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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 17. Jaenner 2012; 23:46
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Krise/Kommentar:

> Der Staat als Betrieb

Was ist ein Staat? Oekonomisch betrachtet ist ein Staat ein
Rahmengebilde des Wirtschaftens: Er hat eine eigene Waehrung und eine
eigene Finanzpolitik; er investiert in Infrastruktur; er verteilt um,
um den sozialen Frieden und die Kaufkraft zu erhalten; er erhebt
Zoelle, um aggressives Preisdumping auslaendischer Produzenten zu
unterbinden u.s.w. Und er fuehrt bisweilen auch einen Krieg, um
oekonomische Interessen zu bedienen.

Kaum etwas davon hat fuer Mitglieder der Euro-Zone heute noch eine
Bedeutung -- ausser leider das Kriegfuehren, das machen EU-Mitglieder
auch heute noch bisweilen selbstaendig oder in ad hoc konstruierten
Koalitionen.

Alle anderen oekonomischen Parameter sind in der Euro-Zone laengst den
Staaten abhanden gekommen. Eigene Waehrungen gibt es nicht mehr.
Zoelle sind dank EU und WTO absolut pfui. Steuern auf hohe Gewinne? Um
Gottes Willen, das Kapital ist ein scheues Reh und entfleucht so
schnell ueber die offenen Grenzen! Die Infrastruktur wird
privatisiert. Nur wenn sie defizitaer wird, darf der Staat
einspringen -- aber auch nur als Subventionsgeber. Kaufkraft? Wer
braucht das, schliesslich ist man ja exportorientiert. Kaufkraft
braucht man im Ausland, aber nicht daheim! Eine eigene Finanzpolitik?
Da sei Maastricht vor und -- weil das halt irgendwie in die Hose
gegangen ist -- die neue "Finanzunion". Sozialer Frieden? Nebbich! Man
muss den Leuten einfach erklaeren, dass sie alle im internationalen
Wettbewerb stehen. Fuer die wenigen, die das nicht begreifen, hat man
ja die Polizei.

Was bleibt da ueber? Das ist kein Staat mehr, das ist ein Grosskonzern
mit gut organisiertem Werkschutz, der mit anderen Grosskonzernen in
Konkurrenz steht. Nationaloekonomie? Wozu braucht man da noch
Volkswirtschafter? Unsere Finanzministerin ist
Betriebswirtschafterin -- und mit dieser Qualifikation ist sie eher
der Normalfall in Europa. Wundert einen das? Wundert einen noch, dass
in den oeffentlichen Debatten staendig die Vergleiche des Staates mit
Betrieben oder privaten Haushalten kommen? Sicher, der Vergleich wird
auch gerne verwendet, um "Otto Normalverbraucher" die "Notwendigkeit
des Sparens" nahezubringen. Aber er hat auch seine Berechtigung. Denn
die Politik hat sich selbst entmachtet und die Institution Staat zu
einem Betrieb umgemodelt.

"Mir sind ein paar Milliarden Schilling Schulden lieber als ein paar
hunderttausend Arbeitslose." Das hat Bruno Kreisky gesagt. Der war
allerdings ein Regierungschef und orientierte sich -- wenn auch damals
schon grossteils das Kapital das Sagen hatte -- noch ein wenig am
Vertrauen des Wahlvolkes. Was sich heute Bundeskanzler oder
Ministerpraesident oder Premierminister oder sonstwie nennt, ist in
Wirklichkeit ein Generaldirektor. Solche muessen sich nunmal an den
Maerkten orientieren und vor einer Herabstufung durch die
Ratingagenturen fuerchten. Und dazu immer schoen laecheln!
*Bernhard Redl*



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