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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 21. Dezember 2011; 01:29
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"Krise"/Debatten:

> Das Europa der Schuldenbremser

Wo bleibt ein neokeynesianischer Ansatz?

Der medial gross aufgezogene Bruesseler Gipfel ist zu Ende. Das
Einzige was real unter dem Strich rausgekommen ist, ist die
Mythologisierung des "Sparens" in Gestalt der "Schuldenbremse". Das
neoliberale Dogma des "Sparens" bei den oeffentlichen Haushalten
erlebte eine neuerliche Inthronisierung. Gegen "Defizitsuender" gibt
es "Sanktionen". All das erfolgt ueber die Koepfe der Bevoelkerung
hinweg- Volksabstimmungen koennten da ja nur "stoerend" sein...

Die weiteren Ergebnisse von Bruessel sind eher duerftig. Die
Eurorettungsschirme werden aufgestockt. Die "Eurobonds" (also
billigere Anleihen fuer alle EU-Laender) blieben auf der Strecke.
Sogar dem "Presse"-Leitartikler Michael Fleischhacker daemmert, dass
damit nichts Wesentliches bewegt wurde. Die oekonomischen Unterschiede
der EU-Staaten, die letztlich fuer die gegenwaertigen Euro-Turbulenzen
sorgen, werden dadurch in keiner Weise tangiert.

Nicht einmal eine Hauch von -- sozialem -- Neokeynesianismus wurde in
Bruessel anvisiert. Wer darin bloss eine "schlechte Wahl" sieht,
verkennt die Funktion einer kapititalistischen Krise. Sie dient der
allgemeinen "Entwertung" des fixen (Maschinen) wie des variablen
Kapital (Kosten der Ware Arbeitskraft; u.a. durch Anschwellen der
industriellen Reservearmee -- also der Zahl der Arbeitslosen). All das
macht erneute Investitionen wieder (mehr) rentabel. Die Aktivitaeten
des buergerlichen Staates folgen zumeist diesem Zyklus.

Der Verweis auf die Alternative des New Deal in den USA der Dreissiger
Jahre geht zu einem Gutteil daneben. Das Gegensteuern der US-Regierung
unter Roosevelt (u.a. durch Infrastrukturinvestionen) hatte nur
begrenzt Erfolg. Erst mit dem Zweiten Weltkrieg (Ruestungskonjunktur,
Aufsaugen des Arbeitslosenheers durch Eintritt in die Armee...) kam
die Wirtschaft wieder kraeftig auf Touren.

Merkozy haben mit Bruessel deutlich ihre Handschrift gezeigt. Der
britische Imperialismus unter der konservativen Fuehrung Camerons
blieb diesmal draussen -- er will sich seine Sonder-Priviliegien (u.a.
die des Finanzumschlagplatzes London) nicht nehmen lassen.

In die Tat umgesetzt werden die Bruesseler Beschluesse zur Folge
haben: noch weniger Ausgaben bei Sozialem und Bildung. Die
Arbeitslosenzahlen werden in die Hoehe gehen, das Prekariat wird sich
weiter ausbreiten. Es wird noch mehr Jugendarbeitslosigkeit geben --
obwohl sie in in einigen Laendern schon jetzt unvorstellbare
Rekordwerte hat. Und natuerlich wird's kein Geld fuer oekologisch
sinnvolle Massnahem geben.

Faymann und das Vertrauen der Finanzmaerkte

Ein graessliches Schauspiel an Servilitaet gegenueber den
oekonomischen Interessen des Kapitals bietet die oesterreichische
Bundesregierung mit dem Sozialdemokraten Faymann an der Spitze. Da
werden die Bruesseler Beschluesse gefeiert, nur mehr argumentiert,
dass es darum geht "wieder das Vertrauen der Finanzmaerkte" zu
gewinnen. Am "Warenschleier" (Marx) wird gewoben und dem Geld-Fetisch
gehuldigt, als wuesste man nicht, dass hinter den verdinglichten
oekonomischen Erscheinungen gesellschaftlichen Vehaeltnisse, konkret
Klassen mit ihren spezifischen Interessen und Institutionen stuenden.

Da wird der erneute Versuch unternommen, die Opposition doch noch
dafuer zu gewinnen, dass die Schuldenbremse Verfassungsrang bekommt.

Und da schreitet man bereits daran, ein neuerliches Sparpaket zu
schnueren: an 1,5 Milliarden oder auch mehr ist gedacht...

Natuerlich kann man/ frau angesichts von all dem resignieren, die
Haende in den Schoss legen -- ev.garniert mit einigen "kritischen"
Sagern am Wochenende. Oder -- wie derzeit die oesterrechische Linke --
jeder seinen kleinen Privat-Verein weiterbetreiben.

Wer jedoch ein Minimum an politischem Verantwortungsgefuehl aufbringt,
kann nicht tatenloszusehen, wie in jahrzehntelangem, muehsamen Kampf
dem Kapital abgetrotzte oekonomische und soziale Errungenschaften
einfach den Bach runtergehen. Deshalb gilt es die ersten gemeinsamen
solidarischen Schritte einer rifondazione (Neugruendung) der
oesterreichischen Linken zu setzen.
*Hermann Dworczak*



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