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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 23. November 2011; 04:24
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Volkswirtschaft/Kommentar:
> Schuldenbremse: SozialdemokratInnen als 'nuetzliche Idioten'?
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Bremsen sind eine Familie aus der Unterordnung der Fliegen
(Brachycera) in der Ordnung der Zweifluegler (Diptera) und gehoeren zu
den blutsaugenden Insekten. Sie beissen nicht nur Menschen, sondern
auch andere wechsel- und gleichwarme Tiere. (Wikipedia)
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Nun ist sie also erst einmal im Ministerrat beschlossen. Die
'Schuldenbremse':
* Ab 2017 sollen Bund, Laender und Gemeinden einen "strukturell
ausgeglichenen"* Haushalt erstellen, was erreicht ist, wenn das
'strukturelle' Defizit(1) nicht ueber 0,35 % des BIP liegt. Ausnahmen
von dieser Defizitschranke sollen nur bei "Naturkatastrophen" oder
"ausserordentlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates
entziehen" zulaessig werden (mit einfacher Mehrheit zu beschliessen).
Zumindest die automatischen Stabilisatoren (z.B. Arbeitslosengeld)
koennen auch in konjunkturellen Krisenzeiten wirken.
* Wird das Defizitziel verfehlt, wird der "Ueberhang" in einem
Kontrollkonto vermerkt. Ueberschreitet das zulaessige Bundesdefizit
statt der 0,35 % auch noch 1,5 % des BIP, muss diese Ueberschreitung
"konjunkturgerecht" abgebaut werden, sprich es muss ein entsprechender
Plan vorgelegt werden (im Fall der Laender und Gemeinden, wird diese
Ueberschreitung in einem gemeinsames Kontrollkonto der Laender
erfasst, wenn Ueberschreitungen im Ausmass von 0,25 % des BIP
stattfinden. Ansonsten gilt fuer Laender und Gemeinden ein
Nulldefizit).
* Die "magische Grenze" ("Der Standard" vom 16. November 2011) von 60
% maximaler Staatsverschuldung findet sich im Gesetzesentwurf zwar
nicht, allerdings ein Hinweis auf bisher gueltige EU-Vorschriften in
Sachen Staatshaushalt. Bund, Laender und Gemeinden muessen
sicherstellen, "dass die Verpflichtungen der Republik Oesterreich aus
Rechtsakten der Europaeischen Union zur Einhaltung der
Haushaltsdisziplin erfuellt werden." (Quelle: Der Standard,
Printausgabe vom 16. November 2011, Die Presse vom 17. 11. 2011:
"Regierung steigt bei Schuldenbremse aufs Gas")
Soweit zu den Plaenen. Noch ist die "Schuldenbremse" nur
Ministerratsbeschluss. Um Verfassungsgesetz zu werden, braucht es eine
Zwei-Drittel-Mehrheit. Und - noch ? - zieren sich die
Oppositionsparteien.
Abermilliarden an Konsolidierungsbedarf
Hinsichtlich einer oekonomischen Bewertung einer "Schuldenbremse" und
ihrer Wirkung auf Beschaeftigung, Wachstum und konjunktureller
Entwicklungen sei an dieser Stelle auf ein Kommentar auf dem BLOG des
BEIGEWUM, auf einen AK-Antrag der AUGE/UG zur 156. AK-Vollversammlung
sowie der IMK-Appell gegen die deutsche Schuldenbremse aus dem Jahr
2009 verwiesen. Wie fatal und aberwitzig eine "Schuldenbremse" wirken
kann, haben nicht zuletzt die Budgetverhandlungen in den USA gezeigt,
wo eine kleine radikale Minderheit von religioesen "Tea
Party"-Fundis - fuer die jeder Cent mehr Vermoegenssteuer und jeder
Dollar zusaetzlicher Verschuldung offensichtlich ein mit Hoelle zu
bestrafendes Teufelswerk darstellt - zuerst die Oekonomie einer ganze
Nation in Geiselhaft fuer ihre wahnhaften Vorstellungen genommen hat,
um schliesslich eine wahre Kuerzungs- und Streichorgie bei (in den USA
ohnehin bescheidenen) Sozialmassnahmen, Gesundheit und Bildung
durchzusetzen. Amen!
Nicht vergessen werden sollte auch, dass mit der geplanten
"Schuldenbremse" ein bereits beschlossenes bzw. bestehendes Buendel an
Budgetrestriktionen noch um ein weiteres ergaenzt wird. Eine Auswahl?
* Erinnert sei etwa an das Bundesfinanzrahmengesetz, das
Ausgabeobergrenzen vorsieht, und nachdem bereits der
Budgetkonsolidierungspfad bis 2014 beschlossen wurde.
Konsolidierungsbedarf bis 2014 insgesamt (nur Bund): rund 12,6 Mrd.
Euro, davon rund 4,5 Mrd. einnahmeseitig, 8,1 Mrd. ausgabeseitig.
* Erinnert sei an die im Rahmen des "Six-Pack" beschlossene
Verschaerfung des Stabilitaets- und Wachstumspakts. Etwa an die
"Ausgaberegel", die da besagt, dass das jaehrliche Wachstum
oeffentlicher Ausgaben die mittelfristige BIP-Wachstumsrate
grundsaetzlich nicht ueberschreiten darf.
* Oder die "Schuldenregel", die eine Rueckfuehrung der Staatsschuld
auf 60 % des BIP verlangt. Liegt die Schuldquote ueber 60 % muss sich
der Abstand ueber die letzten drei Jahre hinweg um durchschnittlich
1/20 pro Jahr verringern. Fuer Oesterreich mit einer gesamtstaatlichen
Schuld 2010 von rund 71,8 % des BIP (Statistik Austria) ergaebe sich
somit ein "Rueckfuehrungsbedarf" von 34 Mrd. Euro, also im ersten
"Rueckfuehrungs-Jahr" von zusaetzlich 1,7 Mrd. Euro (und die
Folgejahre entsprechend etwas weniger)! Prognostiziert wird bis 2014
allerdings eine Staatsschuld von knapp ueber 75 % (2012: 74,6 %, 2013:
75,5 % siehe Standard-Grafik) des BIP. Der "Rueckfuehrungsbedarf"
wuerde sich dann auf eine Summe von rund 45 Mrd. Euro belaufen!
Uebrigens: laut Standard vom 16. November und Aussagen so mancher
OeVP-PolitikerInnen (wieder einmal Fekter im Morgenjournal vom 15.
November 2011) soll Oesterreich dieses Ziel bis zum Jahr 2020
erreichen - das wuerde, beginnend mit 2015 Jahr fuer Jahr einen
zusaetzlichen Konsolidierungsbedarf von rund 9 Mrd. Euro ergeben!
Kommt nun auch die Schuldenbremse - also die Reduktion des
'strukturellen Defizits' bis 2017 auf 0,35 % - beliefe sich der
Konsolidierungsbedarf - bezogen auf das Jahr 2012 - auf zusaetzliche
rund 9,2 Mrd. Euro im (Konsolidierungsbedarf bezogen jeweils auf das
Vorjahr beginnend mit 2013 dem Jahr, in dem die Schuldenbremse zu
laufen beginnt: 1,58 Mrd. Euro, 2014: 1,7 Mrd. Euro, 2015: 1,84 Mrd
Euro, 2016: 1,99 Mrd. Euro, 2017: 2,14 Mrd. Euro, Quelle: Bruno
Rossmann, Einschaetzung Schuldenbremse)
Abermilliarden, Abermilliarden und noch einmal Abermilliarden ... Und
waehrend die SPOe noch darauf hofft, die OeVP doch noch von einer
"Reichensteuer" ueberzeugen zu koennen (die - ginge es nach dem
SPOe-Modell - gerade einmal 2 von notwendigen ueber 9 Mrd. Euro
aufbringen wuerde!), weiss die OeVP schon recht genau, wo das Geld
fuer die Konsolidierung und die "Schuldenbremse" zu holen ist: bei den
Ausgaben. Bei Pensionen, Gesundheit, bei den OeBB ... ueberall dort, wo
"Rotes" vermutet wird. Dafuer soll es - der OeVP-Klassiker - mehr Geld
fuer die "Familien" geben, um den "Mittelstand" zu entlasten, so
Fekter im Morgenjournal vom 15. November, "weil diese bislang
steuerlich kaum gefoerdert wuerden." Nun fragt sich jede/r der
zuhoert, wo die Frau Fekter eigentlich lebt - gibt es doch kaum ein
anderes Land in der westlichen Hemisphaere in dem es so grosszuegige,
teure und gleichzeitig hinsichtlich der Armutsvermeidung so
ineffiziente Familienleistungen gibt, wie in Oesterreich -, aber was
schert's eine g'standene Konservative. Wirtschaftsminister
Mitterlehner spricht gar allen Ernstes von "Zukunftsinvestitionen",
wenn er davon spricht, Familientransfers zu erhoehen und kuenftig
inflationsangepasst auszuzahlen. "Voodoo"-Oekonomie war gestern.
"Schottergruabn-Oekonomie" ist heute.
"Wer bringt 'Blau-Schwarz' die Zwei-Drittel-Mehrheit?", oder
"Sozialdemokraten als 'nuetzliche Idioten'?"
Anbetrachts einer allgemein herrschenden bzw. herbeigeschriebenen
'Schuldenhysterie' mit kolportiertem drohenden Verlust des Triple-A
haben sich nun scheinbar auch die SozialdemokratInnen dazu
entschlossen, dem Verein der "Schuldenbremser" beizutreten. Die
Konservativen freut's. Nun haben sie - endlich! - wieder die
Definitionshoheit darueber, was denn Krise ist, wo sie herkommt und
wie sie zu bekaempfen ist. Ja, die Finanzmaerkte und ihre Agenten sind
gnadenlos. An eine Zuechtigung derselben sei allerdings natuerlich
nicht zu denken. Wie sagte nicht schon Frau Finanzministerin im Rahmen
ihrer Budgetrede? "Ratingagenturen sind dabei die Schiedsrichter und
wer die Spielregeln nicht einhaelt, bekommt die gelbe oder rote Karte.
Ich moechte fuer Stabilitaet fuer eine sichere Zukunft und deshalb
werden wir uns an die Spielregeln halten."
Und die heissen nun mal sparen. Nicht bei den Banken, nein da steht
Finanzministerin mit sechs Milliarden Euro bei Fuss, wenn die
Unterstuetzung brauchen. Fekter weiss, wem sie als Strammkonservative
was schuldig ist. Irrtuemlicherweise wird das immer noch
"Wirtschaftskompetenz" genannt.
Nein, gespart werden soll - wie schon oben erwaehnt - bei allem was
der Sozialdemokratie gut, schoen und heilig ist. Wie belaemmert wirkt
sie, ein Klubobmann Cap erbloedet sich nicht, die "Erfindung" der
Schuldenbremse im Rahmen eines runden Tisches fuer die
"Sozialdemokratie" zu reklamieren. Gut, fuer die deutsche, aber
wurscht. War vor etlichen Wochen eine Schuldenbremse im
Verfassungsrang undenkbar ist nun ploetzlich alles ganz anders. Und
Legionen an SPOe-MandatarInnen ruecken aus, um ueber
Presseaussendungen den Schwenk, der nicht zu erklaeren ist, zu
erklaeren. Einmal mehr wurde die Banken- und Finanzkrise in eine
Staatsschuldenkrise umgedeutet. Die Sozialdemokratie ist dabei. Sie
war - als Regierungspartei mit Kanzler dabei, als im EU-Rat die
Verschaerfungen des Stabilitaets- und Wachstumspakts beschlossen
wurde. Als EU-Partei hat sie sich ihre dahingehende Unschuld bewahrt.
Als oesterreichische Regierungspartei spielt sie nun den nuetzlichen
Idioten fuer eine neokonservative politische Agenda, die darauf
abzielt, den Sozialstaat massiv rueckzubauen und die Privatisierung
voranzutreiben. Wie sonst soll in dieser Geschwindigkeit, in diesem
Ausmass, in dieser Radikalitaet ein Rueckbau an Staatsschulden und
Defiziten stattfinden? In der OeIAG sitzt an den Schalthebeln schon
der Oberprivatisierer schlechthin. Und wenn es vielfach auch scheint,
als wuesste die Finanzministerin nicht, wovon bzw. was sie daher
redet, sie weiss genau, was ihre Mission ist. Verblueffend auch die
Schockstarre in die Gewerkschaften und Arbeiterkammern gefallen sind
(die wurde zumindest gewerkschaftsseitig mit einem Interview im
Mittagsjournal vom 17. November 2011, in dem sich OeGB-Praesident
Foglar kritisch bis ablehnend aeusserte vorerst einmal geloest). Sie -
in der Mehrheit sozialdemokratische GewerkschafterInnen - wissen nur
allzu gut, was ihnen da die Regierungspartei SPOe eingebrockt hat. Mit
der Schuldenbremse stimmt die Sozialdemokratie fuer massive
Sparpakete. Erbringt eine Vorleistung fuer Schwarz-Blau.
Zweiterer Part des Farbenpaars des Grauens wird allerdings davor
hueten, einer "Schuldenbremse" - uebrigens eine Dauerforderung der
FPOe - zuzustimmen. Nein, so bloede sind Strache und die Seinigen
nicht. Die Drecksarbeit sollen andere machen - aus vermeintlicher
Staatsraeson, aus Ueberzeugung. Er darf dann zur naechsten
Nationalratswahl die massiven Sparpakete bei PensionistInnen,
Arbeitslosen, Kranken etc. beklagen und bejammern und die Schuld weit
von sich auf die Systemparteien SPOe, OeVP und - ja und wen noch ? -
schieben, die "Milliarden nach Griechenland und in die EU" verschieben
und die oesterreichische Bevoelkerung dafuer darben lassen.
Keine 'linke' Stimme fuer eine 'rechte' Agenda!
Also - wer gibt sich fuer die Zwei-Drittel-Mehrheit her, das ist die
entscheidende Frage. In einer JournalistInnen- und "ExpertInnen"runde
anschliessend an das gestrige Abendjournal ging dieselbe
erstaunlicherweise davon aus, dass die Stimmen fuer die erforderliche
Zwei-Drittel-Mehrheit von den Gruenen kommen wuerden.
Erstaunlicherweise deshalb, weil diese derzeit die einzige
Oppositionspartei darstellen, welche aus grundsaetzlichen Erwaegungen
einer Schuldenbremse ablehnend gegenueber steht. Allerdings sind die
gruenen "Parteistrategen" - wer immer das ist - hinsichtlich ihrer
"Strategie" beruechtigt. Und das ist nicht unbedingt als Kompliment
aufzufassen.
Die Gruenen sind jedenfalls gut beraten, jegliche Zustimmung zu einer
Schuldenbremse von vorhinein auszuschliessen. Waren die Gruenen schon
auf EU-Ebene- richtigerweise - gegen die Verschaerfungen des
Stabilitaets- und Wachstumspakts, waere es nur konsequent - und nicht
weniger richtig - auch auf oesterreichischer Ebene klar "Nein" zu
einer politischen Agenda zu sagen, die keine Gruene ist.
Es waere auch - um es vorsichtig auszudruecken - ausgesprochen
seltsam, wuerde eine sich "fortschrittlich" verstehende
Oppositionspartei einer Regierungspartei Mittel zu einem massiven
Kahlschlag bei Sozialem und Bildung in die Hand geben, wohl wissend,
dass die extreme Rechte sie fuer diese Sparpakete mitverantwortlich
machen wuerde. Es ist zu hoffen, dass auch die "gruenen"
Parteistrategen das aehnlich sehen.
Nein, wenn die Rechtsparteien - OeVP, FPOe und BZOe - eine
Schuldenbremse wollen, dann sollen sie dazu stehen, sagen wo sie
sparen wollen, und entsprechende Mehrheiten suchen. Fuer eine
Zwei-Drittel-Mehrheit reicht diese Koalition der
"Schottergruabn-Oekonomie" gluecklicherweise nicht. Es kommt nicht
zuletzt auf die Sozialdemokratie und den ihr nahestehenden
GewerkschafterInnen an, ob es zu einer Rueckkehr der Vernunft, oder
ein ideologisches - und zu befuerchtendes - politisches Comeback von
Schwarz-Blau kommt. Das kann die Sozialdemokratie allerdings wohl doch
nicht wollen...
(Markus Koza, Die Alternative)
*
1) Anm. akin: Unter einem strukturellen Defizit versteht man das um
konjunkturelle Wirkungen bereinigte Defizit.
Quelle:
http://diealternative.org/belvederegasse/2011/11/schuldenbremse-sozialdemokratinnen-als-nutzliche-idioten/
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