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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Jaenner 2012; 03:05
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  Deutschland:
  
  > In Erinnerung an Oury Jalloh
  
  Am 7.Jaenner jaehrte sich zum siebten Male der von Oury Jalloh. Er ist
  so etwas wie Deutschlands Marcus Omofuma -- ein Afrikaner, der in
  Polizeigewahrsam ums Leben kam und fuer dessen Tod niemand
  verantwortlich sein soll. Zum Jahrestag und auch anlaeßlich der immer
  noch laufenden Gerichtsverfahren veröffentlichte "Break the Silence -
  Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" eine Zusammenfassung des
  Falles, die wir hier stark gekuerzt wiedergeben:
  * 
 Es ist 7 Jahre her, dass Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam an
  Haenden und Fueßen gefesselt, auf eine feuerfeste Matratze fixiert,
  angezuendet wurde. Damals nahm die Staatsanwaltschaft nur wiederwillig
  Ermittlungen auf. Nach zwei Jahren kam es endlich zu einem Prozess.
  Doch hatten sich die beiden angeklagten Polizisten nicht wegen Mord,
  sondern wegen "fahrlaessiger Körperverletzung" bzw. wegen
  "Körperverletzung mit Todesfolge" zu verantworten.
  
  Die abwegige These des Oberstaatsanwaltes, Oury Jalloh haette sich mit
  einem Feuerzeug, welches bei der Durchsuchung uebersehen worden war,
  selbst angezuendet, reichte dem Landgericht Dessau als Erklaerung fuer
  den Feuertod aus. Und obwohl die Aussagen der in den Zeugenstand
  gerufenen Polizist_innen kaum zu ertragen waren und vor Luegen zum
  Himmel strotzten, wurden beide Angeklagten im Jahr 2008
  freigesprochen.
  
  Die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" strebte deshalb ein
  Revisionsverfahren an und erhielt Zuspruch vom Bundesgerichtshof aus
  Karlsruhe, der vom Dessauer Urteil ebenfalls nicht ueberzeugt war. Der
  BGH bezeichnete die Urteilsbegruendung als lueckenhaft, die
  Beweisfuehrung als nicht nachvollziehbar und das Verhalten der
  Polizisten als nicht pflichtgemaeß.
  
  Seit Januar 2011 werden die Todesumstaende von Oury Jalloh vor dem
  Magdeburger Landgericht im Revisionsverfahren neu verhandelt. Von
  Anfang an straeubte sich der Oberstaatsanwalt Christian Preissner
  gegen die Dessauer Polzist_innen wegen Mordes zu ermitteln.
  Stattdessen tat er alles, seine Ermittlungen auf die Selbstmordthese
  zu beschraenken und somit eine Aufklaerung des Falles zu verhindern.
  Wie kann es aber sein, dass die Tötung eines Menschen in einer
  Polizeizelle vom Staatsanwalt zu einer völlig abstrusen
  Selbstmordthese umgedichtet wird und alle uebergeordneten Behörden
  diese abwegige Mutmaßung ohne Wenn und Aber schlucken? Es sei denn,
  das damalige Innenministerium und die Polizeidirektion von
  Sachsen-Anhalt haetten ihre Haende mit im Spiel gehabt - ein Verdacht,
  der im Laufe des Revisionsverfahrens zunehmend zur Gewissheit wurde.
  Aber was bewegte Staatsanwalt und höhere Instanzen dazu, eine
  unvoreingenommene Aufklaerung der Todesumstaende von Oury Jalloh zu
  verhindern? (...)
  
  Ein weiterer Imageschaden fuer Sachsen-Anhalt
  
  Sachsen-Anhalt fuehrt seit Jahren die Statistik rechter Gewalttaten
  bundesweit an. Ein nachweislich rassistisch motivierter Mord in
  Polizeigewahrsam waere ein Skandal und wuerde dem Ansehen des Landes
  mehr als nur schaden. Es wuerde an die Oeffentlichkeit gekommen, dass
  Sachsen-Anhalt nicht nur ein Problem mit Neonazis hat, sondern einen
  von Rassisten unterwanderten Polizeiapparat schuetzt. Auch haette eine
  umfassende Aufklaerung des Todes von Oury Jalloh unweigerlich
  personelle Konsequenzen nach sich gezogen. Dabei hatte es die damalige
  Polizeidirektion und das Innenministerium schon schwer genug sich
  unbeschadet aus der sogenannten "Staatsschutzaffaere" zu winden:
  
  Im Mai 2007 wurde öffentlich bekannt, dass der damalige
  Polizeivizepraesident Glombitza drei seiner erfolgreichsten
  Staatsschuetzer aufgefordert hatte bei der Bekaempfung von Neonazis in
  Sachsen-Anhalt nicht so genau hinzuschauen und langsamer zu arbeiten.
  Glombitza teilte ihnen mit, dass wenn man so fleißig sei, weder das
  Innenministerium noch das Landeskriminalamt darueber gluecklich sei.
  Die drei Staatschuetzer waren damit nicht einverstanden und wandten
  sich an die Oeffentlichkeit. Es folgte ein parlamentarischer
  Untersuchungsausschuss. Dort bestritt Glombitza, derartige Aeußerungen
  gemacht zu haben.
  
  Um den guten Ruf der Landesregierung Sachsen-Anhalt wieder
  herzustellen, reagierte der damalige Innenminister Hövelmann (SPD) mit
  der Kampagne "Hingucken". Diese zielte inhaltlich darauf ab, die
  Bevölkerung gegenueber rassistisch motivierten Aktionen oder
  Straftaten zu sensibilisieren und nicht wegzuschauen.
  
  Um den Erfolg dieser Kampagne zu belegen, wurde im September 2007 von
  Hövelmann selbst eine gefaelschte Statistik vorgelegt: Das
  Landeskriminalamt hatte rund 200 als "politisch motiviert" gemeldete
  Straftaten umdefiniert und anders eingeordnet.
  
  Der Innenminister habe darueber aber angeblich nichts gewusst - und er
  kommt damit durch! Die drei engagierten Staatsschuetzer hingegen
  wurden auf Anweisung der damaligen Polizeipraesidentin
  Scherber-Schmidt versetzt und anderen Bereichen zugeteilt. Darunter
  war auch Swen Ennullat, der vor seiner Berufung zum Leiter der
  Projektgruppe "Netzwerk Staatsschutz" fuer den Bereich "unnatuerliche
  Todesfaelle" in der Polizeidirektion Dessau zustaendig war.
  
  Nach seiner Zwangsversetzung studierte Ennullat gegen den Willen der
  Dessauer Polizeifuehrung an einer Polizeifachhochschule. Dort wurde
  er - im Auftrag des Hövelmann-Ministeriums - von seinen
  Mitstudent_innen bespitzelt. Als Ennullat im privaten
  Kommilitonen-Kreis erzaehlt, dass er an der "Selbstentzuendungsthese"
  im Fall Oury Jalloh zweifelt und die Arbeit der Polizei in
  Sachsen-Anhalt generell in Frage stellt, fertigen diese ein
  Gespraechsprotokoll an, welches sie an das Innenministerium
  weiterleiten. Ennullat wurde deshalb 2008 vor das Dessauer Landgericht
  bestellt und zur Sache befragt.
  
  Was hat das alles mit dem aktuellen Revisionsverfahren im Fall Oury
  Jalloh zu tun?
  
  Faktisch lassen sich aus den bisher gehörten Zeugenaussagen im
  Revisionsverfahren folgende Schluesse ziehen: Das Innenministerium und
  die damalige Polizeifuehrung bestimmten im Fall Oury Jalloh die
  Ausrichtung der Ermittlungen, steuerten den internen Umgang mit dieser
  Angelegenheit innerhalb des Polizeireviers und bereiteten Zeugen auf
  ihre Prozesstermine vor.
  
  Um die tatsaechliche Motivation fuer die Vertuschung des Falls zu
  verstehen, ist es notwendig, sich mit den Skandalen des Ministeriums
  und der Dessauer Polizeidirektion in den letzten 10 Jahren
  auseinanderzusetzen. In allen genannten Faellen scheinen die immer
  gleichen Personen im Hintergrund die Faeden gezogen zu haben und zum
  Teil immernoch richtungsweisenden Einfluss zu nehmen: Zu nennen sind
  hier unter anderem die damalige Polizeipraesidentin Brigitte
  Scherber-Schmidt (heute taetig im Innenministerium), der
  Polizeijustiziar und Auslaenderbeauftragte Georg Findeisen und der
  damalige Ministerpraesident Hövelmann (SPD).
  
  Der Dienstgruppenleiter Andreas Schubert als Bauernopfer
  
  Im aktuellen Prozess deutet alles darauf hin, dass Andreas Schubert am
  bei der Urteilsverkuendung am 19. Januar 2012 schuldig gesprochen
  werden wird. Die Anklage gegen ihn wurde sogar auf das Tatvorgeschehen
  ausgeweitet. Schubert ist nunmehr auch wegen "fahrlaessiger Tötung"
  angeklagt, weil im Zuge des Revisionsverfahren fuer das Gericht
  deutlich wurde, dass die Umstaende der Ingewahrsamnahme von Oury
  Jalloh auf keiner Rechtsgrundlage basierten. Dafuer muss Schubert als
  damaliger Dienstgruppenleiter nun die Verantwortung tragen.
  
  Mit einem Schuldspruch von Schubert könnte das Gericht den Anschein
  erwecken, alles Erdenkliche im Fall Oury Jalloh getan zu haben. Doch
  aufgeklaert wurde gar nichts. Als Beweis fuer eine
  funktionierendeRechtsstaatlichkeit wird uns Schubert als Bauernopfer
  vorgefuehrt. ###
  
  Volltext:
  http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2012/01/06/von-polizisten-getotet-vom-staat-vertuscht/
  
  
  
  
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