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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 30. November 2011; 02:39
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Deutschland/Initiativen/Lobbyismus:

> Ehre, wem Ehre gebuehrt

Erstmalige Verleihung der deutschen Lobbykratie-Medaille


Die deutsche LobbyControl verleiht in diesem Jahr erstmalig die
Lobbykratie-Medaille, den Negativpreis fuer undemokratische
Lobbyarbeit. Lobbykratie bedeutet, dass der Lobbyismus in der heutigen
Form eine Gefahr fuer die Demokratie geworden ist. Auf Grund fehlender
Transparenz findet die meiste Einflussnahme im Dunkeln statt und viele
Methoden sind aeusserst fragwuerdig. Vorbild der deutschen
Lobbykratie-Medaille ist der Bruesseler "Worst EU Lobbying Award", den
LobbyControl im Buendnis mit anderen europaeischen NGOs vergibt.
Dieses Jahr pausiert der Bruesseler Preis, deswegen will Lobby Control
diesmal sich auf die Lobbyisten im eigenen Land konzentrieren.. Am
7.Dezember wird der Preis vergeben. Als einer der Favoriten gelten die
Deutsche Bank und Josef Ackermann, deren nun scheidender
Vorstandsvorsitzenden.

Griechenlandrettung als Bankenrettung

Die Deutsche Bank und Ackermann als Vorsitzender des Institute of
International Finance (IIF) sind nominiert, weil sie ueber einen
privilegierten Zugang die guenstigen Konditionen fuer die
Finanzbranche bei der Griechenland-Rettung praegten und sich zugleich
nach aussen irrefuehrend als hart getroffen darstellten.

Die Finanzbranche hat ueber viele Jahre Lobbyarbeit fuer eine schwache
Regulierung gemacht. Die Deutsche Bank etwa hat das Programm
Seitenwechsel mitinitiiert, das dazu beitrug, dass zahlreiche
Lobbyisten der Finanzbranche zeitweise im Finanzministerium arbeiteten
und dort an wichtigen Gesetzen mitschrieben. Als dann die Finanzkrise
ausbrach, praegte der Finanzsektor die Rettungspakete mit: Milliarden
flossen in die Rettungen von Banken, die oeffentliche Verschuldung
stieg stark an. Dies war ein wichtiger - aber nicht der einzige -
Faktor der Eurokrise. Um die oeffentlichen Mittel zur Euro-Rettung zu
rechtfertigen, wollte Deutschland deshalb die Banken an den Kosten
beteiligen. Frankreich war unter dem Druck der einheimischen Banken
dagegen. Der Kompromiss war eine freiwillige Beteiligung des
Finanzsektors - die die Finanzbranche aufgrund ihrer starken
politischen und oekonomischen Machtstellung nach ihren Vorstellungen
praegen konnte.

Die Deutsche Bank arbeitete frueh daran, die private Beteiligung
mitzugestalten. Im Mai 2011 schickte sie ein vertrauliches Papier mit
konkreten Vorschlaegen an das Bundesfinanzministerium. Ziel dieser
"Proposals for Greek liability management exercise - burden sharing
without haircuts" war es, einen Zahlungsausfall und damit Verluste der
Banken zu vermeiden.

Einzelne Punkte aus diesem Schreiben tauchen Anfang Juni inhaltlich -
wenn auch nicht woertlich - in einem internen Arbeitspapier des
Bundesfinanzministeriums an die uebrigen EU-Regierungen auf. Das
Finanzministerium bestaetigte den Eingang des Deutsche
Bank-Vorschlags, bezeichnete es jedoch als "voelligen Humbug", dass es
sich "die eigene Position von Akteuren des Privatsektors bestimmen
beziehungsweise beim Verfassen von Papieren sich von diesen helfen
lassen wuerde".

Bei den weiteren Verhandlungen uebernahm das Institute of
International Finance (IIF) als internationale Lobbyorganisation der
Finanzbranche die zentrale Rolle. Nach Informationen des Wall Street
Journal diente ein Papier des IIF nach einem Treffen mit EU-Kommissar
Olli Rehn am 12. Juli 2011 als "Roadmap" fuer die weitere
Vorgehensweise zur Beteiligung privater Glaeubiger. An den
endgueltigen Verhandlungen am 21. Juli 2011 ueber die Gestaltung des
zweiten Rettungspakets fuer Griechenland nahm Josef Ackermann als
Deutsche Bank-Chef und Vorsitzender des IIF persoenlich teil, sowie
Baudouin Prot von der franzoesischen BNP Paribas, ebenfalls
IIF-Vorstandsmitglied.

Die Bankenlobby wurde also nicht nur im Vorlauf der Entscheidungen um
ihre Einschaetzung gefragt; sie war offizieller Teil bei den
abschliessenden Verhandlungen und verfuegte so ueber einen bevorzugten
Zugang zu den Regierungschefs wie Angela Merkel, der demokratischen
Prinzipien entgegen laeuft.

Am Ende stand ein gutes Ergebnis fuer die Banken: sie konnten ihre
gefaehrdeten Anleihen zu guenstigen Konditionen in laengerfristige,
europaeisch abgesicherte Anleihen umtauschen. Ausserdem wurde der Plan
einer Bankensteuer fallen gelassen. Das IIF hatte unter Fuehrung von
Josef Ackermann erfolgreich die Interessen der Banken vertreten.
Dennoch gab Ackermann in den Medien den hart belasteten Banker: "Ja,
es trifft uns hart, das sind Abschreibungen von 21 %, die wir auf die
Positionen nehmen, also auf die griechischen Positionen."

De facto beruhten die Beschluesse selbst auf den Vorschlaegen des IIF
und der angebliche Verzicht der Banken auf 21% ihrer Forderungen
beruht auf eigenen Kalkulationen der Banken ueber zukuenftige
geringere Zinseinkuenfte. Andere Experten kritisierten die zugrunde
gelegten Annahmen und argumentierten bei anderen Annahmen waere der
Verlust der Banken fast Null. Insgesamt kritisierten die meisten
Experten, dass die Beteiligung des Finanzsektors zu niedrig sei und
Griechenland einen staerkeren Schuldenschnitt brauche.

Als es im Oktober Ueberlegungen fuer Nachverhandlungen der
Glaeubigerbeteiligung gab, wehrten sich das IIF und Ackermann
zunaechst massiv dagegen. Erst angesichts der desastroesen Lage
Griechenlands kam es erneut zu Verhandlungen zwischen Politik und
Finanzbranche hinter verschlossenen Tueren, an denen Ackermann
mitwirkte. Nun sollen sich die privaten Glaeubiger mit 50% beteiligen.
Auf dem Markt sind allerdings viele der Griechenland-Anleihen weniger
als 50% wert. Der Verzicht wird zudem durch eine zusaetzliche
staatliche Absicherung der neuen Anleihen in Hoehe von 30 Mrd. Euro
versuesst. Weitere Details wie etwa die Zinssaetze der neuen Anleihen
sind noch offen. Dazu gibt es ein Programm zur Bankenkapitalisierung,
wobei Ackermann verhindert hat, dass der Deutschen Bank eine
Zwangskapitalisierung durch staatliche Gelder droht und der Staat
damit Einflussmoeglichkeiten auf die Bank bekommt.

Die Entlastung fuer Griechenland bleibt auch mit den
Oktoberbeschluessen begrenzt und die Banken haben keine weitergehenden
Eingriffe in ihre Geschaefte zu befuerchten. Mit der Mischung aus
privilegiertem Zugang und einer irrefuehrenden Aussendarstellung, dass
die freiwillige Glaeubigerbeteiligung die Banken hart treffe, haetten
Deutsche Bank und Josef Ackermann als Vertreter der internationalen
Finanzlobby die Lobbykratie-Medaille verdient - auch wenn klar ist,
dass die Regierungschefs und Finanzminister Deutschlands und der
anderen Euro-Laender selbst eine Verantwortung fuer diesen einseitigen
Zugang der Finanzlobby mittragen.

Drueckerkolonne in der Schule

Ebenfalls fuer den Preis nominiert ist die DVAG: Die Deutsche
Vermoegensberatung AG ist mit rund 37.000 Handelsvertretern der
groesste Vertrieb von Finanzprodukten in Deutschland. Die Mitarbeiter
der DVAG bekommen Provisionen, wenn sie ihren Kunden
Lebensversicherungen, Privatpensionen oder Bausparvertraege verkaufen.
Weil dies im Rahmen von Hausbesuchen geschieht, bezeichneten Kritiker
das Unternehmen einst als groesste Drueckerkolonne Deutschlands.
Sorgen machen dem Finanzvertrieb derzeit Initiativen der
Bundesregierung zur Verbesserung des Verbraucherschutzes. Im
zustaendigen Ministerium gibt es Plaene, die Jagd der
Vermoegensberater nach Provisionen zu reglementieren und die
unabhaengige Beratung der Kunden gegen Honorar zu foerdern.

Um ihr Image aufzubessern, gibt die DVAG viel Geld fuer Eigenwerbung
aus. Gezahlt wird fuer PR-Veranstaltungen mit Michael Schumacher oder
Benefiz-Aktionen wie "Ein Herz fuer Kinder". Als Ausdruck der eigenen
"gesellschaftlichen Verantwortung" praesentiert die Firma auch ihre
Aktivitaeten im Bereich der Lehrerfortbildung. Als einer der
Hauptsponsoren der Initiative "Handelsblatt macht Schule" hat die DVAG
die Kosten fuer Erstellung, Druck und Versand einer Unterrichtseinheit
zur "Finanziellen Allgemeinbildung" uebernommen. Sie ist im Maerz 2011
in einer Auflage von 10.000 Stueck erschienen und kann von Lehrern
kostenlos bestellt werden. Laut Auskunft des Handelsblatts wird von
dieser Moeglichkeit eifrig Gebrauch gemacht. Bekanntermassen haben
viele Schulen wenig Geld und sind deshalb fuer Gratismaterial dankbar.

Offizielle Autoren der Unterrichtseinheit sind drei Mitarbeiter des
Instituts fuer oekonomische Bildung in Oldenburg. Der stellvertretende
Chefredakteur des Handelsblatts stellt in seinem Vorwort jedoch klar,
wie sehr er sich ueber das Fachwissen freut, das die DVAG zu den
Texten beigesteuert hat. Dem Bundesverband der Verbraucherzentralen
zufolge sind viele Informationen in dem Lehrmaterial "oberflaechlich
und einseitig". Als Beispiel wird das Firmenportraet angefuehrt, das
der Chefvolkswirt der DVAG fuer die Unterrichtseinheit verfasst hat.
Eine Leseprobe: "Vermoegensberater zu sein ist eine spannende
Taetigkeit, mit der man auch nebenberuflich - z.B. neben dem Studium -
beginnen kann." Bei der Vermoegensberatung, so heisst es weiter, gehe
es allein um "die persoenlichen Wuensche und Ziele der Kunden". Also
nicht etwa um die Provisionen der Berater.

Als einziger Praxiskontaktpartner in Sachen finanzieller
Allgemeinbildung wird die DVAG empfohlen. Die Lehrer werden dazu
aufgefordert, einen Vertreter der Vertriebsfirma zu
Expertengespraechen und Rollenspielen mit den Schuelern einzuladen.
Auf der Internetseite eines Gymnasiums aus Bremerhaven kann man
nachlesen, wie der DVAG-Vertreter seine Taetigkeit den Schuelern
nahebringt. Zitat: "Wir sind sozusagen der Hausarzt fuer die
finanziellen Sorgen und Noete der Menschen."

Die sonstigen Kandidaten fuer den Negativpreis

- Gauselmann AG: Nominiert, weil die Spielautomaten-Firma es geschafft
hat, ueber eine Million Euro an Parteien zu ueberweisen, ohne in den
Rechenschaftsberichten dieser Parteien aufzutauchen.

- Bundesverband Medizintechnologie & Agentur Weber Shandwick:
Nominiert, weil sie Patientenvertretungen fuer eine vermeintliche
Graswurzelkampagne instrumentalisiert hat, um erfolgreich die
Umsetzung einer Reform der Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln
zu verhindern.

- RWE & Bundesanstalt fuer Geowissenschaften und Rohstoffe: Nominiert,
weil das Energierunternehmen RWE zwei Mitarbeiterstellen in einem
Forschungsprojekt der Bundesanstalt finanziert hat, welches
Vorschlaege fuer ein verbindliches Regelwerk zum Einsatz der
CCS-Technologie ("Carbon Capture and Storage", also Abscheidung und
dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid) in Deutschland erarbeiten
sollte.
(lobbycontrol/akin)


Quelle (mit vielen weiteren Links):
http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/category/lobbykratie-medaille/



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