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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Februar 2012; 03:23
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WKR-Ball/Debatte:

> Die Burschis und der Rechtsstaat

Nun ist es also quasi vollbracht. Am 27. Jaenner 2012 wurde dem
Vernehmen nach um 22 Uhr - mit verdienter Verspaetung - der
hoffentlich letzte WKR-Ball in der Hofburg eroeffnet.

Und aus! Am 1. Dezember 2011 hatte die Geschaeftsfuehrerin der
"Hofburg Vienna" verkuendet, dass der Ball ob "der aktuellen
politischen und medialen Dimension, welche die Abhaltung des
WKR-Balles in den letzten Jahren angenommen hat" ab 2013 nicht mehr in
der Hofburg stattfinden wuerde.

Als Grund dafuer darf man ruhig die seit 2008 jaehrlich wachsenden
Proteste - vielleicht aber auch die diffamierenden Presse-Ausendungen
der FPOe (Stichwort "mediale Dimension") - annehmen. Seit 2008
beteiligten sich jedes Jahr mehr Leute an den Demonstrationen, und
liessen sich 2010 und 2011 auch nicht durch Untersagung der
Kundgebungen einschuechtern.

Spaetestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man sich fragen
sollte, was denn eigentlich das Ziel des Protestes gegen den WKR-Ball
ist. Ist mit der bevorstehenden Verlegung in weniger oeffentliche
Raeumlichkeiten ein Erfolg zu verbuchen, oder passt so ein
rueckstaendiger Ball nicht eh ganz gut zum Rest der oesterreichischen
Nation? Moechte man den Tag des WKR-Balls hernehmen, um sich an dieser
Nation abzuarbeiten - wird er dadurch nicht sogar zu einem notwendigen
Jour fixe des Antifaschismus?

Erfolg

Ich denke schon, dass man die Absage der Hofburg als Veranstaltungsort
als Erfolg bezeichnen kann. Auch wenn wir den NationalistInnen,
AntisemitInnen, FaschistInnen und Sexisten dieser Welt ihr
reaktionaeres Gedankengut nicht aus dem Kopf schlagen koennen, wir
koennen sie weder wegzappen noch einfach umpolen. Aber wir koennen
ihnen a) den Spass etwas trueben und wir koennen b) zeigen, dass sie
bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevoelkerung (naemlich
zumindest bei dem Teil, der Entscheidungen ueber die Hofburg faellt
bzw. beeinflusst) nicht ganz so beliebt sind. Wie man in den letzten
vier Jahren gesehen hat, findet der Protest sein Echo und kann
Ausmasse annehmen, die 2008 noch undenkbar waren.

Persoenlich kann und will ich den Burschenschaftern und ihren Gaesten
das Feiern nicht verbieten, wie jeder andere Mensch haben sie ein
Recht dazu. Aber meinen Unmut darueber, dass sie dies an oeffentlichen
oder repraesentativen Orten tun, den muss man aeussern duerfen.
Treffender noch: Der WIRD geaeussert werden.

Die Gedanken sind frei

Und alles wettern hilft nicht. Wir moegen zwar in einem Staat leben,
der ein Monopol auf das Ausueben von Gewalt hat - und zum Schutze der
Burschenschafter ist mir das ganz recht; daraus alleine erwaechst aber
kein moralisches Bekenntnis der Staatsbuerger_Innen zum Rechtsstaat
und fuer das Gewaltmonopol - auch wenn das seit jeher so konstatiert
wurde. Die Gedanken sind frei, singen die Burschen und ihre Maedels so
gerne. Noch viel wichtiger ist, dass die darauf folgenden Taten
genauso frei sind - auch wenn ihnen des Staates Gummiknueppel als
Antwort droht.

Zum Rechtsstaat: Jawohl, es ist auch in meinem Interesse, dass es fuer
einen anderen Menschen - auf Grund der Gesetzeslage - unvorteilhaft
sein koennte, mir am hellichten Tag den Schaedel einzuschlagen. Aber
der daraus entstehende Schutz kann niemals ein hundertprozentiger
sein. Damit muss ich mich abfinden. Die natuerliche Freiheit der
Menschen, wie sie von Staatstheoretikern wie Hobbes und Co.
beschrieben wurde, wird ja durch den Rechtsstaat nicht aufgehoben, sie
soll nur in ueberschaubare Bahnen gelenkt werden.

LynchMob vs. deutsche Chauvis

Was die demonstrierenden Massen betrifft, die ausziehen, um die
Veranstaltungsfreiheit und Bewegungsfreiheit von Burschenschaftern
einzuschraenken: Sie haben von niemandem das Recht dazu bekommen. Aber
wieso sollten sie das brauchen? Und selbst Strache wuerde es nicht
schaffen, diesem "Mob" Einhalt zu gebieten. Nicht mit 1500 Polizisten
und nicht mit 15.000 Soldaten. Nicht weil er ach so "STARK" ist,
sondern weil es ganz offensichtlich genuegend Leute gibt, denen es auf
den Senkel geht, dass Menschen sich so artikulieren wie Graf, Moelzer,
Rosenkranz oder noch aerger.

Der Rechtsstaat, der den Burschenschaftern ihre - so wie uns unsere -
Freiheiten garantiert, steht auf nicht ganz festem Boden. Denn egal
wie maechtig der Rechtsstaat ausgeruestet sein mag, der selbe Grund,
aus dem er als notwendig erachtet wird, schraenkt ihn in seiner
Funktion ein: die Menschen, die er kontrolliert, sind freien Willens -
sie sind frei, zu tun und zu lassen, was immer sie wollen.

Schon klar, dass nach mehreren Jahrhunderten die Unterwerfung unter
staatlichen Zwang als Norm ideologische bzw. moralische Ausmasse
annimmt; dass "boese" ist, wer sich dieser Unterwerfung widersetzt.
Aber die letzten hundert Jahre sollten uns eigentlich gelehrt haben,
dass diese Unterwerfung und die laute Forderung danach, grosses Unheil
nach sich ziehen.

Genau diese Forderung nach Unterwerfung unter die Rechtsnorm, die
Kulturnorm, die Sprachnorm usw. ist es, die von Seiten der Menschen,
die gemeint hatten, sie koennten am 27. Jaenner in Ruhe feiern,
staendig aufs Strengste ausgesprochen und ueberstrapaziert wird. Diese
Forderungen sollten nicht unwidersprochen bleiben.
-postcore-



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