**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 25. Jaenner 2012; 02:32
**********************************************************
International/Recht:
> Betrifft: Persoenlichkeitsrechte
Neue Urteile in Strassburg und Washington -- ein Grundrechtsrundblick
*
Zwei medienrechtliche, Oesterreich betreffende Entscheidungen faellte 
juengst der Europaeische Gerichtshof fuer Menschenrechte (EGMR). In 
beiden Faellen ging es um Persoenlichkeitsrechte, genauer gesagt um 
die Identifizierbarkeit von Individuen in Medienberichten.
In einem Aufsehen erregenden Fall von Kindesmissbrauch hatten 
"Kronen-Zeitung" und "Kurier" Taeter und Opfer entweder vollnamentlich 
benannt oder so bezeichnet, dass eine Identifikation der konkret 
involvierten Personen problemlos moeglich war. Sowohl Krone als auch 
Kurier wurden vor oesterreichischen Gerichten letztinstanzlich zu 
Entschaedigungszahlungen verurteilt. Die Gerichte kamen zur Ansicht, 
dass eine Berichterstattung des Geschehens auch ohne Nennung der 
konkreten Personen moeglich und sinnvoll gewesen waere, weswegen der 
Eingriff in die Privatsphaere nicht rechtskonform gewesen waere. Der 
EGMR schloss sich dieser Ansicht an und sieht diese Beschraenkung des 
Rechtes auf Meinungsfreiheit als statthaft an. (1)
In der Politik namhaft machbar
Im einem anderen Fall urteilte der EGMR gegenteilig. Denn hier liegen 
die Dinge anders: In der Auseinandersetzung um die Machenschaften in 
der Causa Hypo Alpe-Adria hatte "Der Standard" auch einen fuer die 
Spekulationsverluste mitverantwortlichen Bereichsleiter der Bank 
namentlich benannt und auch erwaehnt, dass es sich dabei um den Sohn 
eines SPOe-Politikers handelte. Der Bank-Angestellte hatte sich in 
seinen Persoenlichkeitsrechten verletzt gefuehlt. Seine Klage wurde in 
erster Instanz abgewiesen, vom Oberlandesgericht wurde ihm jedoch dann 
rechtgegeben. So gelangte die Klage vor den Menschenrechtsgerichtshof 
des Europarats. Der EGMR entschied, dass es sich hierbei nicht einfach 
um eine Auseinandersetzung um Vorwuerfe krimineller Vergehen handle, 
sondern die Angelegenheit vor allem einen massiv politischen Aspekt 
habe, da ja vor allem in die Causa die Kaerntner Landesregierung 
(allen voran natuerlich der damalige Landeshauptmann Haider) stark 
involviert gewesen sei. Eine Berichterstattung ohne Benennung der 
Beteiligten waere daher kaum sinnvoll moeglich gewesen. Ein 
entsprechendes Verbot sei daher einem unzulaessigen Eingriff in die 
Meinungsfreiheit gleichgekommen, so der EGMR. (2)
Heiligendamm: Anhaltung war grundrechtswidrig
Bereits im Spaetherbst letzten Jahres hat der EGMR in einem deutschen 
Fall geurteilt. Hier ging es um die polizeiliche Anhaltung zweier 
Demonstranten beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Im Zuge der 
exzessiven polizeilichen Massnahmen gegen linke Aktivisten wurde auf 
dem Weg zum Gipfelort auch das Auto der beiden Betroffenen durchsucht. 
Die Beamten fanden Transparente mit den Aufschriften "Freedom for all 
Prisoners" und "Free all now" Die Behoerden interpretierten das als 
Aufruf zur Gefangenenbefreiung und sperrten die beiden Maenner fuer 6 
Tage ein. Als sie entlassen wurden, war der Gipfel vorbei. Das 
deutsche Bundesverfassungsgericht hatte diese Haft in der damaligen 
Situalion als angemessen angesehen, um die oeffentliche Ordnung zu 
garantieren.
Der EGMR war dieser Ansicht nicht. Es habe sich dabei um einen 
unzulaessigen Eingriff in die Freiheitrechte gehandelt, so der 
Gerichtshof. Daran aenderten auch die Aufschriften der Transparente 
nichts, da eine Freiheitsforderung fuer Gefangene nicht so ohne 
weiteres als Aufruf zu einer strafbaren Handlung angesehen werden 
koenne. (3)
USA: Supreme Court betont 4.Zusatzartikel
Wie die American Civil Liberty Union (ACLU) berichtet, hat das 
hoechste Bundesgericht der USA im Zusammenhang mit polizeilichen 
Beschattungsmethoden am Montag (23.1.2012) ein fundamentales Urteil 
zur Interpretation des 4.Zusatzartikels zur Verfassung gefaellt. Es 
widerspreche naemlich, so der Supreme Court, eindeutig diesem vierten 
Artikel der "Bill of Rights", der die Privatsphaere schuetzen soll, 
ohne Gerichtsbeschluss an Fahrzeugen von Verdaechtigen GPS-Sender zu 
deren Ortung anzubringen.
Allerdings, so kritisiert ACLU, sagt das Urteil nichts ueber eine 
generelle Befugnis zur Nutzung technischer Lokalisierungsmoeglichkeiten 
aus. Die US-Behoerden bestuenden nach wie vor darauf, dass Handy-Ortungen 
auch ohne Gerichtsbeschluss statthaft seien. (4)
-br-
Quellen:
(1) 
http://blog.lehofer.at/2012/01/egmr-verurteilung-wegen-preisgabe-der.html
http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=898513&portal=hbkm&source=externalbydocnumber
(2) 
http://blog.lehofer.at/2012/01/egmr-zu-identifizierendem-bericht-uber.html
http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=898082&portal=hbkm&source=externalbydocnumber
(3) 
http://www.stern.de/panorama/urteil-zu-g8-gipfel-in-heiligendamm-polizei-sperrte-demonstranten-zu-unrecht-ein-1757802.html
(4) United States v. Antoine Jones:
http://www.aclu.org/blog/technology-and-liberty/supreme-court-decision-gps-tracking-spur-action-congress
http://en.wikipedia.org/wiki/United_States_v._Antoine_Jones
***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der 
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd 
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe 
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit 
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der 
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem 
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige 
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement 
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den 
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.
*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin