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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Februar 2012; 03:31
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EU/Biodiversitaet:
> Saatgut-Vermarktungsverbote vor dem Aus?
Grundsatzurteil des Europaeischen Gerichtshofes zum Saatgutrecht steht 
bevor
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Die Generalanwaeltin beim Europaeischen Gerichtshof (EuGH) Juliane 
Kokott hat gefordert, das Vermarktungsverbot aufzuheben, das 
gegenwaertig fuer Saatgut von Pflanzensorten gilt, die nicht in 
offizielle Sortenkataloge eingetragen sind. Dies ist das wesentliche 
Ergebnis ihres Schlussantrages im Fall "Association Kokopelli gegen 
Graines Baumaux". Darin heisst es woertlich: "Das ... Verbot, Saatgut 
von Sorten zu verkaufen, die nicht nachweislich unterscheidbar, 
bestaendig und hinreichend homogen sind ... ist wegen Verletzung des 
Grundsatzes der Verhaeltnismaessigkeit, (...) ungueltig."
Der Ausloeser der Debatte: Die Nichtregierungsorganisation Association 
Kokopelli verkauft Saatgut fuer sogenannte "alte Sorten", die 
teilweise nicht nach EU-Richtlinie zugelassen sind. Diese 
Zulassungsbestimmungen wurden von der EU immer als 
Qualitaetssicherungsmassnahme verteidigt, hatten aber praktisch den 
Effekt, dass Agrarmultis laestige Konkurrenz vom Hals geschaffen 
wurde. Dementsprechend nutzten diese die Rechtsnormen: Graines Baumaux 
SAS, ein Unternehmen des Saatguthandels, identifizierte im Angebot von 
Kokopelli 461 nicht zugelassene Sorten und erhob daher 2005 Klage 
wegen unlauteren Wettbewerbs. Kokopelli wurde daraufhin in erster 
Instanz zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro und Unterlassung 
verurteilt worden war.
Gegen Kokopelli hatten auch der Rat und die Kommission der EU sowie 
die Regierungen Frankreichs und Spaniens Partei ergriffen. Sowohl 
franzoesisches als auch das erst 2008 diesbezueglich konkretisierte 
EU-Recht gaben den Klaegern Recht. Das Appelationsgericht wandte sich 
dennoch um eine prinzipielle Beurteilung an den EuGH zur Abklaerung 
grundrechtlicher Fragen.
In ihrem nunmehrigen Schlussantrag bezieht sich Generalanwaeltin 
Kokott positiv auf die Erhaltung der Agrobiodiversitaet, benennt die 
Gefahr der Zerstoerung dieser Vielfalt durch die Dominanz des 
industriellen Saatgutes und wuerdigt den Internationalen Vertrag ueber 
pflanzengenetische Ressourcen (ITPGR-FA) als Rechtsquelle. Kokott 
meint, dass das gegenwaertig noch bestehende Vermarktungsverbot fuer 
baeuerliches Saatgut eine voellig ueberzogene Massnahme sei, die 
keinen Bestand haben koenne. Folgt das Gericht diesem Antrag, muessten 
die entsprechenden Passagen in den verschiedenen EU-Richtlinien zum 
Saatgutrecht aufgehoben werden und die Mitgliedstaaten der EU waeren 
aufgefordert, dem in ihren nationalen Gesetzen zu folgen.
Info:
Saatgutkampagne "Zukunft Saeen - Vielfalt ernten", 
http://www.saatgutkampagne.org
oder OeBV (Oesterreichische Berg- und Kleinbaeuer_innen-Vereinigung) / 
Via Campesina Austria Heike Schiebeck, Tel.: ++43 (0)4238-8705, 
heike.schiebeck{AT}gmx.at
Mehr dazu:
Zu den Hintergruenden siehe auch akin 29/2010: 
http://akin.mediaweb.at/2010/29/29saat.htm
Ansuchen des Appellationsgerichts:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=118143&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=66802
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