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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Februar 2012; 03:25
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WKR-Ball/Occupy/Debatte:
> Was ist heute noch eine Linke?
Occupy, der WKR-Protest und was bei beiden falschlaeuft
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Der WKR-Ball ist vorbei, wir sind in der Kaelte gestanden und haben 
demonstriert gegen ein paar, druecken wir es mal rechtskonform aus: 
Ewiggestrige, die einen Ball in lustigen Kostuemen gefeiert haben.
Das ist das Eine, das Zweite ist die Debatte um Occupy und den rechten 
Rand. Es ist tatsaechlich ein Problem, wenn Leute, die prinzipiell 
linke Ideale zu verfolgen suchen, in einer vollkommenen unpolitischen 
Bewusstlosigkeit rechtes Gedankengut als akzeptabel ansehen. Dazu ist 
Vieles zu sagen. Wenn die Menschen, die sich als Occupy ansehen, 
sagen, sie wollen alle Meinungen zulassen, dann waere das vielleicht 
akzeptabel, wenn sie einen Debattierklub gruenden oder eine Kommune, 
in der sie ihre eigenen Dinge organisieren, und dort niemand den Mund 
verbieten wollen. Das waere in Ordnung. Da koennten sie durchaus auch 
irgendwelche Nazisprueche zulassen -- das ist dann halt in der Debatte 
und sie muessten auch sehr harte Auseinandersetzungen hinnehmen, aber 
das ist dann ganz allein ihr Bier. Ich faende solche Brauntoene zwar 
nicht sehr lustig, aber im Sinne der Meinungsfreiheit koennte ich das 
akzeptieren.
Sie wollen aber weder eine Kommune gruenden noch einen Debattierklub, 
sie wollen eine Bewegung sein. Und da liegt das Problem. Denn eine 
Bewegung muss eine bestimmte Richtung haben. Da kann man jetzt ueber 
Detailfragen verschiedener Meinung sein. Aber generell kann man in 
einer Bewegung nicht JEDER Meinung sein, weil ansonsten die Bewegung 
GAR KEINE Meinung und damit auch keine Forderungen hat. Es koennen 
sich da nicht Linke, Nazis, Monarchisten, Klerikalfaschisten, radikale 
Marktfetischisten und abgespacete Esofreaks vereinen, weil dann 
keinerlei Gemeinsamkeit mehr vorhanden ist. Eine Bewegung kann 
vielleicht einen kleinen Teil der Interessen der Klasse jener 99% 
vertreten, die nicht zur Minderheit der Upper Class gehoeren; das 
wollte die spanische "Demokratie jetzt!"-Bewegung, naemlich eine 
Demokratisierung fordern. Aber dann muss man sich auf genau das 
konzentrieren und muss im Auftreten die Verkuendung aller anderen 
Inhalte hintanhalten. Oder man macht eine Bewegung, die den 
Kapitalismus kritisiert, also eine im weitesten Sinne linke Bewegung. 
Dann muss man aber auch das klar darstellen, auf die angestrebten 99% 
verzichten und rechtes Gedankengut von Monarchisten ueber 
Marktfetischisten bis hin zu Nazis ausschliessen. Tut man das nicht, 
schliesst man die Linke aus --und genau das passiert derzeit bei 
Occupy(1).
Momentan ist Occupy eine Bewegung, die nicht eine einzige gemeinsame 
Position hat, ausser vielleicht: "Mir san aungfressen!" Aber das ist 
keine politische Stossrichtung. Derlei ist nicht neu, sondern taucht 
immer wieder mal als Randerscheinung auf. Ich erinnere mich an die 
Kandidatur des rechten Obskuranten Karl Steinhauser, der in den 80ern 
eine Liste "Mir reichts!" aufgestellt hatte, was einfach eine 
Einladung war, bei der Nationalratswahl eine Unmutsaeusserung 
abzugeben. Aber eine politische Aussage ist das natuerlich keine und 
haette lediglich dazu dienen sollen, Herrn Steinhauser (der schwer mit 
dem Grosskapital verbandelt und der Meinung war, die SPOe fuehre 
Oesterreich in die damals noch existente Sowjetunion) ins Parlament zu 
bringen.
Antifa -- das andere Extrem
Jetzt komme ich auf den WKR-Ball zurueck. Denn was wir brauchen, ist 
eine wirkliche linke Bewegung -- also eine Linke, die diesen Namen 
auch verdient. Der antifaschistischen Linken -- und eine Linke kann 
nur antifaschistisch sein, sonst ist es keine Linke -- muss klar sein, 
dass Antifaschismus auch Antikapitalismus heissen muss. Waehrend 
Occupy in einer sehr vagen und seltsamen Art den Kapitalismus zu 
kritisieren scheint und eben keine Probleme mit antisemitischen 
Geschichtsrevisionisten hat, werde ich umgekehrt bei Veranstaltungen 
wie der Kundgebung gegen den WKR-Ball an den von Max Horkheimer 1939 
formulierten Satz "Wer vom Kapitalismus nicht reden will, der schweige 
vom Faschismus" erinnert. Dieses Zitat zu verwenden mag jetzt 
vielleicht ein wenig fies sein, aber es ist doch so: Diese Linke 
arbeitet sich an ein paar seltsamen Figuren ab, vergisst aber voellig, 
welche Funktion faschistische Organisationen im Kapitalismus haben, 
naemlich den der Ablenkung und Kanalisierung von Protest. Faschismus 
ist der letzte Notnagel, der Sicherheitsgurt des Kapitalismus, aber 
sicher nicht dessen Ursache. Das zu betonen ist aber auch deswegen 
wichtig, um sich klar von einem naiven oder verlogenen buergerlichen 
Antifaschismus abzugrenzen.
Es ist ein Warnsignal, dass die Kulturschande Opernball, wo sich das 
Grosskapital und die Regierung ein Stelldichein geben (und die auch 
noch im Fernsehen uebertragen wird, wo diese Leute sich hofieren 
lassen duerfen), kein Protestziel mehr ist und stattdessen die 
rechtsradikale Opposition als zentrales Problem angesehen wird. 
Mobilisierung auf der Strasse passiert heutzutage fast nur mehr gegen 
irgendwelche Veranstaltungen der rassistisch-nationalistischen 
extremen Rechten. Das geht soweit, dass sogar die OeVP nicht mehr als 
"rechts" bezeichnet wird, weil dieses Attribut bereits fuer FPOe und 
Konsorten reserviert wurde. Wenn man sich anschaut, wie ungestoert 
Otto Habsburg unter Demonstrationen klerikalfaschistischer Nostalgiker 
zu Grabe getragen wurde, so als haette es nie eine Monarchie, die uns 
einen Weltkrieg bescherte, und auch keine Dollfuss-Diktatur gegeben, 
dann frage ich mich, ob die Linke in diesem Land nicht etwas vergessen 
hat. Der SLP, die die Ehre der Linken diesbezueglich durch eine 
Kundgebung zu retten versuchte, ist es zu verdanken, dass es ein wenig 
Widerspruch gab. Die Relation zum Protest bei Veranstaltungen von 
FPOe-Kreisen ist augenfaellig. Aber wer ist maechtiger in diesem Land? 
Die FPOe und ihre Couleur-Burschis oder die OeVP mit ihren 
Verbuendeten?
Antikapitalismus und Antifaschismus muessen in Hand in Hand gehen, ja 
sie muessen sogar eins sein. Nur weil jemand kein Antisemit ist, 
heisst das noch lange nicht, dass er kein Faschist oder nicht rechts 
ist. Wir haben verschiedene Formen des Faschismus erlebt und wir 
erleben derzeit immer autoritaerer werdende Staaten, die vor allem in 
der EU stark von den sogenannt konservativen Parteien bestimmt 
sind --von denen manche zum Teil sogar eine faschistische Herkunft 
haben; neben der OeVP ist da zum Beispiel die spanische nunmehrige 
Regierungspartei PP zu nennen.
Ein autoritaerer Staat der Zukunft wird anders aussehen als das 
Naziregime, er wird nicht mit Hakenkreuzen daherkommen -- aber er wird 
vielleicht aehnlich bestialisch sein.
Daher ist ein Antifaschismus, der sich in seinem Protest auf den 
Widerstand gegen Leute des alten Habitus reduziert, eindeutig zuwenig. 
Liegt diese Reduktion daran, dass Antikapitalismus nicht so "sexy" ist 
wie ein solcher Banal-Antifaschismus, mit dem man mittels viel 
Geschrei Massen auf die Strasse bringen kann?; oder daran, dass man 
mehr Buendnispartner bis hinein ins Grossbuergertum und in anderen 
politischen Parteien findet, wenn man nur ueber die FPOe herzieht?
Der Masse geschuldet?
Occupy ist nicht in seiner Gesamtheit rechts, das zu sagen waere 
Bloedsinn. Genausowenig hat die antifaschistische Linke den 
Kapitalismus voellig vergessen. Doch beiden muss klar sein, dass, wenn 
wir nicht einfach eine "andere", sondern eine bessere Welt wollen, es 
eine deutlich vernehmbare Bewegung braucht, in der Antikapitalismus 
und Antifaschismus auch wirklich in eins gehen. Derzeit versuchen --  
nicht nur, aber vor allem in Oesterreich -- beide Bewegungen 
moeglichst viele Menschen an sich zu ziehen und verwaessern dabei die 
Inhalte. Damit verpufft aber alles Bemuehen.
Wir brauchen eine Linke, die klar gegen den Kapitalismus sich 
positioniert und in der Antifaschismus nicht die zentrale 
Stossrichtung darstellt, jedoch einen nicht zu diskutierenden 
Grundkonsens und eine Basis bildet, wo die Eisenbahn drueberfaehrt --  
mit anderen Worten: Eine richtige Linke eben!
Wenn wir nicht in der Lage sind, eine solche Bewegung zu bilden, 
werden wir am Schluss feststellen muessen, dass wir sowohl gegenueber 
dem Kapitalismus als auch dem Faschismus voellig hilflos dastehen.
*Bernhard Redl*
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Fussnote
(1) Dieser Ausschluss wurde auf Facebook aber auch schon manifest: Bei 
zumindest zwei dortigen Occupy-Seiten wurden Ende Jaenner einer Reihe 
von Usern ihre Administrationsrechte von einem Mit-Admin entzogen. 
Seither kann dort nur mehr jeweils ein einziger Admin im Namen von 
Occupy posten und auch nach Gutduenken Beitraege loeschen. (siehe 
resp. hoere unter anderem das Interview mit Betroffenen auf Radio FRO 
Linz: http://cba.fro.at/54703)
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