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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Jaenner 2012; 23:53
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Letzte Worte:
> Die Postgesellschaft (AUDIO)
Seid ihr auch schon postideologisch? Nein, das hat jetzt nichts mit 
Briefzustellung zu tun, ich meine die "Verpostung" des Denkens. 
Heutzutage denkt man ja nicht mehr, allerhoechstens wird noch be- und 
gedacht, aber vor allem postgedacht. Zuerst kamen die Postmoderne und 
der Poststrukturalismus. Waehrend unsere Produktionsgesellschaft immer 
mehr zum Postfordismus tendierte, setzten wir dagegen den 
Postmarxismus. Und wurden postfeministisch. Jetzt reden die Leute 
schon vom Postanarchismus. In einer Zeit, wo Ideologien boese sind, 
gibt es Postideologien.
Im Prinzip sind das meistens eh alles alte Huete. Nur so ein Beispiel: 
Die "Frankfurter Schule" ist ja schon ziemlich angegraut. Aber heute 
zaehlt sie zum "Postmarxismus" -- was immer das heissen mag. Und nach 
dem auch schon die Postmoderne keine wirklich neue Erfindung mehr ist, 
das Denken aber sich weiterentwickelt hat, wird bisweilen das Ganze 
noch einmal aufgedoppelt und von der "Post-Postmoderne" geredet. Was 
hingegen "Poststrukturalismus" eigentlich sein soll, hat mir noch nie 
jemand vernuenftig erklaeren koennen: Wahrscheinlich bin ich zu dumm 
dafuer. Und was zum Teufel ist "Postanarchismus"? Ich bin Anarchist 
und will den Staat abschaffen -- und nicht die Post! Oder meint das 
die anarchische Art, wie heutzutage Briefe zugestellt oder eben nicht 
zugestellt werden?
Im Ernst: In den meisten Faellen wird einfach den alten Ideologien ein 
bisserl Konstruktivimus und Individualismus aufgepfropft und alle tun 
so, als waeren das ganz neue Ideen. Nur neue Namen haben sie keine 
dafuer, daher setzen sie vor die alten einfach ein "Post-"! Sehr 
originell!
Wir muessen immer alles kategorisieren und schubladisieren, egal ob es 
sinnvoll ist oder nicht. Und da gibt es dann eben Schubladen, da steht 
auf einer "Kraut und Rueben" und auf einer anderen "Postkraut 
und -rueben".
Diese Kategorisierungwut bei der Ideengeschichte ist eine Erfindung 
des spaeten 19.Jahrhunderts und immer post festum passiert, also im 
Rueckblick auf den jeweiligen kulturellen und ideologischen common 
sense. Die Menschen im Barock wussten nicht, dass sie im Barock lebten 
und barock dachten. Die Leute im Vormaerz konnten noch gar nicht 
wissen, wie ihr Epoche spaeter heissen koennte, weil sie noch nicht 
wussten, welche Bedeutung der Maerz 1848 haben koennte. Und danach kam 
die Revolution und nicht der "Postvormaerz".
Heutzutage wollen wir auch diese Einteilungen, nur leben wir genau in 
dem Denken, das wir kategorisieren wollen. Und dann erfinden wir 
Begriffe, die genau gar nichts heissen, aber irgendwie sehr gescheit 
wirken. Vielleicht werden Kulturwissenschaftler des spaeten 
21.Jahrhunderts unsere Zeit als "Postgesellschaft" bezeichnen, weil 
dieses "Post-" die einzige Gemeinsamkeit in unserer kulturellen und 
ideengeschichtlichen Epoche gewesen sein wird.
Als Kind dieser Zeit behalte ich mir aus all diesem begrifflichen 
Kauderwelsch nur die "Postmoderne" -- als Schimpfwort! Weil ich mich 
nunmal immer noch am Materialismus, also an der "Moderne" orientiere. 
Bin ich deswegen ein Reaktionaer? Meinetwegen! Solange mich niemand 
als "Postreaktionaer" bezeichnet, kann ich damit leben...
*Bernhard Redl*
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