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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 14. September 2011; 01:50
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Italien:

> Mailaender Boerse gestuermt

Als Auftakt zum Geneneralstreik hatte sich die Basis-Linke die
Mailaender Boerse vorgenommen. Der Protest galt dem neuen - die
Reichen schonenden - Belastungspaket. Einem Teil der Protestierenden
gelang es am 5. September vormittags bis in die 4. Etage der Boerse
vorzudringen und dort ein Buero zu besetzen (1), anderen wurde der Weg
vom Sicherheitspersonal versperrt (2).

Vor der Boerse, auf der Piazza Affari, wurde, nach dem Muster der
spanischen acampadas, ein kleines Zeltlager aus sieben Zelten,
errichtet (4). Die Polizei war gleich da und versuchte, zwei Zelte, in
denen sich Leute befanden, aufzureissen und wegzuzerren (5). Die Zelte
sollten die prekaeren Lebensumstaende der jungen Generation
symbolisieren. Daraufhin kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen
zwei AktivistInnen verletzt wurden. Schliesslich zogen sich die
Ordnungshueter zurueck (5).

Vom Balkon im 2. Stock hingen indes Fahnen der Basisgewerkschaft
herab. Das Gebaeude und der Platz waren voll mit Losungen."Predicate
Austerity! Raccoglierete rivolte! Que se vayan todos!" (Ihr predigt
Sparen, ihr werdet Revolten ernten! Verschwindet von der Bildflaeche!)
hiess es (5), zum Teil in Anlehnung an die spanische Bewegung.

Riccardo Germani, Sekretaer der Basisgewerkschaft der Provinz Mailand:
"Wir sind nicht gewillt, fuer irgend ein Paket zu zahlen, wir wollen
auch keine Soft-Varianten und am allerwenigsten alternative
Vorschlaege, die von den (staatsnahen, AuO) Gewerkschaften, den
Parteien der Mehrheit oder der Opposition abgesegnet werden. Die
Loesung fuer die Krise ist die Tilgung der Schuld." (5) Ganz in der
Tradition jener Arbeiterbewegung, die die Logik der Gegenseite als
voellig irrelevant fuer die eigene Argumentation ablehnt.

Durch zaehes Verhandeln gelang es nach zwei Stunden (so lange blieb
die Boerse besetzt), fuer die Zusage des Abzugs die Zusicherung zu
erhalten, bis zum Tag darauf auf dem Platz bleiben zu duerfen, also
bis zum Generalstreik.

Draussen gingen die Auseinandersetzungen weiter, und die
PlatzbesetzerInnen erkaempften sich hier, dass zwei Zelte vor der
Boerse bleiben durften, die anderen mussten in den hinteren Teil des
Business-Platzes verfrachtet werden. Auf diesem Platz traf am Abend um
1/2 9 Uhr der Protestzug der (links von der CGIL stehenden)
Metallarbeiter-Gewerkschaft FIOM ein, an dem sich auch grosse Teile
der radikalen Basis-Linken beteiligten.

Zwei politische Kraefte haben diese Aktion getragen, und die
Initiative ergriffen zunaechst einige Wenige. Es waren 8 AktivistInnen
des Mailaender Centro Sociale Cantiere (5) ("Werkstatt", "Baustelle")
und Militante der USB (Unione Sindacale di Base), der groessten
Basisgewerkschaft des Landes, eigentlich ein Zusammenschluss dreier
Basisgewerkschaften, der 2010 gegen die staatsnahen Gewerkschaften
CGIL-CISL-UIL entstand (7).

Bei der Ankuendigung der Teilnahme am Generalstreik bemerkte Pierpaolo
Leonardi von der Fuehrung der USB: "Wir moechten darauf aufmerksam
machen, dass das Belastungspaket 2010-2011 sich auf insgesamt 130
Milliarden Euro belaeuft, das entspricht einer Summe ..., die drei Mal
so hoch ist wie die des Sparpakets von Amato (8) im Jahre 1992... Die
kaempferische Gewerkschaftsbewegung (9) fordert dagegen die voellige
Tilgung der Schulden, die Einstellung der Ruestungsausgaben, eine
aktive Budgetpolitik im sozialen Bereich, in der Bildung, beim
oeffentlichen (gesellschaftlichen) Eigentum. ..." (10)

Aber etwas fuer die bisher EU-treue Linke Neues merkt man in folgenden
Ausfuehrungen: " Das Regierungspaket verschaerft sich von Tag zu Tag,
es ist der Ausdruck eines regelrechten Klassenhasses gegen die
Arbeiter, die Pensionisten, die Arbeitslosen, die Jugendlichen und die
Prekaeren. Dieses Paket darf nicht beschlossen werden. ... Die
Europaeische Union ist nicht die Loesung der Probleme, sondern die
Krankheit selbst, und morgen werden wir in ganz Italien gegen den
sozialen Raubbau, der den Nationalstaaten aufgezwungen wird, um die
unersaettliche Gier der Banken und Spekulanten zu befriedigen, auf die
Strasse gehen." (10)
(Aug und Ohr, 6. 9. 2011/gek)
*

(1) Irruzione antagonisti, polizia tenta sgombero, ANSA, 5. 9. 2011
(2) Gli "antagonisti" occupano Piazza Affari: «Rubano ai poveri per
dare ai ricchi», online news, 5. 9. 2011
(4) Milano, scontri in Piazza Affari - blitz dei centri sociali in
Borsa, La Repubblica, 5. 9. 2001
(5) Borsa Milano, irruzione degli antagonisti, Corriere della Sera, 5.
9. 2011.
http://milano.corriere.it/milano/notizie/cronaca/11_settembre_5/irruzione-antagonisti-borsa-milano-1901445549014.shtml .
Der brutale Raeumungsversuch ist hier zu sehen!
(7) Nasce l'Unione Sindacale di Base, Global Project, 14. 5. 2010
(8) Giuliano Amato, Ministerpraesident von 1992 bis 1993 und 2000 bis
2001
(9) Im Original "il sindacalismo conflittuale". "Conflitto" bedeutet
im Italienischen nicht bloss "Konflikt" im blassen Sinn etwa von
Interessensdivergenz, sondern tiefgehende und aktive soziale
Auseinandersetzung. Eine "conflittuale" Gewerkschaft koennte man also
mit "kaempferische" Gewerkschaft umschreiben
(10) Manovra bis: USB, esprime odio di classe. Non deve essere
approvata, Asca, 5. 9. 2011


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