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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. November 2011; 23:06
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Letzte Worte:

> Zweierlei Mass

Montag, 31. Oktober

Seit Wochen sind die Supermaerkte voll von Halloween-Utensilien.
Suessigkeiten in verschiedensten Mischungen und Preisklassen stehen
bereit, um abends durch kleine Geschenke eventuellen meist harmlosen
Streichen durch vagierende Gruppen von Kindern und Teenies
vorzubeugen. Oft wird sicherheitshalber auch ein Stapel Muenzen
bereitgelegt, denn die groesseren fragen gerne auch mal nach Geld -
und man weiss ja nie.

Man mag zu diesem Brauch, der urspruenglich in Europa entstand und
ueber die USA kommerzialisiert wieder zurueckkam, stehen, wie man
will: die meisten duerften ihn einfach als Spass fuer die Kleinen
sehen.

Aber machen wir uns nicht genau genommen strafbar damit? Leisten wir
gar strafbaren Handlungen Vorschub? Und wenn, sollten dann nicht
Horden von Polizisten unterwegs sein, um mit aller Macht des Staates
den Gesetzen - also dem Willen der Mehrheit der Buerger - Geltung zu
verschaffen? Weil "Recht Recht bleiben muss und Gesetze einzuhalten
sind" (M.Fekter)? Denn immerhin: Das Wiener Landes-Sicherheitsgesetz
(WLSG) verbietet in §2(1) das aggressive Betteln, das organisierte
Betteln, das Betteln unter Mitnahme unmuendiger Minderjaehriger und
das gewerbsmaessige Betteln.

Dem ist aber nicht so. An diesem 31.10.2011 duerfen unsere Kinder
(gottseidank noch) ungehindert an Tueren laeuten, Suesses erbitten,
und im Falle mangelnder Einsicht der Bewohner vom Gesetzeshueter
unbestraft (zudem ja meist strafunmuendig) kleine Streiche spielen.

Waehrenddessen muessen echte Bettler, die ihre Menschenrechte
wahrnehmen und deren groesste aggressive Handlung meist darin besteht,
einfach dazusein oder im extremsten Fall vor dem Supermarkt ein
muenzfreies Einkaufswaegelchen mit der impliziten Bitte um die
bereitgehaltene Muenze anzubieten, auch an diesem Tag - vermutlich
auch heuer wieder kein Tag, der an sich zu prolongiertem Aufenthalt im
Freien einlaedt - mit der vollen Haerte der Sicherheitsorgane rechnen
und entsprechend wachsamen Auges ihrer oft dem Lebenserhalt dienenden
Taetigkeit nachgehen. Selbst wenn sie keine Kinder sind oder
mitfuehren und nicht organisiert auftreten (was uebrigens nach wie vor
einer soliden Bestaetigung harrt).

In Wien, Kaernten und Oberoesterreich sind Verfassungsklagen zum
Bettelverbot anhaengig*. Die Sache wird sich wohl noch laenger
hinziehen und - gelernte Oesterreicher duerfen das vermuten - zu
keiner voelligen Aufhebung der Bettelverbote fuehren.

Obwohl diese vermutlich - eben das wird der VfGH zu klaeren haben -
"verfassungsrechtlich und menschenrechtlich garantierte Grund- und
Menschenrechte [verletzen]", wie der Universitaetsprofessor und
Voelkerrechtler Wolfgang Benedek in einem Brief an LH Voves
anlaesslich der Rueckgabe des ihm verliehenen Grossen Ehrenzeichens
des Landes Steiermark bemerkte.

Wenn Sie also heute Abend die Tuere oeffnen und den um Suessigkeiten
bittenden Kindern etwas in die aufgehaltenen Haende oder Saeckchen
legen, denken Sie bitte daran, dass draussen auf der Strasse viele
Menschen jeden Tag stehen muessen, um ein karges Auskommen zu
erbetteln. Daran, dass diese Menschen staendig der Gefahr
polizeilicher Verfolgung ausgesetzt sehen. Und daran, dass ein solches
Eingreifen kein Beseitigen Ihnen vielleicht laestiger Personen ist,
sondern ein Staatsakt, der vermutlich Menschen in ihren Grundrechten
einschraenkt.

Und vielleicht - hoffentlich! - haben Sie dann auch im Rest des Jahres
die eine oder andere Muenze fuer die Armen am Rande der Strasse. Happy
Halloween!
(Peter Gruendler)
(zweifelsohnezumverzweifeln.blogspot.com/gek.)
*

*) Anm.d.Red.: Die Kaerntner SPOe und die Gruenen haben eine
Verfassungsklage gegen das Bettelverbot in Kaernten eingebracht. FPK
und OeVP hatten die Novelle zum Landessicherheitsgesetz, die etwa
Betteln "in gewerbsmaessiger Weise" verbietet, im Fruehjahr im Landtag
beschlossen. Betteln sei per se gewerbsmaessig, das Verbot daher
verfassungswidrig, erklaerten SPOe und Gruene bei einer
Pressekonferenz am 18.10. Die Beschwerde gegen das Gesetz wurde ueber
einen sogenannten "Drittel-Antrag" eingebracht -- ein Drittel der
Landtagsabgeordneten kann Beschwerde zu einem Gesetz einreichen.

In Wien hingegen hatten die Gruenen noch in ihrer Oppositionszeit
einer Bettlerin geholfen, eine Verfassungsklage gegen das von der
SPOe, OeVP und FPOe beschlossene Bettelverbot einzubringen.

Im Mai 2011 hatten in OOe SPOe und Gruene ebenfalls eine Drittelklage
gegen die von OeVP und FPOe beschlossene Bettelverbote eingebracht,
wobei die Gruenen als OeVP-Koalitionspartner anfangs gezoegert hatten,
sich an einer solchen Klage zu beteiligen.



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