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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. September 2011; 22:18
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Wien/Kommentar:
> Sexarbeit: Prolematisches Gesetz
Ende Juni 2011 wurde in Wien ein neues Prostitutionsgesetz
beschlossen, das den Strassenstrich im Wohngebiet praktisch verbietet.
NGOs kritisieren diese Regelung, die mehr den Interessen der
AnrainerInnen diene als jenen der Sexarbeiterinnen.
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Ende Jaenner urteilte die Wiener Frauenstadtraetin Sandra Frauenberger
noch, dass ein Verbot der Strassenprostitution nicht zielfuehrend
waere. Denn wo Verbote sind, faenden Menschen Wege, sie zu umgehen.
Viele Gespraeche mit Sexarbeiterinnen, ExpertInnen aus NGOs und vor
allem mit AnrainerInnen spaeter haben sich dann aber doch andere
Interessen durchgesetzt: Am 1. November wird das neue Wiener
Prostitutionsgesetz in Kraft treten, das Strassenprostitution zwar
nicht voellig verbietet, aber de facto in allen Wohngebieten
untersagt. Erlaubte Zonen sollen Gewerbegebiete, Ausfallstrassen und
der Prater sein. NGOs und Sexarbeiterinnen halten das Gesetz
einerseits fuer nicht exekutierbar, andererseits fuerchten sie einen
weiteren Anstieg gewaltsamer Uebergriffe gegen Frauen auf dem Strich:
Ein Gewerbegebiet am Stadtrand oder eine einsame Strasse bieten weder
Infrastruktur noch Schutz fuer Sexarbeiterinnen.
Gescheiterter Feldversuch
Anfang 2010 praesentierte die Stadt Wien ein Sieben-Punkte-Programm
zur Prostitution, um endlich Loesungen fuer die Konflikte in einigen
Wohngegenden mit Strassenstrich zu finden. Das Programm startete dann
im Mai 2010 mit einem halbjaehrigen Feldversuch im 15. Bezirk, wo
AnrainerInnen sich bereits zu BuergerInneninitiativen
zusammengeschlossen hatten, um gegen die ihrer Meinung nach
unhaltbaren Zustaende mobil zu machen. Keine einfache Situation fuer
alle Beteiligten. Im Rahmen dieses Versuchs wurde der Strassenstrich
auf der Felberstrasse komplett verboten und stattdessen zwei andere
Strassenzuege angeboten. Sexarbeiterinnen waren in diesen abgelegenen
und dunklen Strassen jedoch selten zu finden - die Arbeit verlagerte
sich wohl in Privatwohnungen und andere aehnlich unsichere Orte.
Eine Massnahme, die gut angenommen und deshalb nun auch bis Ende
September 2011 verlaengert wurde, war das Projekt "SOPHIE mobil".
Mitarbeiterinnen des SOPHIE BildungsRaums fuer Prostituierte betreiben
professionelles Beschwerde- und Konfliktmanagement vor Ort sowie eine
Hotline. Die persoenlichen Gespraeche mit AnrainerInnen haben einen
wichtigen Beitrag zur Deeskalation geleistet.
Ein anderes Projekt im Rahmen des Programms war jenes des Vereins
LEFOe, der Beratung fuer Migrantinnen in der Sexarbeit anbietet. Dabei
wurden migrantischen Sexarbeiterinnen Expertisen zur Gewaltpraevention
und zum Schutz gegen Frauenhandel vermittelt. Auch dieses Projekt wird
bis Dezember 2011 weitergefuehrt.
LEFOe berichtet von einem "erschreckenden Anstieg" der Gewalttaten
seit Beginn des Versuchs in der Felberstrasse. Die ohnehin harten
Arbeitsbedingungen wurden durch die Ausweitung der Verbotszonen,
Aggressionen durch AnrainerInnen und repressive Polizeikontrollen
weiter erschwert. "Die Polizei wurde bedingt durch ihre starke
Praesenz weniger als Schutzeinrichtung vor Gewalt und Frauenhandel
erlebt, sondern als Kontroll- und Bestrafungsinstanz", sagt eine
Mitarbeiterin von LEFOe. Deshalb beurteilt sie auch die faktische
Abschaffung des Strassenstrichs im gesamten Wohngebiet als sehr
problematisch. "Diese Massnahme widerspricht der Heterogenitaet von
Sexarbeiterinnen und bringt gleichzeitig ein erhoehtes Potenzial an
Gefahren: Sexarbeiterinnen werden wohl an Orten arbeiten muessen, wo
es keine ausreichende Infrastruktur gibt, keine Hygieneeinrichtungen
und unsichere Arbeitsbedingungen, die sie grossen Gefahren aussetzen."
Schutzobjekt des neuen Gesetzes seien die Oeffentlichkeit,
AnrainerInnen und unbeteiligte Dritte, jedoch nicht die
Sexarbeiterinnen, urteilen die LEFOe-Mitarbeiterinnen. Auch Eva van
Rahden, Leiterin von SOPHIE, haelt sichere und mit Infrastruktur
ausgestattete Arbeitsorte fuer unumgaenglich. "In einer Millionenstadt
wird es immer eine Anbahnung auf der Strasse geben", ist sie
ueberzeugt. Das Gesetz sieht die Moeglichkeit vereinzelter
"Erlaubniszonen" in Wohngebieten vor. Wo genau die sein koennten und
wie praktikabel sie dann in der Praxis sind, muss sich erst weisen.
Eva van Rahden ist es ein grosses Anliegen, dass diese Fragen bis zum
Inkrafttreten des Gesetzes im November geklaert werden. Sie wird,
genauso wie Vertreterinnen von LEFOe, in einer geplanten
Steuerungsgruppe sitzen, die sich die Auswirkungen des neuen Gesetzes
genau ansehen soll und die Einrichtung etwaiger Erlaubniszonen
diskutieren wird.
Positive Neuregelungen
Das neue Gesetz hat aber auch seine Vorteile: So muessen
minderjaehrige Sexarbeiterinnen, die zum ersten Mal erwischt werden,
kuenftig keine Strafe zahlen, sondern werden stattdessen zu einer
Beratung der Jugendwohlfahrt geschickt. Fuer bestehende
Verwaltungsstrafen wegen der alten Schutzzonenregelung gilt eine
Generalamnestie, und bei der Erstregistrierung von Sexarbeiterinnen
wird eine Vertreterin einer NGO dabei sein, um bessere Beratung zu
ermoeglichen. All das, wie auch die strengeren Auflagen fuer
BordellbetreiberInnen, werden von NGO-Vertreterinnen durchaus positiv
bewertet.
Die neu eingefuehrte Bestrafung von Freiern, die ausserhalb der
erlaubten Zonen anbahnen, wird hingegen als weiterer Schritt in
Richtung Kriminalisierung gesehen. Diese Vorgehensweise entspricht dem
schwedischen Modell, wo das Kaufen von Sex seit 1999 verboten ist und
die Strafen gerade erst verdoppelt wurden - Freiern drohen in Schweden
bis zu sechs Monate Haft. Dieses Modell ist sehr umstritten, zumal es
illegale Sexarbeit foerdert.
Hauptproblem ungeloest
Neben einer Kampagne gegen Belaestigung von Frauen durch Freier und
mehrsprachiges Infomaterial fuer Sexarbeiterinnen praesentierte
Frauenstadtraetin Frauenberger eine weitere Begleitmassnahme zum neuen
Prostitutionsgesetz: Der Wiener Gemeinderat wird einen
Forderungskatalog an die Bundesregierung formulieren, in dem u.a. die
Abschaffung der Sittenwidrigkeit eingefordert wird. Dass Sexarbeit in
Oesterreich zwar geduldet ist, aber nach einem Spruch des Obersten
Gerichtshofs von 1989 immer noch als "sittenwidrig" gilt, kritisieren
NGOs seit langem.
Die Sittenwidrigkeit steht einer Gleichstellung von Sexarbeiterinnen
mit anderen Erwerbstaetigen wesentlich im Weg. Immer noch haben
Sexarbeiterinnen viele Pflichten, muessen etwa wie andere
Selbststaendige auch Steuern abfuehren, die gleichen Rechte haben sie
deshalb aber nicht. Fuer die Abschaffung der Sittenwidrigkeit ist die
Bundesregierung zustaendig - und Frauenministerin Gabriele
Heinisch-Hosek koennte ein Erfolgserlebnis gut brauchen.
(Gabi Horak in an.schlaege -
das feministische Monatsmagazin, Juli/August 2011)
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Am Guertel kein Laermproblem
Auf Nachfrage der akin ist auch Birgit Hebein, Sozialsprecherin der
Gruenen, nicht ganz so gluecklich mit den Details der neuen
Bestimmungen: "Die Kritik ist berechtigt, da wir die Frage, wo die
SexarbeiterInnen zukuenftig stehen sollen, noch nicht beantwortet
haben" schreibt sie in einer Stellungnahme. Doch dies sei Thema in der
erwaehnten Steuerungsgruppe und werde bis 1. November beantwortet
werden muessen, da ja dann das Gesetz in Kraft tritt. Aber "Es ist
kein Geheimnis, dass ich den Guertel fuer sicher, geeignet und auch
fuer AnrainerInnen zumutbar halte, da hier der Laerm nicht gegen die
SexarbeiterInnen sprechen kann." ###
Links:
http://www.lefoe.at
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