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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 6. Maerz 2012; 21:51
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Kapitalismus:

> Was Privatisierungen kosten

Eine Studie der AK fragt nach der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit
von Entstaatlichung

Die OeVP will privatisieren. Bund und Laender sollen sich bis auf die
Sperrminoritaet (25 % + 1 Stimme) von ihrem (Rest-)Eigentum
verabschieden. Die "Erfolgsstory Privatisierung" in Oesterreich soll
fortgeschrieben werden, so der OeVP-Generalsekretaer Rauch,
Privatisierungserloese "zweckgewidmet in Zukunftsprojekte" fliessen.
Ein nicht unerklecklicher Teil aber wohl auch in den
Staatsschuldenabbau. Jedenfalls: 24 Milliarden Euro an
Privatisierungserloesen erhoffen sich die Konservativen - angelehnt an
entsprechende Schaetzungen von WIFO-Aiginger und des IV-Oekonomen
Helmenstein.

Georg Feigl und Michael Heiling gehen in einer - zugegeben nicht
leicht lesbaren - neuen Studie der AK Wien (Titel: "Was kosten
Privatisierungen? Eine Analyse der Auswirkungen erfolgter und
allfaelliger zukuenftiger Privatisierungsschritte auf oeffentliche
Haushalte") unter anderem diesen Fragestellungen nach. Das Ergebnis
ist eindeutig: von einer "Erfolgsstory" kann empirisch wie
perspektivisch keine Rede sein. Ob ein Privatisierungsvorhaben ein
"Erfolg" wird, ist hoechst unsicher und haengt neben dem Zeithorizont
der Betrachtung letztlich davon ab,

* wie die kuenftige Profitabilitaet eines Unternehmens eingeschaetzt
wird

* mehr Rentabilitaet aus der "alternativen" Kapitalnutzung (z.B. die
Zinsersparnis aus Schuldenabbau) erwartete wird

* und natuerlich: wie hoch der moegliche Privatisierungserloes
eingeschaetzt wird.

Finanziell lohnt eine Privatisierung ausserdem nur dann, wenn die
"alternative" Verwendungsform "rentabler" ist. Je niedriger die
Verzinsung fuer oeffentliche Schulden ist, desto unwahrscheinlicher
ist der finanzielle Erfolg von Privatisierungen. Bei einer
Verzinsung - wie etwa in Japan - von 1 % waere praktisch jedes
Privatisierungsvorhaben ein finanzieller Verlust, bei einen Zinssatz
jenseits der 20 % dagegen vermutlich so gut wie jedes
Privatisierungsvorhaben lukrativ - aus finanzieller Sicht wohlgemerkt,
sehr wohl koennten grundsaetzliche Ueberlegungen gegen ein derartiges
Privatisierungsvorhaben sprechen.

Untersucht haben Feigl/Heiling - hinsichtlich des finanziellen
Erfolgs - die letzten (Teil)-Privatisierungen der OeIAG-Unternehmen
OMV AG, Telekom Austria AG und Oesterreichische Post AG. Angenommen
wurde dabei, dass 100 % der Einnahmen aus Privatsierungen in der
Vergangenheit in den Staatsschuldenabbau geflossen sind, entsprechend
das Ausgabevolumen der Staatsanleihen gesenkt wurde - der Staat hat
sich also um den Privatisierungserloes weniger verschuldet. Die so
geschaetzte Zinsersparnis wird dem Wertverlust aus entgangenen
reinvestierten und ausgeschuetteten Gewinnen gegenuebergestellt. Die
Ergebnisse im Einzelnen:

* OMV AG: Seit im Zuge der letzten Teilprivatisierung 1996 14,9%
Staatsanteil verkauft wurden, sind der Republik Oesterreich
Ueberschuesse im Umfang von (kumuliert) 1.667,4 Mio. Euro entgangen
(davon 393,6 Mio. Euro weniger ausgeschuettete Dividende). Im
Vergleich dazu belief sich die Zinsersparnis in Folge dieser
Privatisierung auf kumuliert gerade einmal 250,6 Mio. Euro! In Summe
belief sich damit der Verlust fuer die Republik auf 1,416 Mrd. Euro
(zu Preisen 2011: 1,537 Mrd. Euro)! Die Autoren: "Da die Kurs- und
Gewinnentwicklung der OMV stark vom Oelpreis beeinflusst wird
(insbesondere seit 2005 ist ein massives Gewinnwachstum zu
verzeichnen, Anm.) der in den naechsten Jahren eher weiter steigen als
sinken wird, ist von einem weiteren Anstieg des Verlustes in den
naechsten Jahren auszugehen."

* Telekom Austria AG: im Jahr 2006 wurden - in der bislang letzten
Teilprivatisierungstranche - der Telekom 4,9% des Staatsanteils
verkauft. Mit einem entgangenen Gewinn von 63,5 Mio. Euro bei einer
gleichzeitigen Zinsersparnis von 64,6 Mio. Euro halten sich
Gewinnverlust und Zinsersparnis ziemlich die Waage. Was bei der
Telekom auffaellt: Die Dividendenausschuettungen lagen teilweise ueber
den erwirtschafteten Jahresgewinnen - sprich die Unternehmenssubstanz
wurde zu Lasten zukuenftiger Gewinne verringert.

* Die Oesterreichische Post AG wurde 2006 zu 49% privatisiert.
Interessantes Ergebnis: das Konzernergebnis blieb relativ konstant,
allerdings ging die Eigenkapitalquote von 49% vor der Privatisierung
auf 40% zurueck, aehnlich entwickelte sich der Cash-Flow. Die Autoren:
"Wenn die Effizienz gestiegen ist, dann war das im Zeitraum vor der
Teilprivatisierung der Fall." Fuer den Staatshaushalt brachte die
Teilprivatisierung jedenfalls einen ordentlichen Verlust - naemlich
von insgesamt 233 Mio. Euro (zu Preisen 2011: 245,9 Mio. Euro).
Insgesamt entging dem Staat ein Ueberschuss von Euro 365,3 Mio. Euro
bei einer Zinsersparnis von Euro 123,1 Mio.

Summa summarum belaeuft sich der Verlust aus den oben genannten drei
Privatisierungsmassnahmen auf insgesamt 1.783,5 Mio Euro - also
beinahe 1,8 Mrd. Euro. Die Autoren: "Dies unterstreicht den
langfristig negativen Ertragsaspekt von Privatisierungen: Waehrend der
Privatisierungserloes eine einmalige Umwandlung von
Staatsanlagevermoegen in liquide Mittel darstellt, werden die
jaehrlichen negativen Auswirkungen auf Dauer fortgeschrieben und
wirken sich auch in Jahren und Jahrzehnten noch auf die Staatsfinanzen
aus."

Auswirkungen allfaelliger weiterer Privatisierungen

Neben boersennotierten Unternehmen mit oeffentlichem Eigentum (OMV AG,
Post AG, Telekom AGE, EVN AG, Verbund AG, Flughafen Wien AG) stehen
auch Landesunternehmen - hier vor allem die Energieversorger - zur
Disposition. Welche finanziellen Auswirkungen auf die oeffentlichen
Haushalte sind zu erwarten?

Die potentiellen (Teil-)Privatisierungserloese aus den
boersennotierten, teilstaatlichen Unternehmen wuerden sich auf knapp
ueber 3,5 Mrd. Euro belaufen. Eine entsprechende Privatisierung
braechte zwar eine Zinsersparnis von Euro 128,4 Mio. Euro - allerdings
gleichzeitig einen Gewinnentgang von geschaetzten 412,5 Mio. Euro. Ein
geschaetzter Verlust von 284,1 Mio. Euro/Jahr. Wuerde bei diesen
Berechnungen ein sich fortsetzendes Gewinnwachstum der
Energieversorger unterstellt, waere der Verlust in den Folgejahren
entsprechend hoeher. Saemtliche realistischen Szenarien lassen
jedenfalls Verluste fuer die oeffentliche Hand erwarten.

Das Privatisierungspotential (auch hier bliebe eine "Sperrminoritaet"
im Eigentum der Laender) der Landesenergieunternehmen schaetzen
Feigl/Heiling auf 7,96 Mrd. Euro. Die zu erwartenden Gewinnentgaenge
fuer die Laender beliefen sich dabei auf insgesamt Euro 313,8 Mio.
Euro jaehrlich. Bei einer Zinsersparnis von 148 Mio. Euro ergibt das
einen kraeftigen Jahresverlust von geschaetzten 165,8 Mio. Euro (davon
alleine die Steiermark 47,4 Mio. Euro, Wien immer noch 23,5 Mio.
Euro). Ein Verlustgeschaeft.

Aehnlich wuerde es sich bei Privatisierungen der Muenze Oesterreich
(geschaetzter Verlust/Jahr: 28,5 Mio. Euro) und der Bundesforste
(geschaetztes jaehrliches Minus: 6,8 Mio. Euro) verhalten. Lediglich
eine Privatisierung der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) braechte
ein jaehrliches Plus von Euro 12,8 Mio. Allerdings waeren steigende
Mietpreise und damit wachsende Mietkosten des Bundes zu erwarten. Ob
das Sinn der Sache ist?

In Summe beliefen sich die geschaetzten jaehrlichen Verluste aus den
in diesem Kapitel beschriebenen (Teil-)Privatisierungen auf rund 472,4
Mio. Euro. Bei einer Zinsersparnis von 367,2 Mio. Euro gingen
gleichzeitig Gewinne fuer Bund und Laender im Ausmass von
prognostizierten 839,5 Mio. Euro verloren.

Die Schlussfolgerungen der AK-Experten: "Hinsichtlich der geschaetzten
Auswirkungen zukuenftiger Privatisierungen auf die oeffentlichen
Haushalte kommen wir zu dem Ergebnis, dass bei einer Rueckfuehrung des
oeffentlichen Anteils auf eine Sperrminoritaet von 25% plus eher mit
einer Belastung als mit einem Konsolidierungsbeitrag fuer die
oeffentlichen Haushalte zu rechnen ist. Zwar koennte mit den
einmaligen Privatisierungserloesen der Bruttoschuldenstand um einige
Prozentpunkte des BIP gesenkt werden; allerdings ginge damit ein
Verlust an Ertrag bringenden Vermoegen Hand in Hand, der nach Abzug
der moeglichen Zinsersparnis zu einer jaehrlichen Belastung der
oeffentlichen Finanzen im Ausmass von 0,15% (bzw. in einem
guenstigeren Szenario von 0,1%) des BIP pro Jahr fuehren wuerde."
Und: "Abschliessend ist festzuhalten, dass gerade in der aktuellen
Situation, in der sich internationale private-equity-Fonds bereits
Traumrenditen durch vermeintlich unabwendbare Privatisierungen
ausrechnen (Economist 2011: 73), im Sinne des Gemeinwohls hoechste
Vorsicht vor vorschnellen Privatisierungen geboten ist. Denn am Ende
des Tages koennten diese der oeffentlichen Hand teuer zu stehen
kommen."
(Markus Koza / stark gek)

Volltext:
http://diealternative.org/verteilungsgerechtigkeit/2012/03/ak-studie-was-privatisierungen-kosten-%e2%80%a6/

Link zur Studie: Was kosten Privatisierungen? Georg Feigl/Michael
Heiling, Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft, AK Wien:
http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d167/Wug1143.pdf



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