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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 31. August 2011; 00:28
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Das Letzte:

> Sensibel ballernde Polizisten

Die Gruenen wollten am 8.Juni von der Innenministerin in einer
parlamentarischen Anfrage wissen, ob der polizeiliche Waffengebrauch
bei der Verfolgung von Sprayern, selbst wenn es sich dabei nur um
einen Warnschuss handle, ihrer Meinung nach angebracht sei.

Innenministerin Mikl-Leitner machte in ihrer Antwort klar, dass sie
eine wuerdige Nachfolgerin von Maria Fekter ist. Wir dokumentieren
hier Anfrage und Beantwortung leicht gekuerzt:

*

"ANFRAGE des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde an die
Bundesministerin fuer Inneres betreffend unverhaeltnismaessiger
Schusswaffengebrauch gegen Graffiti-Sprayer In der Nacht vom 15. auf
den 16. Jaenner 2011 kam es in Wien 18, Edmund-Weiss-Gasse, zu einem
unverhaeltnismaessigen und nach Einschaetzung der unterfertigten
Abgeordneten rechtswidrigen Schusswaffengebrauch durch einen
Exekutivbeamten.

Eine Streifenwagenbesatzung der Polizei stellte drei Jugendliche im
Alter von 13 bis 15 Jahren, die an der Ummauerung der Sternwarte einen
'ANTIFA'-Graffitischriftzug mit Spraydosen gestalteten.

Als die Jugendlichen die Polizei bemerkten, liefen zwei vorerst davon,
waehrend einer sofort stehen blieb. Noch bevor die einschreitenden
Exekutivbeamten versuchten, die fluechtenden Verdaechtigen durch
Nacheile zu stellen, gab einer der Polizisten einen 'Schreckschuss in
das lose Erdreich zur Ausuebung psychischen Zwanges' ab. (...)

Einer der beiden Fluechtenden wurde in der Folge eingeholt, zu Sturz
gebracht, und mit gezogener Waffe bedroht. Der dritte Verdaechtige
stellte sich in weiterer Folge nach telefonischer Aufforderung der
Polizei.

Der durch das Graffiti verursachte Reinigungsaufwand von etwas ueber
400 Euro wurde vollstaendig ersetzt, die Staatsanwaltschaft stellte
die Strafverfahren unverzueglich ein.

Der Waffengebrauch in diesem Fall erscheint als unzulaessig nach § 4
WaffengebrauchsG, da jedenfalls gelindere Mittel wie insbesondere die
Verfolgung der Fluechtenden - die ja letztlich auch tatsaechlich zum
Erfolg gefuehrt hat - zur Verfuegung gestanden waeren. Angesichts des
Umstandes, dass einer der drei Verdaechtigen gleich zu Beginn der
Amtshandlung stehen blieb, waere auch sonst eine Ausforschung der
weiteren beiden Personen sehr wahrscheinlich gewesen.

Angesichts der Geringfuegigkeit des Deliktes und der Jugendlichkeit
der Taeter war der Schusswaffengebrauch jedenfalls
unverhaeltnismaessig.

In einer durch die Jugendanwaltschaft Wien veranlassten Stellungnahme
erklaerte die Bundespolizeidirektion Wien - unter Abweichung vom
Sachverhalt, wie er sich aus den polizeilichen Aktenvermerken ergibt -
die Schussabgabe als gerechtfertigt und verwies dazu auf die
Entscheidung des UVS Tirol GZ: 2006/20/2011-7. Dabei wurde jedoch
verkannt, dass anders als in dem dort beurteilten Fall, in dem die
Abgabe eines Schreckschusses erst nach einer laengeren Verfolgungsjagd
und angesichts einer akuten Selbstgefaehrdung der Fluechtenden
erfolgte, hier der Schreckschuss gleich zu Beginn der Amtshandlung
abgegeben wurde, wie sich auch aus den vorliegenden Amtsvermerken der
Polizei ergibt. (...)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende ANFRAGE:

1. Ist der Einsatz von Schusswaffen durch die Polizei gegen
jugendliche Verdaechtige von Bagatelldelikten eine gaengige Praxis?

2. Wurde Ihrer Auffassung nach im gegenstaendlichen Fall das
WaffengebrauchsG eingehalten, obwohl ungefaehrlichere Massnahmen iSd §
4 leg cit erst nach dem Schusswaffeneinsatz ergriffen wurden?

3. Falls nein: welche disziplinaeren Massnahmen wurden aufgrund des
Vorfalles ergriffen?

4. Wie erklaeren Sie den Umstand, dass die Stellungnahme der
Bundespolizeidirektion Wien vom 17.3.2011 in wesentlichen Punkten von
einem anderen Sachverhalt ausgeht, als er sich aus den Amtsvermerken
der Polizei und den Schilderungen der Jugendlichen ergibt?

5. Welche Vorschriften und Dienstanweisungen bestehen in Ihrem Ressort
zum Einsatz von Schusswaffen gegen Kinder und Jugendliche? (...)

7. Die Jugendlichen berichten, dass bei einem von Ihnen der
vernehmende Polizist eigenmaechtig das Mobiltelefon nach angerufenen
Telefonnummern durchsuchte und darauf gespeicherte SMS gelesen hat.
Auf welche Rechtsgrundlage gruendet sich eine derartige
Vorgehensweise? (...)

9. Welche Massnahmen werden Sie ergreifen um sicherzustellen, dass der
Verhaeltnismaessigkeit des Schusswaffengebrauches, insbesondere bei
Bagatelldelikten wie geringfuegigen Sachbeschaedigungen durch Kinder
und Jugendliche, in Zukunft mehr Beachtung geschenkt wird?"

*

Mikl-Leitner liess am 8.August wie folgt die Anfrage
beantworten:

*

"Zu Frage 1: Nein.

Zu den Fragen 2 und 3: Meinungen und Einschaetzungen sind nicht
Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechtes.

Zu Frage 4: Die Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien vom 17.
Maerz 2011 gruendet sich nachvollziehbar auf die in dieser Causa am
16. Jaenner 2011 verfassten Amtsvermerke und Stellungnahmen.

Zu Frage 5: Die im Waffengebrauchsgesetz 1969 normierten
Zwangsbefugnisse sowie die erlassmaessige Regelung im Zusammenhang mit
dem Vorgehen bei Zwangsmittelanwendungen stellen ausschliesslich auf
die objektiven Tatbestandsmerkmale eines vorliegenden Sachverhaltes,
insbesondere auf das Verhalten von tatverdaechtigen Personen ab. (...)

Zu Frage 7: Die zwei Beschuldigten wurden zwecks sofortiger Vernehmung
gemaess § 153 Strafprozessordnung (StPO) auf die Polizeiinspektion
Martinstrasse verbrachten, wo die zunaechst jegliche Angaben zur ihrer
Person und zum fluechtigen Mittaeter verweigerten.

Nachdem in der Polizeiinspektion das Mobiltelefon eines der bis zu
diesem Zeitpunkt namentlich noch nicht identifizierten Beschuldigten
mehrmals laeutete, wurde die Telefonnummer des Anrufers abgelesen und
dieser in weiterer Folge fernmuendlich kontaktiert.

Diese Massnahme gruendete sich auf die Bestimmungen der
Strafprozessordnung und diente sowohl der Identitaetsfeststellung der
angehaltenen Personen als auch der Ausforschung des fluechtigen
dritten Mitbeschuldigten. Ziel war es, im Sinne der
Verhaeltnismaessigkeit freiheitsbeschraenkende Massnahmen moeglichst
zu vermeiden, bzw. diese so kurz als moeglich zu halten. Es wurden
weder gespeicherte SMS geoeffnet bzw. gelesen, noch sonstige Daten des
Mobiltelefons abgerufen bzw. in solche Einsicht genommen. (...)

Zu Frage 9: Durch regelmaessige Schulungen anlaesslich der beruflichen
Aus- und Fortbildung von Exekutivbediensteten wird die Sensibilitaet
hinsichtlich eines Schusswaffengebrauchs permanent gefoerdert und
verbessert." ###

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Quellen:
Anfrage 8719/J XXIV. GP -
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_08719/fname_222456.pdf
Anfragebeantwortung 8630/AB XXIV. GP -
http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_08630/fname_228051.pdf




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