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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Dezember 2011; 01:38
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Kasachstan:
> Massaker am Feiertag
Regime laesst streikende Oelarbeiter von Militaer niedermetzeln
Seit Freitag, den 16. Dezember -- dem offiziellen 20. Jahrestag der
Unabhaengigkeit Kasachstans -- ist die im Westen des Landes gelegene
Stadt Schanaoesen von der Aussenwelt abgeschnitten. Alle
Zufahrtsstrassen zu der rund 90.000 Einwohner zaehlenden Oelstadt sind
von Polizei- und Militaereinheiten gesperrt, waehrend die
Stromversorgung, das Mobilfunknetz und alle Internetanbindungen
gekappt wurden. Der autokratisch regierende kasachische Praesident
Nursultan Nasarbajew verhaengte den Ausnahmezustand ueber die Stadt,
der mit einer naechtlichen Ausgangssperre und absolutem
Versammlungsverbot einhergeht.
Laut Augenzeugenberichten hatten zuvor am vergangenen Freitag gegen
elf Uhr vormittags Polizeieinheiten einen rund 3000 Personen
zaehlenden Demonstrationszug im Zentrum von Schanaosen angegriffen,
obwohl die Teilnehmer friedlich und unbewaffnet waren. Ein Polizeiauto
soll dabei in voller Fahrt in die Menschenmenge gerast sein. Bei den
daraufhin ausbrechenden Auseinandersetzungen gingen etliche
Regierungs- und Firmengebaeude in Flammen auf. Die Polizeikraefte in
der Stadt wurden von Militaereinheiten verstaerkt, die scharfe
Munition, Maschinengewehre und gepanzerte Fahrzeuge gegen die
unbewaffneten Kundgebungsteilnehmer einsetzten. Gewerkschafter
sprachen gegenueber Medienvertretern von 50 bis 150 getoeteten
Demonstranten, die diesem Massaker zum Opfer gefallen sein sollen,
ueber 500 Menschen seien verletzt worden. Augenzeugen berichteten von
Krankenwagenkonvois, die aus der Regionshauptstadt Aktau nach
Schanaoesen aufgebrochen sein sollen. Die Kliniken in der Region
seien »ueberflutet mit Verletzten«. Das Regime in Astana spricht von
elf Toten.
Dieses Massaker bildet den vorlaeufigen Hoehepunkt einer brutalen
Repressionskampagne, mit der das Regime Nasarbajews den Widerstand der
kasachischen Oelarbeiter zu brechen versucht. Seit rund sechs Monaten
kaempfen in der Region Mangghystau Tausende Beschaeftigte um
Lohnerhoehungen und bessere Arbeitsbedingungen. Die Betriebsleitung
des im Staatsbesitz befindlichen und eng mit chinesischen und
westlichen Oelmultis kooperierenden Konzerns KasMunayGas reagierte auf
die Streiks zuletzt mit der Entlassung von 2500 Arbeitern. Am 2.
August wurde der Gewerkschafter Zhaksylyk Turbaev von unbekannten
Taetern ermordet. Die Anwaeltin der entlassenen Arbeiter, Natalja
Sokolowa, wurde unter dem Vorwurf des »Schuerens sozialer Konflikte«
zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen die
sozialistischen Aktivisten und Gewerkschafter Esenbek Ukteschbajew und
Ainur Kurmanow nahm die kasachische Justiz Ermittlungen auf, die zu
einer mehrjaehrigen Freiheitsstrafe fuehren koennen.
Dennoch scheint die Repression des kasachischen Regimes den Widerstand
nicht gebrochen zu haben. Augenzeugenberichten zufolge sollen aus
Schanaoesen auch am Samstag noch Maschinengewehrsalven und
Granateneinschlaege zu hoeren gewesen sein, waehrend in der Stadt
immer noch Tausende Arbeiter und Jugendliche protestierten. Mehrere
tausend Oelarbeiter im benachbarten Kalamkas sollen ebenfalls in den
Ausstand getreten sein. Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten
und dem Repressionsapparat wurden auch aus der Ortschaft Schetpe
gemeldet, wo bei einer Bahnstreckenblockade offiziellen Angaben
zufolge ein Demonstrant erschossen und elf weitere verletzt wurden. In
Aktau versammelten sich am Sonntag Hunderte Menschen, um gegen das
Massaker und die Truppenpraesenz in der Region zu protestieren.
Kasachstan konnte zwar aufgrund seines Rohstoffreichtums in den
vergangenen Jahren enorme Wachstumsraten verzeichnen, doch der
Grossteil der Einkuenfte aus den Oelverkaeufen geht in die Taschen der
Klans im Umfeld von Praesident Nasarbajew. Waehrend diese schmale
Herrschaftskaste riesige Vermoegen anhaeufte, blieb ein Grossteil der
Arbeiterschaft und Bevoelkerung Kasachstans vom Rohstoffboom
ausgeschlossen.
(Tomasz Konicz/junge welt)
Quelle: http://www.jungewelt.de/2011/12-19/026.php
*
Kasten:
> Offensive Medienstrategie
Bemerkenswert ist, dass die ersten Berichte ueber das Geschehen durch
die kasachische Oberstaatsanwaltschaft verbreitet wurden, auf die sich
dann die Berichterstattung berief. Die Regierung verfolgte damit
offensichtlich eine Medienstrategie, schon vor den Berichten aus
Oppositionskreisen gehoert zu werden. Diese Strategie wurde derart
massiv verfolgt, dass kurz nach den ersten internationalen Berichten
aus anderen Quellen ebenfalls international reagiert wurde. Das
fuehrte soweit, dass sogar bereits 13 Stunden nach dem Beginn der
Auseinandersetzungen der Originaltextservice der APA bemueht worden
war. Dort heisst es unter anderem: "Friedliche Buerger, die sich auf
dem zentralen Platz versammelt hatten, um den 20. Jahrestag der
Unabhaengigkeit Kasachstans zu feiern, wurden von einer Gruppe von
Randalierern angegriffen. In einer eklatanten Verletzung der
oeffentlichen Ordnung griffen die Taeter ausserdem die Polizei an,
stellten den Weihnachtsbaum auf den Kopf und zerstoerten Jurten
(Zelte) sowie die Buehne, welche fuer die Feierlichkeiten auf dem
Platz errichtet worden waren. Sie setzten auch einen Polizeibus in
Brand. Die Gruppe von Randalierern begann, Zivilisten zu verpruegeln
und nahe des Platzes geparkte Autos zu zertruemmern. ... Das Buero des
Generalstaatsanwalts gemahnt die Organisatoren der Unruhen an ihre
Verantwortlichkeit gegenueber dem Gesetz und raet ihnen dringend, von
weiteren illegalen Aktivitaeten abzusehen." Interessant ist dabei
auch, dass schon zu diesem Zeitpunkt eine Zahl von zehn Toten von der
Behoerde genannt worden war -- vermutlich um andere Berichte, die
weitaus hoehere Zahlen nannten, schnell relativieren zu koennen.
(akin)
*
Kundgebung: Stoppt das Morden in Kasachstan
Kasachisches Konsulat, Wipplingerstr. 35, 1010 Wien
Donnerstag, 22.12.2011, 11h
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