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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. Jaenner 2012; 02:17
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  Steuern/Kommentar:
  
  > SPOe:Schwindliges Vermoegenssteuermodell
  
  Zwar schwaechelt der Klassenkampf der Arbeiterklasse gegen die 
  Bourgeoisie, aber dafuer fuehrt die SPOe eine "kaempferische" Kampagne 
  fuer "Gerechtigkeit", die von manchen OeVP-Kreisen und Schreiberlingen 
  als "Klassenkampf" denunziert wird. Der medial am meisten 
  breitgelatschte Punkt dabei ist die von der SPOe "geforderte" 
  Einfuehrung einer neuen Vermoegenssteuer.
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  Eine "Millionaers-" oder "Reichensteuer" muesse her, und zwar in Form 
  der Wiedereinfuehrung einer Vermoegenssteuer [1]. In einer 
  APA-Aussendung wurde am 5.9.2011 der letzte Stand der SPOe-Plaene 
  zusammengefasst: "Privatvermoegen" sollen, soweit sie 1 Million EUR 
  uebersteigen, mit einem Prozentsatz von 0,3-0,5% besteuert werden. So 
  sei gesichert, dass nur ein kleiner Teil der jaehrlichen Rendite 
  dieser Vermoegen, nicht aber die Substanz besteuert wuerde. Nicht 
  besteuert werden soll -- neben dem ersten Millioenchen -- auch der 
  Hauptwohnsitz (der auch ein nettes Schloesschen sein kann) und ebenso 
  wenig "Kunstgegenstaende, Antiquitaeten, Edelmetalle und Schmuck 
  etc.", alles, was ein normaler Mensch halt so hat. Wie Grundstuecke 
  dabei bewertet werden (mit den bisherigen "Einheitswerten", die nur 
  einen Bruchteil ihres wirklichen Werts darstellen?) ist noch offen. 
  80.000 Leute waeren betroffen, das sei 1% der Bevoelkerung und zwar 
  das reichste.
  
  So weit, so loeblich, koennte man sagen. Zwar erwartet sich sowieso 
  niemand etwas, was die Bezeichnung "Umverteilungsmassnahme" auch nur 
  einigermassen verdient, man kennt ja die SPOe, es ist ja nicht ihr 
  erster Reformplan, aber warum eigentlich nicht, denken viele, 
  "irgendwie gerecht" waer's schon. Nutzt's nix, schadt's nix.
  
  Sobald wir in die "Details" gehen, entpuppt sich freilich die hehre 
  Absicht als miese Rosstaeuscherei. Wichtigstes "Detail": 
  Betriebsvermoegen und Privatstiftungen werden der Vermoegenssteuer 
  nicht unterworfen, nur "Privatvermoegen" sind anvisiert. Nun ist es 
  aber so, dass die wirklichen Reichen, also die grossen Kapitaleigner, 
  kaum ein Privatvermoegen haben. Wenn man Bourgeoisie oder 
  Finanzoligarchie sagt, denkt man an grosse Kapitale wie die 
  Grossbanken, Siemens oder Voest, Porr oder Strabag, den 
  Raiffeisensektor etc. Diese "Betriebsvermoegen", die den weitaus 
  ueberwiegenden Teil des kapitalistischen Vermoegens ausmachen, sind 
  von vornherein nicht Gegenstand der neuen Steuer. Bleiben noch die 
  "Privatvermoegen" der einzelnen Bourgeois, also das, was sie sozusagen 
  als "Privatleute" aus ihrem (natuerlich ebenfalls Privateigentum 
  darstellenden) "Betriebsvermoegen" herausziehen. Auch das wird nicht 
  Gegenstand der neuen Steuer sein, denn sie haben es in die 
  weltberuehmten oesterreichischen "Privatstiftungen" eingebracht, die 
  heute schon Steuerparadiese in einem Ausmass sind, dass sich die 
  Bahamas eine Scheibe abschneiden koennten [2]. Kurz und gut: das 
  eigentliche kapitalistische Vermoegen ist von der "Reichensteuer" von 
  vornherein ausgenommen. Man erwischt zwar vielleicht einige -- im 
  Vergleich zum gemeinen Volk -- relativ Reiche [3], spart aber das 
  grosse Kapital von vornherein aus.
  
  Problemfall Stiftungen
  
  Gerade weil dieses Konzept vielen, selbst wenn sie an die 
  Gerechtigkeits- und Umverteilungsmaerchen glauben, ziemlich zahnlos 
  erscheint, braucht es noch ein "linkes" Feigenblatt als Draufgabe, 
  z.B. in Gestalt der AK Oberoesterreich, die dem zahnlosen Konzept -- 
  natuerlich nur zu Propagandazwecken -- etwas mehr "Biss" geben 
  moechte. Sie moechte, dass auch Stiftungen von der neuen Steuer 
  erfasst sein sollen, nicht alle, aber die "eigennuetzigen Stiftungen". 
  Entweder kennen sie das oesterreichische Stiftungsrecht nicht oder sie 
  wollen die Sache voellig vernebeln (einschliesslich der Rolle der SPOe 
  bei der Einfuehrung und Vermarktung dieses Stiftungsrechts). Ein 
  einziger Blick auf die Privatstiftungen haette gezeigt, dass praktisch 
  alle zumindest "doppelnuetzig" sind, also "eigennuetzig" mit einem 
  kleinen "gemeinnuetzigen" Aufputz (das heisst alles wirklich so im 
  Stiftungsrecht!). Irgendwie musste man die Steuerprivilegierung ja 
  begruenden. Die "Idee" der AK, wenn sie nicht zugleich auf die 
  Forderung nach Abschaffung der "Privatstiftungen" hinauslaufen soll, 
  ist daher nur ein obskures Manoever, das zwar jahrelange Streitereien 
  ueber den eigennuetzigen oder uneigennuetzigen Charakter einer 
  Stiftung produzieren koennte, aber kein greifbares Resultat. Ausserdem 
  propagierte die AK einen hoeheren, naemlich einen progressiven 
  Steuersatz bis zu 1,5% (aber das ist schon wieder vom Tisch).
  
  Aber, liebe Herren und Damen Stifter, diese "Idee" ist eh nicht ernst 
  gemeint, sondern nur fuer einen Artikel in den naechsten 
  "AK-Nachrichten" berechnet. Relevanter ist das Raesonnement des Herrn 
  SPOe-Finanzstaatssekretaers Schieder dazu. "Es gibt sicher Potenzial, 
  Stiftungen hoeher zu besteuern, das werden wir uns genauer anschauen." 
  Brav, er schaut sich etwas an, er hat offenbar das erste Mal etwas von 
  der Steuerprivilegierung der Privatstiftungen gehoert. Er verstehe 
  auch gut die Sorge der OeVP, setzt Schieder fort, man moege doch nicht 
  "gerade jetzt", angesichts der bevorstehenden neuen Krise, den 
  "Leistungstraegern" der Wirtschaft zu nahe zu treten; nein, nein, 
  beschwichtigt er, es ginge ja nur darum, "jetzt Vorbereitungen zu 
  treffen, um danach (?) mehr Gerechtigkeit zu schaffen." So richtig 
  ernst scheint es der SPOe mit ihrer "Reichensteuer" nicht zu sein, 
  viel ist von ihrer wilden Entschlossenheit, diese gegen den 
  "erbitterten Widerstand der OeVP" durchzusetzen, nicht zu sehen.
  
  Franzoesisches Modell
  
  Vor allem AK und GPA trommeln das franzoesische Vorbild [6]. Die 
  franzoesische "Impôt sur la fortune" ist die Referenz fuer die SPOe. 
  Die franzoesische Vermoegenssteuer setzt ab einer Freigrenze von 
  790.000 EUR ein, die "Befreiungen" sind dieselben wie in Oesterreich 
  geplant (Hauptwohnsitz, Kunstwerke, Antiquitaeten, Edelmetalle, 
  Schmuck...), auch dort sind "juristische Personen" nicht betroffen. 
  Der Steuersatz beginnt bei 0,55% und steigt auf bis zu 1,8%.
  
  Der Ertrag aus dieser franzoesischen Steuer belief sich im Jahr 2010 
  auf 3,2 Mrd. EUR. Die oesterreichische Vermoegensteuer soll laut 
  SPOe-Fuehrung irgendetwas zwischen 500 Mio. und 2 Mrd. EUR bringen, 
  bei "Modell" der AK sogar "deutlich ueber 3 Mrd. EUR". Diese grosse 
  Range zeigt, dass man nicht besonders viel ueber die betreffenden 
  Vermoegen weiss. Vielleicht hat deshalb der Herr Faymann 
  vorgeschlagen, am besten waere es, die Betroffenen wuerden sich 
  freiwillig beim Finanzamt melden und sich einfach selbst versteuern, 
  weil finden taet' man sie eh nur schwer. Der Steuerertrag waere also 
  fast gleich hoch wie der in Frankreich. Frankreich ist aber zehnmal 
  groesser als Oesterreich, auch die Bourgeoisie, auch ihr Vermoegen. 
  Der geplante Steuersatz ist niedriger als in Frankreich, die 
  Freigrenze hoeher, die "Befreiungen" ident. Durch welches Wunder kommt 
  man dann auf einen Steuerertrag, das gleich hoch ist wie der in 
  Frankreich?
  
  Wenn wir von den "500 bis 2.000" Mio. EUR der SPOe ausgingen, waeren 
  das zwischen 0,6% und 2,4% des oesterreichischen Steueraufkommens. 
  Legt man realistischere "franzoesische Massstaebe" an, landet man aber 
  vielleicht bei 0,2%. Im Vergleich zu den Steuerbefreiungen und 
  Steuerbeguenstigungen des Kapitals, nicht nur der Stiftungen, sondern 
  auch bei der Koerperschaftssteuer, ist das ein Witz und pure 
  Augenauswischerei. Vor allem aber muss der Gesichtspunkt der 
  Arbeiterklasse in Steuerfragen ein ganz anderer sein. Sie muss sich um 
  sich selbst kuemmern, nicht sich den Kopf der Bourgeoisie und ihres 
  Staates zerbrechen. Der Loewenanteil (80%) des Steueraufkommens 2010 
  von insgesamt 78,5 Mrd. EUR stammt aus der Massenbesteuerung, und zwar 
  21 Mrd. EUR aus der (direkten) Lohnsteuer und 42 Mrd. EUR aus der 
  (indirekten) Mehrwertsteuer (samt anderen Verbrauchssteuern). Und sie 
  werden mehr und mehr, jedes Prozent Inflation bedeutet allein schon 
  ein Prozent oder 420 Mio. EUR mehr an indirekten Steuern, das sind bei 
  der derzeitigen Inflationsrate von 3,5% satte 1.500 Mio. EUR im Jahr. 
  Demgegenueber erscheint die neue Vermoegenssteuer als das, was sie 
  ist. "Der Berg kreisste und gebar ein Maeuschen", koennte man sagen, 
  ...
  
  Die geplante Vermoegenssteuer leistet keinen irgendwie relevanten 
  Beitrag zu einer -- ohnedies nur illusorischen -- "Umverteilung". Es 
  geht selbst im besten Fall nur um einen zwergenhaften Anteil am 
  gesamten Steueraufkommen. Die wirklichen grossen Vermoegen werden gar 
  nicht betroffen. Will man sich gegen Ausbeutung und Auspluenderung 
  wehren, muss nicht fuer eine "Umverteilung" gekaempft werden, sondern 
  fuer andere Eigentums- und Produktionsverhaeltnisse, die auch eine 
  andere "Verteilung" erlauben, nicht nur der Konsumgueter, sondern auch 
  der Produktionsmittel (indem man die Kapitalisten enteignet und die 
  Produktionsmittel vergesellschaftet). Dies geht nur, indem man zuerst 
  die Machtverhaeltnisse aendert.
  ("Ina Erkape"/stark gek.)
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 Kontakt: IA.RKP, Stiftgasse 8, 1070 Wien, ia.rkp2017{AT}yahoo.com, 
  http://www.iarkp.wordpress.com
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Fussnoten:
  
  [1] Es gab schon einmal eine Vermoegenssteuer in Oesterreich, die 1994 
  unter dem SPOe-Finanzminister Lacina abgeschafft wurde. Der 
  Verfassungsgerichtshof hatte naemlich "erkannt", dass es dem 
  "Gleichheitsgrundsatz" widerspreche, dass die Industrie- und 
  Bankkapitalisten mehr Vermoegenssteuer zahlen als die grossen 
  Grundbesitzer. Damals zahlten naemlich 80% der Vermoegenssteuer die 
  "Betriebe", waehrend der Grundbesitz gewoehnlicher Mittel- und 
  Grossbauern nur wenig besteuert wurde, da hier die Steuerbasis die 
  "Einheitswerte" waren, die bekanntlich nur einen Bruchteil ihres 
  wirklichen Werts darstellen. Diese "Ungleichheit" haette man 
  natuerlich auch nach der anderen Seite hin beseitigen koennen. Tat der 
  Herr Lacina aber nicht, er bruestete sich vielmehr damit, wieder eine 
  Kapitalistensteuer abgeschafft zu haben -- zwecks "Staerkung des 
  Wirtschaftsstandortes Oesterreich" und ganz im Zug der neoliberalen 
  Zeit.
  
  [2] Es gibt 3.300 Privatstiftungen in Oesterreich. Viel wirklich 
  grosses Privatvermoegen ausserhalb der Privatstiftungen wird es nicht 
  geben. Aus dem "Stiftungshandbuch" von Arnold/Ludwig: "Die 
  oesterreichische Privatstiftung gilt unter Experten als das 
  freizuegigste Privatstiftungsrecht und bietet in der Regel europaweit 
  die groessten Steuervorteile... An der Spitze der wichtigsten 
  Unternehmensgruppen Oesterreichs stehen ueberwiegend Privatstiftungen 
  (Anm.: das ist uebertrieben und gilt fuer viele boersenotierte 
  Konzerne so nicht). Privatstiftungen leisten aber auch einen 
  unverzichtbaren Beitrag im gemeinnuetzigen Bereich."
  
  [3] Das ist vermutlich auch ein Grund fuer das Gekrampfe um die 
  Vermoegenssteuer. Die Swarowskis oder Haselsteiners z.B. traefe sie eh 
  nicht (die haben ja nur ihr "Betriebs-" und Stiftungsvermoegen), aber 
  alle die "Funktionaere" und "Verantwortungstraeger" in Staats-, 
  Parteien-, Kammer- und Gewerkschaftsbuerokratie, die die neue Steuer 
  beschliessen sollen, vielleicht schon (wenn auch nicht sehr stark) und 
  wer schiesst sich schon gerne ins eigene Knie? Ist die neue 
  Vermoegenssteuer gar doch nur eine Propagandablase?
  
  [6] AK OOe: "Verteilung der Vermoegen in Oesterreich. Hohes Potenzial 
  fuer eine Vermoegenssteuer" (August 2011); GPA: "FAQs: 
  Vermoegenssteuer" (Maerz 2010). Die "Denkschrift" der GPA zur 
  Vermoegensteuer enthaelt auch noch eine auf den ersten Blick 
  bemerkenswerte Kuriositaet. Sie zerbricht sich den Kopf darueber, wie 
  mit Leuten umzugehen waere, die z.B. ein Vermoegen von 10 Millionen 
  haben, aber ein Einkommen von nur 1.000 EUR im Monat. Das wird es kaum 
  geben, meint sie, aber wenn doch, dann hat sie dafuer schon eine 
  Loesung bereit: man koennte ja fuer diesen Fall die neue 
  Vermoegenssteuer mit z.B. 50% des Einkommens deckeln. In unserem 
  Beispiel zahlt der gute Mann oder die gute Frau dann 50% vom 
  Jahreseinkommen von 12.000 EUR = 6.000 EUR. Das waere ein faktischer 
  Vermoegenssteuersatz von satten 0,06%. Absurd? Ueberhaupt nicht, denn 
  sie taeuschen sich damit, dass so etwas kaum vorkommt. Im Gegenteil 
  ist es fuer einen wirklichen Reichen leicht darzustellen, "privat" 
  kein oder nur ein geringes Einkommen zu haben. Er zieht ja alles, was 
  er braucht, gratis aus seinem "Betriebsvermoegen" heraus. Die Villa, 
  das Dienstauto plus Chauffeur, den Hubschrauber, gegebenenfalls die 
  Yacht, die Wohnung, eventuell von allem auch mehrere, alle Mahlzeiten 
  ("Arbeitsessen"), ... Interessant aber vor allem, wie gruendlich sich 
  die GPA mit dem franzoesischen Vorbild beschaeftigt hat. Denn genau 
  eine solche Deckelung wurde 2006 eingefuehrt. Das hat den 
  franzoesischen "Millionaeren" eine zusaetzliche Steuerersparnis von 
  800 Millionen EUR pro Jahr gebracht und in den letzten Jahren zu 
  milliardenschweren Rueckzahlungen gefuehrt. Es war naemlich genau so, 
  dass viele Vermoegens-"Millionaere" eigentlich gar kein oder nur ein 
  kleines privates Einkommen haben.
  
  
  
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