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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Oktober 2011; 21:51
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Initiativen/EU:

> Fuer Bewegungsfreiheit kaempfen

Kampagne vom 24. bis 30. Oktober 2011 gegen die zunehmenden
'gemeinsamen Polizeioperationen' in der EU!


Nach den teils erfolgreichen Aufstaenden in Nordafrika steht die
Wiedererrichtung der Grenzsicherung Tunesiens, Aegyptens und Libyens
weit oben auf die Agenda der EU-Mitgliedsstaaten. Das Ziel westlicher
Interventionen zum Polizeiaufbau unter dem Deckmaentelchen einer
'Sicherheitssektorreform' ist die moeglichst umfassende,
technikgestuetzte Kontrolle von Migrationsbewegungen in die EU.

Eine tragende Rolle spielt die sogenannte 'EU-Grenzschutzagentur'
Frontex, die Migrant_innen mit geheimdienstaehnlicher Aufklaerung,
schnellen Eingreiftruppen und weitlaeufigen Operationen zu noch
waghalsigeren Grenzuebertritten zwingt. Mitte September hatte das
EU-Parlament der neuen Frontex-Verordnung zugestimmt, wonach die
Agentur zukuenftig eigene Ausruestung beschaffen und Operationen
selbst initiieren kann.

Frontex versucht, neben mittlerweile regelmaessigen Missionen auf See,
auch an den Land noch mehr Migrant_innen aufzuspueren. Der
Seeoperation 'Hermes' folgte deshalb ein gleichnamiger Einsatz
innerhalb der EU-Landgrenzen, an dem sich Polizeien aus 22
Mitgliedsstaaten beteiligten. Mit dieser Erweiterung von 'Hermes'
dehnte Frontex das Mandat von den Aussengrenzen auf das Gebiet der
EU-Binnengrenzen aus, obwohl dies in den Statuten der Agentur bislang
nicht vorgesehen ist. Formal stand der 'Hermes'-Folgeeinsatz an Land
daher unter Verantwortung der damaligen belgischen
EU-Praesidentschaft.

Frontex bildet Banden

EU-weite Kontrollen wie 'Hermes' sind in den letzten Jahren mit
sogenannten 'Gemeinsamen Polizeioperationen' ('Joint Police Operations',
JPO) ohnehin zur Regel geworden. Die inzwischen teilweise
halbjaehrlich stattfindenden 'Gemeinsamen Polizeioperationen' sollen
die Polizeibehoerden der Mitgliedstaaten sowie EU-Institutionen
miteinander verzahnen. Die grossflaechigen Einsaetze, die bis zu
20.000 Polizist_innen buendeln, setzen die vielgepriesene
Freizuegigkeit innerhalb der EU fuer mehrere Tage ausser Kraft. Ihre
Ergebnisse unterfuettern zudem die perfiden Analysen von Frontex ueber
zukuenftige Migrationsrouten mit frischen Statistiken.

'Gemeinsame Polizeioperationen' werden jeweils von verschiedenen
EU-weiten Polizei-Vernetzungen organisiert, die sich in den letzten
Jahren etabliert haben: TISPOL (Verkehrswege), RAILPOL (Bahnanlagen
und Schienen), AQUAPOL (Wasserstrassen) oder AIRPOL (Flughaefen). Im
Rahmen der 'Gemeinsamen Polizeioperation' 'Automotor' hatten dieses
Jahr 21.000 Polizist_innen unter Leitung des TISPOL-Netzwerks von
Verkehrspolizist_innen Fahrzeuge und Personen innerhalb der EU
kontrolliert. Mit der Operation 'Rails' ueberwachten noch einmal
17.288 Angehoerige europaeischer Polizeien aus 17 Mitgliedsstaaten
Bahnanlagen und den Bahnverkehr. Die Operation 'Danubius' wiederum
koordinierte eine Aktion unter EU-Wasserschutzpolizeien im
Rhein-Main-Donau-Gebiet; Polizeibehoerden und Gendarmerien aus 14
Mitgliedsstaaten waren hierfuer auf 200 Schiffen unterwegs. Neben
Frontex war auch die internationale Polizeiorganisation Interpol
beteiligt, waehrend die EU-Polizeiagentur Europol mit einer
Standleitung fuer den ungebremsten Zugriff auf deren Datensammlungen
sorgte.

Offene Grenzen?

Zwar richten sich nicht alle JPO vorrangig gegen undokumentierte
Grenzuebertritte, jedoch freuen sich die beteiligten Polizeien in den
Abschlussberichten immer ueber nebenbei gefangene Migrant_innen. Mit
'Mitras' ('Migration, Traffic and Security') wurde im Fruehjahr 2011
zudem eine mehrtaegige Kontrollmassnahme durchgefuehrt, die sich wie
'Hermes' ausschliesslich einer 'Bekaempfung illegaler Migration'
widmete. Hinzu kommen Operationen wie 'Amazon', die Frontex an
Flughaefen in Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Portugal
und Spanien ausfuehrt - und unter anderem dem in Frankfurt
stationierten Ableger des US-Department of Homeland Security (DHS)
Einblicke in die Operation gewaehrt.

Die mehrtaegigen Kontrollen setzen den 2006 in Kraft getretenen
Schengener Grenzkodex ausser Funktion, der unter anderem den Wegfall
von Personenkontrollen und Grenzueberwachungsanlagen an den
Binnengrenzen der Schengen-Staaten regelt: Die Grenzen zwischen
EU-Mitgliedsstaaten duerfen demnach an jeder Stelle ohne Anhalt
ueberschritten werden - die Staatsangehoerigkeit der Reisenden soll
dabei keine Rolle spielen. Stattdessen werden zwar Schlagbaeume an
Binnengrenzen demontiert, dafuer aber die Kontrollen im Hinterland
zeitlich und raeumlich auf immer mehr Land-, Luft- und Wasserwege
ausgeweitet.

Letztes Jahr hatte der Europaeische Gerichtshof ueberdies geurteilt,
dass der Schengener Grenzkodex ebenso ausschliesst, in einem 20 km
breiten Streifen entlang der Binnengrenzen ohne Anlass Personen zu
kontrollieren - eine Praxis, die in Deutschland munter betrieben wird
und vor allem Migrant_innen mit rassistischen Kontrollen belaestigt.
Allein in 2010 haben Bundespolizist_innen im gesamten Bundesgebiet die
Identitaet von ueber drei Millionen Personen festgestellt.

Die 'Gemeinsamen Polizeioperationen' demaskieren die angebliche
Bewegungsfreiheit innerhalb der EU, die einem grossen Teil ihrer
Bewohner_innen ohnehin nicht zugestanden wird. Hinzu kommt die
zeitweise Wiedereinfuehrung von Grenzkontrollen, etwa anlaesslich von
Gipfelprotesten wie beim G8-Gipfel in Heiligendamm oder dem
NATO-Gipfel in Strasbourg, die vorrangig politische Aktivst_innen
treffen sollen. Doch auch hier geraten regelmaessig Migrant_innen ins
Netz der Grenzpolizeien.

Ruege durch EU-Kommission

In einem Vermerk hatte selbst die ansonsten sicherheitsversessene
EU-Kommission diese Praxis geruegt: Normalerweise muessen die
Bewohner_innen der EU-Mitgliedstaaten ueber die Aufhebung ihrer
Freizuegigkeit im Vorfeld der Massnahme frueh unterrichtet werden.
Zukuenftig sollen deshalb laut einem Vorschlag der Kommission die
EU-Mitgliedstaaten ein Veto gegen einseitig ausgerufene Grenzschikanen
einlegen koennen. Eine Praxis, gegen die der deutsche Innenminister
Friedrich eilig nationale Ressentiments beschwoert: Weil die
Grenzkontrollen eine 'Kernaufgabe eines Staates' seien, will der
CDU/CSU-Politiker mit seiner Fraktion gegen eine etwaige Ueberwachung
der Freizuegigkeit durch andere Mitgliedstaaten oder die Kommission
'entschieden Widerstand leisten und auch mobilisieren'.

Termine und Einsatzplaene 'Gemeinsamer Polizeioperationen' unterliegen
normalerweise der Geheimhaltung. Dennoch ist bekannt, dass die
gegenwaertige polnische Ratspraesidentschaft demnaechst zwei weitere
JPO leiten will: Im September wollen die Polizeien der
EU-Mitgliedsstaaten mit 'Eurocar' wieder fuer mehrere Tage die
Bewegungsfreiheit auf den Strassen ausser Kraft setzen. In der Woche
vom 24. bis 30. Oktober wird mit 'Demeter' eine Folgeoperation von
'Hermes' und 'Mitras' organisiert, die sich explizit der Kontrolle
unerwuenschter Migration widmet.

Wir rufen dazu auf, der Heimlichtuerei um die JPO 'Demeter' mit einer
groesstmoeglichen Oeffentlichkeit zu begegnen. Hierfuer schlagen wir
vor, vom 24. bis 30. Oktober 2011 auch an Land fuer Bewegungsfreiheit
zu kaempfen und die tausendfachen Polizeikontrollen mit Protest zu
beantworten.
(Out of Control Berlin999)

Quelle: http://no-racism.net/article/3918



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