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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 4. Oktober 2011; 23:01
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Glosse: In eigener Sache
> Was ist eine Story?
Gedanken aus der Redaktion ueber das Wesen von Nachrichten
Ein Leser merkte neulich mir gegenueber an, dass in den
Alternativmedien zuwenig darueber stuende, dass es jetzt nicht um
Griechenland oder andere Staaten ginge, sondern um die Rettung der
Banken, Versicherungen und Spekulanten -- zu Lasten der
Normalbevoelkerung.
Warum steht in der Alternativpresse sowenig darueber? Nun, wir
berichten schon, aber bei jeder dieser Meldungen oder Kommentare
beschleicht mich schon die Frage: Sagen diese Texte wirklich etwas
Neues? Sind sie nicht einfach nur dazu da, immer wieder dieses Thema
anzusprechen? Denn der Neuigkeitswert ist eher gering.
Und hier stellt sich genau ein Problem des Nachrichtenwesens:
Nachrichten, also "News", sind im Prinzip als dauerhafte Ermahnung nur
in zwei Faellen moeglich. Das eine ist das klassische News-Prinzip:
Wir haben eine Geschichte, eine Story, die sich aufgrund immer wieder
neuer Wendungen perpetuierend erzaehlen laesst. Dies ist ja bei den
Euro-Wirren durchaus der Fall: Beschlussfassungen und Debatten in den
Parlamenten, ein Gipfel jagt den naechsten, Eildiplomatie auf
hoechster Ebene, Protestkundgebungen gegen Sparplaene etcetera.
Dadurch ist das ein Dauerthema. Waere die Geschichte anders verlaufen
und die griechische Regierung haette zur EU gesagt: "Okay, wir sind
pleite, helft uns!" und die EU haette zentral ohne viel Aufhebens und
unter Umgehung der nationalen Parlamente die Sache in irgendeiner Form
geregelt, dann waere das Ganze eine einzige Story an einem einzigen
Tag gewesen. Nachher haette es vielleicht noch ein paar Kommentare
gegeben und dann waere die Sache in den Nachrichtenspalten rasch von
anderen Ereignissen verdraengt worden.
Weil es eben nicht so gelaufen ist, ist die Berichterstattung massiv
und genau deswegen, weil die Medien hier ein bestimmendes Thema
geliefert bekamen und irgendwann daher auch mal ein bisserl mehr als
nur langweilige Hofberichterstattung liefern mussten, kamen auch
kritische Kommentare. Die Kritik an der Euro-Konzeption oder sogar am
Kapitalismus bestimmte die Diskussion ploetzlich -- da braucht es die
akin nicht mehr. Die Spatzen pfeifen es schon von den Daechern.
Fundiertere Kritik, als wir sie mittlerweile im Standard, der
Sueddeutschen oder der Financial Times lesen koennen, faellt uns auch
nicht ein. Die Kapitalismuskritik ist mittlerweile in den Koepfen der
bislang haertesten Verteidiger des Kapitalismus angelangt.
Die zweite Methode, Themen in den Medien zu halten, ist der
Kampagnenjournalismus: Man weiss zwar nichts Neues, aber reproduziert
staendig das Altbekannte oder blaest Dinge, die sonst hoechstens zu
einer Kurzmeldung gereicht haetten, zu Riesenstories auf. Das waere
natuerlich eine Moeglichkeit fuer die Alternativpresse, die Frage ist
nur: Soll man das auch tun?
Die Kritik daran, dass etwas nur dann als abdruckenswert erachtet
wird, wenn es "Newswert" hat, ist natuerlich berechtigt. Wenn man aber
den Newswert als Kriterium ignoriert, kommt man leicht in das
Fahrwasser, einfach nur Propaganda zu machen. Das ist fuer serioesen
Journalismus aber gefaehrlich.
Dennoch existiert das Problem, dass ein Thema, das immer wieder News
liefert, viel mehr in den Medien ist, als etwas, was schnell und
undramatisch abgehandelt wird oder sowieso ein staendiges Aergernis
ist. Wir koennten staendig titeln: "Europa lebt auf Kosten Afrikas" --
aber das wird halt irgendwann fad, weil eh klar.
Man kann keine Story erzaehlen, wenn keine Story da ist. Eine Story
braucht Hoehepunkte, unerwartete Wendungen, Auseinandersetzungen,
Boesewichte, ... genauso wie jede fiktionale Geschichte.
Wenn man sagt, man wolle aus diesem Mechanismus aussteigen, so ist das
loeblich, aber man muss trotzdem dafuer sorgen, dass die Geschichte
interessant bleibt -- und muss dennoch immer fuerchten, in platten
Kampagnenjournalismus abzugleiten.
Die akin ist nicht die Kronenzeitung, wir halten unser p.t. Publikum
fuer gebildet genug und wissen, dass wir nicht dessen einzige
Informationsquelle sind. Kampagnen zu fuehren, was nichts Schlechtes
an sich ist, ueberlassen wir den politischen Gruppierungen, die reale
oder elektronische Flugblaetter verteilen.
Es ist eine problematische Geschichte mit der
Aufmerksamkeitsoekonomie, das ist richtig. Aber wir versuchen, unserem
Publikum doch eher das zu bringen, was es trotz des medialen Overkills
noch interessieren koennte. Und das ist halt immer eine Gratwanderung.
Was dem einen zuviel von einem Thema ist, ist dem anderen zu wenig.
Damit muessen wir leben.
*Bernhard Redl*
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