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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 8. Februar 2012; 03:19
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Arbeit:

> Winter der Unzufriedenheit

Der Widerstand der Gewerkschaften gegen die Krise

In den letzten Wochen scheiterten in einer Branche nach der anderen
die Kollektivvertragsverhandlungen. Besonders betroffen sind die
Beschaeftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich, die direkt die
Einsparungen der oeffentlichen Hand zu spueren bekommen. So stocken
derzeit die Verhandlungen beim BAGS-KV, bei der Caritas und bei den
Ordensspitaelern. In diesen Bereichen werden die Spielraeume immer
geringer, und die Arbeitgeber sind nicht bereit, Lohnerhoehungen ueber
der Inflationsrate zuzustimmen.

In Oberoesterreich und der Steiermark sahen wir, wie die dortigen
Landesregierungen noch einen Schritt weiter gingen. Fuer die
Gemeindebediensteten (Spitaeler, Muellabfuhr, oeffentlicher
Nahverkehr, Kindergaerten usw.) wurde in Oberoesterreich eine
Mindervalorisierung beschlossen, d.h. eine Lohnkuerzung von 1%
gemessen am Ergebnis, das auf Bundesebene fuer die oeffentlich
Bediensteten ausverhandelt wurde. In der Steiermark wurde sogar eine
Nulllohnrunde beschlossen. Noch einen Schritt weiter scheint die
Bundesregierung gehen zu wollen, indem sie den oeffentlich
Bediensteten per Gesetz eine ein bis drei prozentige Lohnkuerzung
aufzwingen will.

Unter dem Eindruck der Krise sind auch die Arbeitgeber im grafischen
Gewerbe (Druckindustrie) einmal mehr in die Offensive gegangen und
haben erneut den KV vorzeitig aufgekuendigt. Schon vor zwei Jahren
traten sie sehr aggressiv auf und landeten fuer die Unternehmerseite
einen ersten wichtigen Erfolg, in dem sie den KV entlang der
Zeitungs-, Rollen- und Bogendrucker aufsprengten. Damals wurde ein
Streik von der Gewerkschaftsspitze abgedreht. Jetzt wurden abermals
gewerkschaftliche Kampfmassnahmen (einschliesslich Warnstreiks)
beschlossen und Ende Jaenner in einigen ausgewaehlten Betrieben
umgesetzt. Dabei zeigte sich die Gewerkschaft auch diesmal bereit eine
"Lohndaempfung" von 4% (!) zu akzeptieren. Die Arbeitgeber wollen aber
mehr. Ihre Forderungen (Arbeitszeitverlaengerung/-flexibilisierung
usw.) wuerde eine Lohnkuerzung von 10% bedeuten!

In anderen Branchen (wie im Hotel- und Gastgewerbe) ist ebenfalls mit
einer konfliktreichen KV-Runde zu rechnen.

Weitere wichtige Arbeitskaempfe entwickeln sich derzeit beim Flughafen
Wien gegen die von der EU geplante Liberalisierung der
Bodenabfertigung, was zu massivem Arbeitsplatzverlust, Lohn- und
Sozialdumping fuehren wuerde, und bei der AUA, wo das Management das
naechste Mega-Sparpaket durchsetzen will. In beiden Faellen
organisierte der Betriebsrat grosse Protest- und
Betriebsversammlungen, wo sich die Belegschaften kampfbereit zeigten.

Diese betrieblichen und kollektivvertraglichen Kaempfe zeigen einmal
mehr, dass die Lohnabhaengigen auch in Oesterreich ihre Interessen und
sozialen Errungenschaften mit den Mitteln des Klassenkampfs zu
verteidigen bereit sind. Die Bereitschaft, ein zweites Mal die Kosten
der Krise zu zahlen, haelt sich sehr in Grenzen, vor allem angesichts
der Tatsache, dass die Banken und Konzerne selbst in der Krise weiter
Profite machen, die Kluft zwischen Arm und Reich immer groesser wird,
Vermoegen nicht substanziell besteuert werden und im Notfall der Staat
die Verluste der Aktionaere vergesellschaftet. Die Erfahrungen der
letzten Jahre haben im Bewusstsein der Klasse ihren Stempel
hinterlassen, und dies ergibt ein durchaus explosives Gemisch in
vielen Betrieben. Wo es Betriebsraete und GewerkschaftsaktivistInnen
gibt, die dieser Stimmung einen Ausdruck verleihen, stehen die Zeichen
auf Kampf. Die ganz besondere Dynamik des Metallerstreiks in vielen
Betrieben im vergangenen Herbst hat dies eindruecklich gezeigt.

Arbeitskampf im AKh Linz

In den aktuellen Arbeitskaempfen ist dieser Prozess bislang im AKh
Linz am weitesten gegangen, wo die Beschaeftigten erst vor einigen
Monaten eine Spitalsreform auf ihre Kosten hinnehmen mussten und jetzt
eine politisch verordnete Lohnkuerzung hinnehmen sollen. In der
aktuellen Funke-Ausgabe (Nr. 107) haben wir dazu eine laengere Analyse
geschrieben bzw. die Arbeit der marxistischen Stroemung in diesem
Kampf dargestellt. An diesem Beispiel zeigt sich, dass selbst ein
kleiner subjektiver Faktor in solch einer Situation einiges bewegen
kann. Mittlerweile wurden am AKh Linz einige wichtige Schritte in
Richtung Demokratisierung der betrieblichen Interessensvertretung und
der Gewerkschaft gegangen. Es wurde eine erweiterte Streikleitung
gewaehlt, in der Vertrauenspersonen aller Stationen vertreten sind,
die Idee von Betriebsversammlungen mit Urabstimmungen ueber
Verhandlungsergebnisse ist kein Tabu mehr, der VPA sucht die
Vernetzung mit Spitalsbelegschaften z.B. aus Deutschland, die bereits
Streikerfahrung haben. Diese positiven Entwicklungen gilt es in der
kommenden Periode zur taeglichen Praxis zu machen. Die zentrale
Aufgabe der Vertrauenspersonen liegt jetzt sicher in der
gewerkschaftlichen Organisierung jeder einzelnen Station, die auf der
Eigenaktivitaet der Kolleginnen und Kollegen beruht. Die
Vertrauenspersonen sollten darauf hinarbeiten, dass auf Stationsebene
regelmaessige Treffen stattfinden, wo einerseits Aktionsplaene fuer
die Verbesserung der konkreten Arbeitsbedingungen entwickelt werden,
andererseits aber auch ueber allgemeine Belange des Betriebes und der
Politik des Vertrauenspersonenausschusses bzw. der landesweiten
Gewerkschaft diskutiert wird. So koennte die Anzahl der
Vertrauenspersonen langsam vergroessert und das gewerkschaftliche Netz
im AKh richtiggehend reissfest gemacht werden.

Der Arbeitskampf gegen die Lohnkuerzung in Oberoesterreich zeigt aber
auch sehr gut, welche Hindernisse kaempferische Betriebsraete und
Belegschaften noch zu ueberwinden haben. Der Hinweis auf die Skepsis,
Passivitaet und Unerfahrenheit der KollegInnen ist dabei komplett
unangebracht, das hat z.B. die Demonstration am 5. Dezember in Linz
gezeigt. Es ist vielmehr die Gewerkschaftsbuerokratie, die alles daran
setzt, eine Eskalation der Arbeitskaempfe zu unterbinden. In
Oberoesterreich hat auf Initiative des VPA im AKh Linz die
Bezirkskonferenz der GdG Linz sogar eine eskalative Kampfstrategie
beschlossen. Obwohl der OeVP-Landeshauptmann bei den Verhandlungen am
11. Jaenner nicht einmal einen Kompromiss angeboten, sondern nur
darauf verwiesen hat, dass es im naechsten Jahr keine Lohnkuerzung
geben wuerde, hat die GdG-Spitze trotzdem den fuer 1. Februar
geplanten Streik abgeblasen.

Stellvertreterpolitik

Die Gewerkschaftsbuerokratie sieht Protestmassnahmen (wie
Betriebsversammlungen, Betriebsratskonferenzen oder gar
Demonstrationen) nur als Mittel, um wieder an den Verhandlungstisch zu
kommen. Am Verhandlungstisch selbst ist sie dann bereit, einem
voelligen Ausverkauf der Interessen der Kolleginnen und Kollegen
zuzustimmen, solange nur mit ihr geredet wird.

Diese Stellvertreterpolitik in der oesterreichischen
Gewerkschaftsbewegung muss durchbrochen werden. Die Bestrebungen des
VPA im AKh Linz sind deshalb so relevant, weil sie ansatzweise zur
Herausbildung einer alternativen Organisationskultur fuehren koennen.
Auch ernsthaft gefuehrte Arbeitskaempfe haben schlussendlich das Ziel,
das Gegenueber an den Verhandlungstisch zu zerren, aber erst nach dem
Einsatz aller in der konkreten Situation moeglichen gewerkschaftlichen
Mittel, die den Gegner in eine moeglichst schwache Position bringen.
Und ueber das Verhandlungsergebnis darf dann nicht eine kleine Gruppe
von Spitzenfunktionaeren entscheiden, die eigentlich niemals kaempfen
wollten. Es muss vielmehr ein angemessen grosses Gremium, das die
Gesamtheit aller kaempfenden Kolleginnen und Kollegen repraesentiert,
mit der Entscheidung ueber die Fortsetzung oder den Abbruch des
Arbeitskampfs betraut werden. Unter den Bedingungen der Krise wird es
mit der alten Form der Gewerkschaftspolitik jedenfalls nur noch mehr
Niederlagen hageln, die zu einem schmerzhaften Sinken des
Lebensstandards und haerteren Arbeitsbedingungen fuehren werden.

Der Kampf um die Erneuerung der Betriebsraete und der Gewerkschaften
steht heute ganz oben auf der Tagesordnung. Dies ist die
Grundvoraussetzung, dass die Offensive des Kapitals und der Regierung
gestoppt werden kann. In den Betrieben muessen sich die KollegInnen
zusammenschliessen, die einen kaempferischeren Kurs als notwendig
erachten, und in den Arbeitskaempfen Alternativen zum
sozialpartnerschaftlichen Kurs der jetzigen Fuehrung zur Diskussion
stellen.

In dieser Situation muessen wir in den Gewerkschaften Druck machen
fuer eine bundesweite Betriebsraetekonferenz aller Sektoren und
Betriebe, die sich derzeit im Arbeitskampf befinden.

Der OeGB und das Sparpaket

Derteit schnuert die Bundesregierung ein Sparpaket, das sich gewaschen
hat. Vor allem im Pensionssystem, im Gesundheitswesen und bei der OeBB
drohen massive Verschlechterungen. Die Gewerkschaftsbewegung darf
dieses Sparpaket nicht akzeptieren.

Am 20. Jaenner fand eine Versammlung von OeGB und AK mit rund 400
TeilnehmerInnen, allesamt hochrangige FunktionaerInnen und
Betriebsratsvorsitzende, statt. Die OeGB-Spitze sieht ihr vorrangiges
Ziel, am Verhandlungstisch ueber das Ausmass des Sparpakets
mitzubestimmen. In der Frage der Pensionsreform vertritt sie den
Standpunkt des Bad Ischler Sozialpartnerabkommens, dass eine Erhoehung
des realen Pensionsantrittsalters um zwei Jahre vorsieht. Im
Gesundheitswesen ist sie ebenfalls bereit Einsparungen von 900 Mio. €
hinzunehmen. Auch sieht sie die Notwendigkeit einer Verlaengerung der
Arbeitszeiten der LehrerInnen - ohne Lohnausgleich. Kurzum: Sie
akzeptieren die Sparlogik der Regierung, wollen die Sparplaene von
SPOe und OeVP abschwaechen und durch etwas mehr vermoegensbezogene
Steuern abfedern. Die Fuehrung des OeGB vertritt den Standpunkt eines
"sozial ausgewogenen Sparpakets", wo alle Klassen zum Handkuss kommen.

Dem gegenueber kommt aus mehreren Gewerkschaften (allen voran der
PRO.GE) und Betrieben der Ruf, dass die Gewerkschaftsbewegung den
Slogan "Eure Krise zahlen wir nicht" wieder aufnimmt und Widerstand
gegen das Sparpaket der Bundesregierung organisiert. Ein Teil der
Buerokratie hat verstanden, dass das alte Sozialpartnerschaftsmodell
nicht mehr taugt, und dass die Gewerkschaft unter die Raeder kommt.
Der Metallerstreik war ein erster Vorgeschmack auf kuenftige
Entwicklungen, dort traten die beiden Konzepte, die in der Buerokratie
derzeit zur Diskussion stehen, erstmals offen zu Tage. Die
PRO.GE-Fuehrung, die die Flucht nach vorne antrat und zum Streik
aufrief, und der OeGB-Chef Foglar, der gemeinsam mit Sozialminister
Hundstorfer alles unternahm, damit der Streik von den "Sozialpartnern"
wieder abgedreht wird. In den kommenden Monaten werden diese beiden
Konzepte in der Gewerkschaft aufeinanderprallen.

Doch selbst die Teile der Buerokratie, die hier kaempferischere Toene
von sich geben, sind an ihren Taten zu messen. Bisweilen gibt es keine
Vorbereitungen von konkretem Widerstand. Es wird an den kaempferischen
Betriebsraeten und Belegschaften liegen den noetigen Druck in der
Gewerkschaft zu erzeugen, dass den kaempferischen Worten auch Taten
folgen. Diesen Druck gilt es von unten zu organisieren.

Dabei stellt sich natuerlich die Frage nach dem Wie? Auch hier bietet
das Beispiel vom AKh Linz wertvolle Ansaetze. Das AKh schaffte es
schon mehrmals, die offizielle Linie der Landesgewerkschaft hin zu
einem kaempferischeren Kurs zu veraendern. Diese Kraft beruht im
Wesentlichen auf der lebendigen Eigenaktivitaet des
Vertrauenspersonenausschusses. Gelingt es in einer Reihe weiterer
wesentlicher Betriebe die vorhandenen gewerkschaftlichen Strukturen in
dieser Art zu aktivieren und untereinander zu vernetzen, kann eine
ernst zu nehmende gewerkschaftliche Gegenmacht zur Buerokratie
aufgebaut und der Umbau der Gewerkschaften begonnen werden.

Angesichts des Ausmasses der Staatsschuldenkrise und dem Diktat der
Finanzmaerkte, das die Regierung spuert, ist dieses Sparpaket nur zu
verhindern, wenn es in den Betrieben und auf der Strasse Widerstand
gibt. Dabei muss Druck auf die Abgeordneten des OeGB erzeugt werden,
damit diese im Parlament gegen das Sparpaket stimmen.

In den laufenden betrieblichen und KV-Kaempfen sehen wir die
zunehmende Unzufriedenheit in der Arbeiterschaft. Das kommende
Sparpaket wird diese Stimmung noch verschaerfen. Sorgen wir dafuer,
dass auch Oesterreich einen Winter der Unzufriedenheit* erlebt.
(Der Funke/gek.)

*
Volltext:
http://www.derfunke.at/html/index.php?name=News&file=article&sid=1990

Die Bezeichnung Winter of Discontent (englisch fuer Winter der
Unzufriedenheit) bezieht sich auf die Streikwelle der britischen
Gewerkschaften im Winter von 1978-79 und geht auf die Eingangszeilen
von Shakespeares Drama Richard III. zurueck: "Now is the Winter of our
Discontent". (In der klassischen Uebersetzung von Richard III. lautet
Shakespeares Wendung "Nun ward der Winter unsers Missvergnuegens".



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