**********************************************************
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. September 2011; 22:21
**********************************************************

Chile:

> Prozess wegen Folterungen in der Colonia Dignidad

Das Berufungsgericht Santiago hat am Montag, 13. September erstmals
einen Strafprozess wegen Folterungen in der Colonia Dignidad(1) in
Chile eroeffnet. Als Taeter angeklagt sind dabei der deutsche
Staatsbuerger Gerhard Muecke sowie der chilenische Geheimpolizist
Fernando Gómez Segovia.

Die Lehrerin Adriana Bórquez, Mutter von 5 Kindern, wurde im Jahre
1975 23 Tage lang in der Colonia Dignidad festgehalten und brutal
gefoltert. In der deutschen Siedlung unterhielt die chilenische
Geheimpolizei DINA in Zusammenarbeit mit deutschen SiedlerInnen ein
Gefangenenlager, in dem linke Oppositionelle verhoert, brutal
gefoltert und auch ermordet wurden. Adriana Bórquez wurde spaeter in
ein weiteres Folterzentrum der DINA in Santiago verbracht. Sie ging
ins Exil nach England und war 1977 im Zivilprozess vor dem Bonner
Landgericht Zeugin von Amnesty International. Die
Menschenrechtsorganisation hatte bereits damals auf die Existenz eines
Folterlagers der DINA in der Colonia Dignidad aufmerksam gemacht.

Schleppende juristische Aufarbeitung

Die strafrechtliche Aufarbeitung der von der deutschen Sektensiedlung
in Chile begangenen Verbrechen schritt bisher nur langsam voran. Das
Berufungsgericht in Santiago ueberstimmte nun mit seiner Entscheidung
vom Montag den Sonderrichter Jorge Zepeda, der seit 2005 eine Vielzahl
von Verfahren wegen schweren Menschenrechtsverbrechen in der Colonia
Dignidad fuehrt. Zepeda hatte sich geweigert, das Strafverfahren zu
eroeffnen. Nun wurde er durch die Entscheidung des Berufungsgericht
dazu gezwungen, das Verfahren in dem Fall Adriana Bórquez zu
eroeffnen. Angehoerige hatten seit langem kritisiert, dass die
Ermittlungen des Richters nur sehr langsam vorankommen.

Fuer den Herbst ist eine rechtskraeftige Entscheidung des Obersten
Gerichtshofes in Santiago im Verfahren wegen der systematischen
Vergewaltigung von Kindern durch den Sektenfuehrer Paul Schaefer
(verstorben im April 2010) angekuendigt. Dabei - so wird erwartet -
werden ca. ein Dutzend Siedler erstmals mehrjaehrige Haftstrafen
antreten muessen wegen Beihilfe bzw. Mittaeterschaft beim vielfachen
schweren sexuellen Missbrauch.

Unterdessen sind eine Reihe von Angeklagten in den letzten Jahren vor
der chilenischen Justiz nach Deutschland gefluechtet. Prominentester
Fall ist dabei Dr. Hartmut Hopp, der Leiter des Sektenkrankenhauses
und sogenannter "Aussenminister" der Colonia Dignidad, der seit Mai im
Raum Krefeld wohnt. Obwohl die Staatsanwaltschaft Bonn 22 Jahre lang
gegen ihn ermittelt hatte, wurde in Deutschland bisher keine Anklage
gegen ihn erhoben. Aendern koennte sich das bald durch ein neu
eingeleitetes Ermittlungsverfahren - die Berliner
Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional Rights
(ECCHR) hatte kuerzlich Strafanzeige gegen Hopp gestellt.
(poonal)

Quelle:
http://www.npla.de/de/poonal/3504-erstmals-prozess-wegen-folterungen-in-der-colonia-dignidad-eroeffnet


1) Die Colonia Dignidad (spanisch fuer: Kolonie der Wuerde, offiziell
"Sociedad Benefactora y Educacional Dignidad" / "Gesellschaft fuer
Wohltaetigkeit und Erziehungsanstalt der Wuerde'", heute Villa Baviera
/ bayerisches Dorf) ist ein auslandsdeutsches, festungsartig
ausgebautes Siedlungsareal ca. 400 Kilometer suedlich der Hauptstadt
Santiago de Chile. Sie entstand aus einer urspruenglich in Deutschland
beheimateten christlichen Sekte, deren Mitglieder aber nach Vorwuerfen
sexuellen Missbrauchs von Minderjaehrigen nach Chile umsiedelten.



***************************************************
Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der
nichtkommerziellen Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd
muessen aber nicht wortidentisch mit den in der Papierausgabe
veroeffentlichten sein. Nachdruck von Eigenbeitraegen mit
Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete Beitraege stehen in der
Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von Texten mit anderem
Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine anderweitige
Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als Abonnement
verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann den
akin-pd per formlosen Mail an akin.buero{AT}gmx.at abbestellen.

*************************************************
'akin - aktuelle informationen'
a-1170 wien, Lobenhauerngasse 35/2
vox: ++43/1/535-62-00
(anrufbeantworter, unberechenbare buerozeiten)
http://akin.mediaweb.at
akin.redaktion{AT}gmx.at
Bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
Bank Austria, BLZ 12000,
223-102-976-00, Zweck: akin