskalpakt das Diktat der Finanzmaerkte durch 
Strafzahlungen an die EU.
Wie in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre gewinnen 
chauvinistische und faschistische Kraefte an Einfluss, in Ungarn, 
Oesterreich, Finnland und anderswo. Geschichtsvergessen macht die 
deutsche Regierung mit ihrer kompromisslosen Austeritaetspolitik 
reaktionaere Krisenloesungen immer wahrscheinlicher.
Weltweit toben Kaempfe gegen diese Politiken, vom Syntagma-Platz in 
Athen ueber den Tahrir-Platz in Kairo und den Zuccotti-Park in New 
York bis zur Puerta del Sol in Madrid. Die Bewegungen von 
Fluechtlingen und Wanderarbeiter_innen, mit denen diese die 
Aussengrenzen Europas ueberqueren, sind Teil dieser Kaempfe um ein 
gutes Leben. Diese Kaempfe muessen grenzueberschreitend und in den 
‚Zentren' des autoritaer-neoliberalen Buendnisses gefuehrt werden, in 
Paris, Bruessel, Frankfurt und Berlin. (...)
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Die Unterzeichneten rufen daher auch zur Beteiligung an den kommenden 
Protesten auf, darunter dem Global Day of Action am 12. Mai und den 
Tagen des Protestes gegen das Krisenregime der Europaeischen Union 
aufzurufen vom 17.-19. Mai. Obiger Aufruf liegt in vier Sprachen zur 
weiteren Unterzeichnung auf unter 
http://www.demokratie-statt-fiskalpakt.org
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