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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 9. November 2011; 00:18
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Wien:
> Epizentrum geraeumt
Am 8.November gegen 11 Uhr wurde das Epizentrum geraeumt. Ein
Grossaufgebot an Polizei drang in das Haus ein, darueber kreiste ein
Hubschrauber und vor dem Haus wartet ein Panzerwagen auf seinen
eventuellen Einsatz. Das Graetzel war zeitweilig fuer jeglichen
Strassenverkehr gesperrt. Zu Festnahmen soll es Berichten zufolge
nicht gekommen sein.
Video von der Raeumung: http://www.youtube.com/watch?v=hSuy7aHv_OY
Am Dienstag abend war dann fuer 18h zu einer Spontandemo mobilisiert
worden. Mehr als 150 Leute sollen sich beteiligt haben. Beim
Getreidemarkt kam es um 20 Uhr zu einem Polizeikessel, der rund 3
Stunden lang aufrechterhalten wurde. Ergebnis laut
nochrichten.net: -zig Identitaetsfeststellungen und vier Festnahmen.
(akin)
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> Innere Widersprueche
Waere das Haus nicht geraeumt worden, haette das Projekt auch an
seinen eigenen inneren Widerspruechen scheitern koennen. Denn kurz vor
der Raeumung erreichte uns noch ein diesbezueglicher Aufruf aus dem
Haus, der zwar auf die konkrete Situation bezogen war, aber uns
allgemein relevant fuer solche Besetzungsprojekte erscheint, weswegen
wir ihn hier trotz der Raeumung wiedergeben:
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Wir brauchen eure Hilfe! Wir moechten mit euch den Raum befreien!
Seit 24 Tagen ist die Lindengasse 60-62 besetzt. Wir haben uns fuer
den Namen "Epizentrum", da wir dazu beitragen moechten die Risse die
sich in unserer Gesellschaft auftun zu verbreitern, um diese zum
Bersten zu bringen! Wir lehnen die Wettbewerbsgesellschaft ab; die
Konkurrenz und die damit einhergehende Unterdrueckung von
Minderheiten. Wir moechten die Mechanismen und Strukturen, die zu
Sexismus, Rassismus und der Ausgrenzung von mit dem Status Quo nicht
kompatiblen Menschen fuehren aufdecken und angreifen, um sie
schlussendlich abzuschaffen. Vor allem wollen wir die Muster, die wir
ablehnen, nicht reproduzieren, moechten Minderheiten Raum bieten und
Opfer von Uebergriffen schuetzen.
Einer der Schluessel zu einem anderen, solidarischeren Umgang
miteinander ist das Klima in unserer Gemeinschaft, in unseren
Gespraechen und Entscheidungsprozessen. Denn auch bei uns zeigen sich
Risse und unser Versuch, einen kleinen Teil zu einer grundlegenden
Aenderung unserer Gesellschaft beizutragen, droht zu scheitern.
Hierarchien in den Plena, fehlende Kommunikation, sexistische
Uebergriffe, unreflektiertes Suchtverhalten und die Deutschlastigkeit
(die auch diesem Text anzulasten ist) sind nur einige der Probleme mit
denen wir konfrontiert sind, die wir teilweise selbst reproduzieren
und deren Loesung uns vor riesige Aufgaben stellt. Wir muessen ganz
ehrlich zugeben, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, unseren
Anspruechen gerecht zu werden. Deshalb bitten wir euch um Hilfe und
laden euch ein mit uns gemeinsam das Epizentrum zu dem Raum zu machen
den wir wollen und brauchen.
Wir haben von Anfang an sehr hoch gepokert, haben uns bewusst dafuer
entschieden, die Konfrontation mit der ganz alltaeglichen Scheisse zu
suchen. Weder halten wir es fuer moeglich noch fuer erstrebenswert,
aus diesem Haus eine Blase zu schaffen. Diese Konfrontation fuehrt uns
an unsere Grenzen, zehrt an unseren Reserven und fuehrt zu Konflikten.
Menschen die wir lieben, deren Meinung uns wichtig ist und die wir
fuer eine andere Welt brauchen werden, ziehen sich aufgrund einer
latent aggressiven Stimmung zurueck, dafuer kommen andere, die sich
mit dieser Situation abfinden oder diese sogar foerdern. Die
urspruenglich sehr ueberschaubare Gruppe ist gewachsen und die an sich
schon sehr fordernde Situation wird dadurch noch komplizierter. Es hat
sich herausgestellt, dass viele der Dinge, die fuer
selbstverstaendlich gehalten wurden, gar nicht so selbstverstaendlich
sind. Widersprueche wurden durch den staendigen Druck von aussen
verschuettet und nicht oder zu wenig thematisiert. Statt uns und
einander zu vertrauen, setzen wir uns einem ungeheuren Leistungsdruck
aus. Selbstausbeutung geht Hand in Hand mit Maertyrerposen, beides
nicht gerade zutraeglich fuer ein emanzipatives Projekt. Das kalte
Wetter und die prekaere Versorgungssituation tun ihr uebriges, um uns
alle an den Rand unserer Energiekapazitaeten und Frusttoleranz zu
treiben.
Wir brauchen eure Expertise im Umgang mit Konfliktsituationen; Eure
Ideen, um das Gelaende zu gestalten; Eure Unterstuetzung, um
Veranstaltungen durchzufuehren; Eure Sprachkenntnisse, Faehigkeiten,
Erfahrungen. Wir moechten noch einmal klar machen, dass Ihr alle
eingeladen seid, das Epizentrum mitzugestalten und es zu eurem Ort zu
machen. Trotz aller Widrigkeiten glauben wir noch immer an das
ungeheure Potential dieser Besetzung. Die unterschiedlichen Raeume,
die zentrale Lage, die Unterstuetzung von Teilen der Nachbarschaft
bieten riesiges Potential. Das Interesse ist ueberwaeltigend und trotz
der vielen Komplikationen beurteilen wir es vor allem als
Bereicherung, es bietet vor allem die Moeglichkeit radikale
Perspektiven sehr schnell, sehr vielen Menschen naeher zu bringen. Mit
eurer Unterstuetzung ist alles moeglich!
*Muchos besos, das Epizentrum (gek.)*
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