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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 11. Jaenner 2012; 03:00
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Demokratie/Debatte:
> Linkes Orakel: Wird Strache Kanzler oder wohl eher doch nicht?
Laut Meinungsumfragen gibt es keine rot-gruene, dafuer aber, je nach 
Zeitpunkt, eine schwarz-blaue, sicher jedoch eine 
schwarz-blau(-orange) absolute Mehrheit[1]. Vom Zerfall der 
korruptionsgeschuettelten OeVP (Grasser, Strasser, Telekom, etc.) und 
der inhaltsleeren SPOe profitiert die - noch offensichtlicher in 
Korruption verstrickte (Hypo Alpe-Adria, Scheuch, ...) - FPOe! Und das 
ohne grosse Anstrengung. Die WaehlerInnen fallen ihr sozusagen fast 
von selbst zu. Selbst das durch den Scheuch-Putsch in Kaernten und das 
darauf folgende Ueberlaufen der dortigen BZOe-Spitzen schon 
totgeglaubte BZOe, das ebenfalls bis zum Hals in den 
Korruptionsgeschichten rund um die Hypo-Alpe-Adria und 
BUWOG-Privatisierung steckt, profitiert vom Waehlerschwund der OeVP. 
Was laeuft da falsch?
Elfriede Jelinek schreibt polemisch in "Der kleine Niko" (Link 1), die 
Sozialdemokratie sei endgueltig am Ende. Grund: Typen wie Niko Pelinka 
oder Laura Rudas wuerden das Bild beherrschen, das sich im 
Wesentlichen auf Folgendes zusammenfassen laesst: Inhaltsleere und 
Abschaffung demokratischer Kontrolle. Wie Sebastian Pumberger (Link 2) 
im Standard richtig antwortet, sind weder Niko noch Laura schuld am 
Desaster der SPOe, sondern sie sind nur ein Symptom einer 
tieferliegenden Krankheit, naemlich deren "radikaler Pragmatismus", 
also die strategische Fehlorientierung "Machterhalt um jeden Preis" 
und als deren Folge "inhaltliche Beliebigkeit bzw. Leere". In den 
Schlussfolgerungen bleibt Pumberger allerdings in einer typisch 
oesterreichischen Abwartehaltung und hofft, dass sich die SPOe, wenn 
sie, wie zu befuerchten ist, bald abgewaehlt und durch Blau-Schwarz 
ersetzt wird - vielleicht - in der Opposition wieder erneuert. Er gibt 
allerdings selbst zu, dass dies unter Schuessels Schwarz-Blau der "100 
sozialen Grauslichkeiten" ausgeblieben ist. Vielmehr zeigt diese 
Erfahrung in erschuetternder Weise, dass die SPOe auch noch in dieser 
verzweifelten Lage den "radikalen Pragmatismus" nicht aufgegeben und 
nach einigen schwaechlichen Protesten zu unglaublichen weiteren 
"pragmatischen" Verrenkungen faehig war. Von Erneuerung keine Spur!
Es bleibt also die schlechte Nachricht: "Es rettet uns kein hoeheres 
Wesen, kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun. Uns aus dem Elend zu 
erloesen, muessen wir schon selber tun!"[2] Wir koennen keineswegs auf 
die Sozialdemokratie hoffen, auch nicht auf die Gewerkschaftsfuehrung. 
Letztes typisches Beispiel: Sogar der als kaempferisch geltende 
scheidende Chef der Eisenbahnergewerkschaft Haberzettl hat seine 
Zustimmung zur "Schuldenbremse" angekuendigt. Der Hintergrund ist sehr 
ernst: Wir stehen am Beginn der 2. Welle der weltweiten 
Wirtschaftskrise, die unglaublich zerstoererische Wirkungen haben 
wird, die weit ueber der von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder 
Tsunamis liegen werden. In dieser Situation entmachtet sich die 
Politik selbst, legt sie sich selbst Fesseln an, um ihre 
Willfaehrigkeit gegenueber den "Maerkten" zu demonstrieren, 
international, so auch in Oesterreich. Sie schlaegt sich damit selbst 
das Instrumentarium, durch staatliche Massnahmen gegenzusteuern, aus 
der Hand. Und sie hofft auf die Gnade der durch 
Deregulierungsmassnahmen allmaechtig gemachten Maerkte - eine sehr 
gefaehrliche Illusion! Und: Die Sozialdemokratie macht mit, ohne 
Widerrede, ohne Warnung, auch deren - frueher als "kritische Geister" 
gehandelten Leute wie Nationalbankpraesident Novotny. Trotz dieser 
letzten Episode ideologischen Bankrotts gibt es keinen Aufschrei 
innerhalb der Partei, keine nennenswerte innerparteiliche 
Gegenbewegung.
In dieser Situation koennte man noch auf die Gruenen hoffen. Gut, die 
Gruenen haben sich in Bezug auf die Fluechtlinge anstaendig verhalten, 
sie haben sich beim Bildungsvolksbegehren fleissig engagiert und der 
Parlamentsclub hat eine vernuenftige Stellungnahme zur Schuldenbremse 
herausgegeben. Das alles bleibt aber ziemlich unglaubwuerdig, solange 
die Gruenen ebenfalls einem "radikalen Pragmatismus", diesmal unter 
der Devise, "wir wollen mitregieren" huldigen. Die Gruenen, zu 
Gruendungszeiten noch mit der Parole "Standbein ist die Bewegung, das 
Parlament ist das Spielbein" unterwegs waren, sind laengst im 
parlamentarischen Pragmatismus angekommen und zu einer stinknormalen 
Partei degeneriert. Sie koalieren beliebig mit SPOe oder OeVP und es 
gibt innerparteilich keine relevante Stroemung, die das kritisiert. 
Mit einer strategischen Orientierung, die das Ziel des Mitregierens 
zur obersten Maxime des Handelns macht, degeneriert jede Bewegung 
zwangslaeufig zur Allerweltspartei. Das macht sie unglaubwuerdig.
Was bleibt, ist die Notwendigkeit der Eigeninitiative. Es braucht 
nicht weniger als eine Bewegung von unten, um diese unheilvollen 
Entwicklungen zu stoppen und Widerstand dagegen aufzubauen. Es ist 
nicht wichtig, ob dies innerhalb der Sozialdemokratie, der Gruenen, 
der Gewerkschaft oder ausserhalb beginnt. Die Orientierung und vor 
allem das praktische Handeln entscheiden: Bewegungs- und 
aktionsorientiert, um die Menschen in Bewegung zu bringen und 
praktische Erfahrungen in der Selbstorganisation und mit den 
Gegenkraeften zu ermoeglichen, mit hoher Sensibilitaet in Bezug auf 
die Selbstverwaltung der Bewegungen im Sinne einer demokratischen 
Selbstorganisation, politischer Weitblick, d.h. solidarisches 
Sich-Beziehen auf andere Aspekte und Teile der Bewegungen, 
internationalistisch (um der nationalen Blickverengung und dem 
Fremdenhass entgegenzuwirken), antikapitalistisch (also das 
Bewusstsein, dass es letztlich ohne Bruch mit dem kapitalistischen 
System nicht geht), solidarisch, emanzipativ, auf die Jugend und 
Frauen orientiert und unsektierisch (also die Zusammenarbeit auch mit 
Personen und Organisationen suchen, die systemimmanent und 
reformistisch denken, die noch Bindungen an die eine oder andere 
Partei, Illusionen ueber das System oder sonstiger Art haben etc.). 
Entscheidend wird sein, eine solche aktive, aktivistische, streitbare, 
selbstbewusste, wertschaetzende, solidarische Kultur zu entwickeln, 
intelligente Initiativen zu planen und ueberall, wo sich Menschen 
gegen Diskriminierung und Ausbeutung zu wehren beginnen, praktische 
Unterstuetzung zu leisten. Kurz: Eine linke, solidarische, 
pluralistische Bewegung aufzubauen. Dann, aber auch nur dann, besteht 
eine reelle Chance, eine solidarische Alternative zur kapitalistischen 
Krise zu entwickeln und den Rechtspopulismus zu stoppen.
Es geht nicht darum, passiv abzuwarten, ob Strache Kanzler wird oder 
nicht. Es waere schlimm genug - und ist leider eine sehr reale 
Bedrohung - wenn die deutschnationalen, frauen-, fremden- und 
linkenfeindlichen militanten Burschenschaftler scharenweise in die 
Ministerien einziehen und uns allen das Leben sehr schwer machen 
wuerden, ob mit Strache als Kanzler oder Vizekanzler in einer 
Schwarz-Blauen Regierung. Es ist sehr leicht, schwer errungene 
Fortschritte zu zerstoeren. Verteidigen wir sie, stoppen wir den 
rechten Vormarsch, bauen wir eine solidarische Bewegung von unten auf! 
Die Kampagne "Wir fordern Steuergerechtigkeit!" (Link 3), die beim 
"Linken Ratschlag" am Samstag, 14. Jaenner von 11-17 Uhr im 
Ak-Bildungszentrum (1040, Theresianumg. 16-18, Seminarraum 13) 
beraten und vorbereitet wird, waere eine gute Moeglichkeit, damit zu beginnen.
*Wilfried Hanser* (bearb.)
Fussnoten:
[1] Siehe SPOe klar voran, Spindelegger hinter Strache 
(Standard-Umfrage vom 28.12.11): 30 SP, 26 FP, 23 VP, 14 Gruene, 5 
BZOe bzw. "SPOe und Freiheitliche liegen Kopf an Kopf", 
Standard-Umfrage vom 30.10.11 (27 SP/FP,
[2] Textpassage aus "Die Internationale"
Links:
1) http://a-e-m-gmbh.com/wessely/fpelinka.htm
2) http://derstandard.at/1325485754216
3) http://dl.dropbox.com/u/55348572/STEUERGERECHTIGKEIT_V9_PF.pdf
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