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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. November 2011; 23:01
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Libyen/Kommentar:

> Die neue Toetungskultur

Verwackelte Bilder zeigen, wie Gaddafi halbnackt, angeschossen,
blutueberstroemt und fast bewusstlos von einer johlenden Menge
bewaffneter Rebellen durch die Strassen von Sirte gezerrt wurde, bevor
er endgueltig hingerichtet wurde. Er soll noch um Gnade gefleht haben
und ein "Allahu akbar" war in diesem Gejohle und Geschreie zu
vernehmen. Der Exekution vorangegangen waren wochenlange Bombardements
von Sirte durch NATO-Kampfflugzeuge - Hunderte Menschen starben,
verbluteten, wurden verstuemmelt. Krankenhaeuser und andere zivile
Einrichtungen wurden getroffen und unter dem Schutz der westlichen
Maechte konnten die so genannten Rebellen und neuen Machthaber mit
ihren modernen Maschinengewehren aus europaeischer Produktion
Menschenrechtsverletzungen begehen.

Wir leben in einer neuen Zeit des Faustrechts. Obama, Sarkozy und
Cameron druecken ihre Zufriedenheit ueber die Ermordung von Gaddafi
aus. US-Militaers toeten Osama bin Laden und schicken ihren Drohnen,
um weitere Terroristen zu toeten. "Erfolg fuer die Kraefte des
Friedens", nannte es im Mai 2011 die deutsche Bundeskanzlerin. Wir
haben uns an den Paradigmenwechsel in der internationalen Politik
gewoehnt und ruesten unsere Armeen zu Angriffsarmeen um. Vor 10 Jahren
begann die Shoot-and-Kill-Strategie in Afghanistan. Krieg, Mord und
Vertreibung gelten als legitimes Mittel der Politik.

Dagegen gilt: Wer Unrecht begeht, muss vor ein Gericht gestellt
werden, sein Fehlverhalten muss aufgezeigt und bestraft werden. Dies
waere bei Osama bin Laden wie Gaddafi moeglich gewesen. Wer sich auf
Demokratie und Menschenrechte beruft, darf seine Politik nicht auf
Toetungsstrategien aufbauen. Nie kann die Ermordung von Menschen mit
dem Verweis auf Menschenrechte legitimiert werden - dies ist ein
Widerspruch in sich. Vielleicht, so kann angenommen werden, sind die
Triebfedern fuer die neue Toetungskultur aber auch nicht die Forderung
nach Menschenrechten, sondern geostrategische Interessen verbunden mit
der Gier nach Energieressourcen.

Der Blick etwas suedlicher von Libyen haette gezeigt, wie ein
diktatorisches Regime auch ohne Waffengewalt gestuerzt werden kann.
Der Friedensnobelpreis an Ellen Johnson Sirleave und Leymah Gbowee
macht uns darauf aufmerksam. Ein Charles Taylor war gewiss um vieles
brutaler als ein Gaddafi. Die Friedensfrauen von Liberia hatten es
ohne Waffengewalt geschafft, einen Buergerkrieg zu beenden und Charles
Taylor und sein Regime zum Abdanken zu zwingen. Auf den Krieg folgte
der Frieden, auf die Diktatur folgte Demokratie. Die Friedensfrauen
wurden dabei von den benachbarten Staaten und der internationalen
Gemeinschaft unterstuetzt, den Weg zum Frieden auf dem Verhandlungsweg
zu suchen. Es waere auch fuer Libyen moeglich gewesen. Es war auch der
Wunsch vieler afrikanischer Staaten. Es passte jedoch nicht zur
Kill-Mission, die seit dem Maerz 2011 in Libyen herrschte.
*Klaus Heidegger, Pax Christi* (gek.)

Quelle: http://w3.khg.jku.at/pax/blog/?tag=die-neue-totungskultur



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