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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 20. September 2011; 22:17
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EU/Kommentar:

> Ohne wirtschaftspolitische Kurskorrektur droht der Kollaps

Attac-OekonomInnen: Die neoliberalen Konstruktionsfehler
der EU muessen beseitigt werden

Die Eurokrise demonstriert dramatisch das Versagen des
wirtschaftspolitischen Kurses der europaeischen Eliten. "Wir sind
Zeugen eines unwuerdigen nationalistischen Taktierens. Die wahren
Ursachen der Krise sind nicht Suendenboecke wie "die faulen Griechen"
sondern die neoliberalen Konstruktionsfehler der EU: Deregulierte
Finanzmaerkte, ungleiche Vermoegensverteilung, niedrige Loehne sowie
Steuerwettbewerb und Steuerflucht. Da die Regierungen die wahren
Ursachen voellig ignorieren, werden sie Europa wirtschaftlich weiter
spalten und die politische Krise verschaerfen", erklaert Alexandra
Strickner, Obfrau von Attac Oesterreich bei einer Pressekonferenz mit
international renommierten Oekonomen in Wien.

Die EU wird totgespart

"Der Anstieg der Arbeitslosigkeit von 10 auf 17 Prozent und die
dramatische Schrumpfung der griechischen Wirtschaft beweisen, dass
eine noch rigorosere Sparpolitik und Privatisierungen die Krise
dramatisch verschaerfen. Griechenland und die EU muessen die
Wirtschaft ankurbeln, und nicht wie derzeit geplant weiter totsparen",
erklaert Marica Frangakisdie, Oekonomin und Mitbegruenderin von Attac
Griechenland. "Die strukturell hohen Schulden Griechenlands sind auch
durch jahrzehntelange Steuerbeguenstigung und Steuerflucht der Reichen
und Konzerne bedingt. Doch anstatt wirksam gegen internationale
Steuerflucht vorzugehen, fordern EU und IWF vorrangig mehr
Sparmassnahmen und Privatisierungen. Und obwohl Spekulation mit
Staatsanleihen hauptverantwortlich fuer den explosionsartigen Anstieg
des Zinsniveaus und des Defizits ab 2009 sind, sitzt die Politik
weiterhin wie das Kaninchen vor der Schlange Finanzmarkt."

Niedrige Loehne
Mitverursacher der Krise

Eine zentrale Ursache der Eurokrise sind die zunehmenden
wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen den Laendern. Das
Lohndumping der "Exportweltmeister" wie Deutschland oder Oesterreich
verursacht die hohen Leistungsbilanzdefizite Griechenlands und anderer
Staaten. "Die Arbeitnehmer in Deutschland und Oesterreich leben seit
Jahren unter ihren Verhaeltnissen. Die dadurch fehlende
Inlandsnachfrage wird durch Exporte ersetzt. Das kann in einem
gemeinsamen Wirtschaftsraum nur auf Kosten der Nachbarn wie
Griechenland gehen", sagt Engelbert Stockhammer, Oekonomieprofessor an
der Kingston University und ehemaliges Vorstandsmitglied Attac
Oesterreich. Attac fordert daher eine koordinierte europaeische
Lohnpolitik und kraeftige Lohnsteigerungen in jenen Laendern, die in
den letzten Jahren so zurueckhaltend waren, um dort die Nachfrage zu
staerken.

Soziale Kontrolle ueber Banken

"Nicht Griechenland, sondern die Kettenreaktion eines drohenden
Kollaps des globalen Banken- und Finanzsystems stellt die eigentliche
Gefahr fuer die gesamte Weltwirtschaft dar. Die Spekulation ist heute
groesser als 2008. Es ist nicht nur notwendig die Finanzmaerkte zu
regulieren, sondern die soziale Kontrolle ueber Banken zu gewinnen.
Geld ist ein oeffentliches Gut. Die notwendige Rettung und
Verstaatlichung von weiteren Banken scheint nur eine Frage der Zeit.
Sie bietet auch eine Chance fuer ein neues Bankensystem, in dem
Entscheidungen demokratisch gefaellt werden. Unter anderem muessen
auch Arbeiter, Konsumenten oder lokale Verwaltungen einbezogen werden.
Darueber hinaus muessen Banken zerteilt werden und das Investemt- vom
Geschaeftsbankenbereich getrennt werden. Banken sind heute zu gross
und zu maechtig und behindern jede noetige Reform. Sie sind eine
Gefahr fuer die Demokratie", sagt Dominique Plihon, Oekonom an der
Universite Paris Nord und Praesident des wissenschaftlichen Beirats
von Attac Frankreich.

Idee Zwangskredite

Unmittelbar seien auch ungewoehnliche Massnahmen noetig, um Staaten
ausserhalb von Finanzmaerkten zu finanzieren, erklaert Plihon:
"Versicherungen, Fonds und Bezieher von hohen Einkommen ab 100.000
Euro sollten verpflichtet werden, Kredite an den Staat zu einem festen
Zinssatz knapp ueber der Inflationsrate zu leihen. Dies wurde in
Frankreich in den 70er Jahren bereits erfolgreich praktiziert."

"Die Abschaffung von Steuern auf Vermoegen und der EU-weite
Steuerwettbewerb nach unten sind ein wesentlicher Faktor fuer die
chronische Unterfinanzierung der Staaten. Dem muss ein Ende gesetzt
werden. Auf nationaler Ebene muessen Vermoegen und Kapitaleinkommen
hoeher besteuert und Arbeitseinkommen entlastet werden. Europaweit
sollten Vermoegens-, Vermoegenszuwachs-, und Koerperschaftssteuern
koordiniert und eine Finanztransaktionssteuer eingefuehrt werden.
Damit koennten die Schulden aller Euro-Staaten auf ein ungefaehrliches
Niveau gesenkt werden", sagt die Obfrau von Attac Oesterreich,
Alexandra Strickner. "Da die ungleiche Einkommens- und
Vermoegensverteilung eine der wesentlichen Gruende fuer
Spekulationsblasen und instabile Finanzmaerkte ist, ist eine gerechte
Verteilung eine Frage der politischen und oekonomischen Vernunft. Die
groessten und extrem konzentrierten Privatvermoegen Europas sind
groesser als vor der Krise und betragen ein Fuenffaches der
Staatsschulden. Werden sie nicht an einer Krisenloesung beteiligt, ist
es wahrscheinlich, dass sie in Folge von Staatsbankrotten und den
dadurch ausgeloesten Kettenreaktionen viel groessere Teile verlieren."
(Attac-Aussendung)

Quelle: http://www.attac.at/9675.html



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