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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 15. Juni 2011; 15:45
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Polizei/Recht:

> 1. Mai 2009 in Linz: Naechste Justizrunde

Der Verfassungsgerichtshof hob -- nach den Vorkommnissen am 1.Mai 2009
in Linz -- letzten Dezember die seltsame StPO-Regelung auf, wonach
sich der UVS fuer unzustaendig bei Beschwerden gegen Polizeiverhalten
erklaeren konnte. Jetzt kann das Beschwerdeverfahren gegen die Polizei
neu aufgerollt werden


Seit der seit 2008 geltenden Strafprozessnovelle haben wir immer
wieder erleben muessen, dass der Unabhaengige Verwaltungssenat
Massnahmenbeschwerden bezueglich konkreter Amtshandlungen der Polizei
aufgrund einer Rechtsunklarheit nicht zulaesst und sich fuer
unzustaendig erklaert. Somit wurde Opfern von polizeilichem
Fehlverhalten eine wichtige Moeglichkeit genommen, gegen ein solches
Beschwerde einzulegen und die Arbeit der Polizei einer gerichtlichen
Nachpruefung zu unterziehen (s.a. akin 20/2010).

Die erste UVS Entscheidung und die Bescheidbeschwerde beim VfGH

Auch bei dem Pruegeleinsatz der Polizei bei der 1. Mai Demo 2009 in
Linz wurden Demonstrant_innen verpruegelt und mit (unangemessener)
Gewaltanwendung festgenommen. Daraufhin mussten sich diese auch noch
vor Gericht wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" verantworten,
wurden jedoch alle freigesprochen. Gleichzeitig entschieden sich zwei
der Betroffenen mit der Unterstuetzung ihres Anwaltes und der
Rechtshilfe eine Beschwerde gegen das Vorgehen der Polizei beim UVS
einzubringen. Kritisiert wurden darin unter anderem Art und Umstand
der Festnahme, die Verletzung durch verbotenen Waffeneinsatz und die
Fesselung waehrend der Anhaltung. Der UVS stellte in einer Verhandlung
im Mai 2010 zwar grundlegend klar, dass eine Einkesselung aufgrund des
Vorwurfs der Vermummung verfassungswidrig ist - weil eine
Verwaltungsuebertretung zu keiner kollektiven Einschraenkung der
grundrechtlich garantierten Versammlungsfreiheit fuehren darf - wollte
aber zu den konkret kritisierten polizeilichen Zwangsmassnahmen gegen
die beiden Betroffenen keine Stellung beziehen, da sich der UVS durch
die neue StPO dafuer nicht zustaendig fuehlte. Der UVS argumentierte
die Ablehnung damit, dass durch die neue gesetzliche Regelung in der
Strafprozessordnung eine Beschwerde beim UVS nur mehr moeglich sei,
wenn die Amtshandlung im Bereich der sicherheitspolizeilichen Agenden
(eigenmaechtiger Handlungen ohne konkrete Straftat im Dienste von
Sicherheit und Ordnung) angesiedelt ist und nicht in den
kriminalpolizeilichen (nach einer Straftat als Strafverfolgung im
Dienste der Justiz). Die Polizei legitimierte ihr Amtshandlung jedoch
mit einem vorher angeblich gesetzen Straftat (Widerstand). Der UVS
nahm bei seiner Argumentation Bezug auf den §106 Abs 1 StPO und dessen
Interpretation, dass eine Pruefung der Angelegenheit nur durch ein
ordentliches Gericht zu erfolgen hat (die ungleich aufwaendiger und
teurer ist). Die beiden Betroffenen richteten daraufhin eine
Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung
verfassungsgesetzlich gewaehrleisteter Rechte und Anwendung einer
rechtswidrigen Norm (Gesetz). Dass die beiden in der Zwischenzeit vom
Vorwurf des Widerstandes freigesprochen wurden und somit im Nachhinein
festgestellt worden ist, das keine Straftat vorgelegen hat, sei nur am
Rande erwaehnt. Der VfGH folgte unserem Begehren und der Beschwerde
und aenderte kurzerhand das Gesetz. [1]

Somit wurde eine bisher geltendes Gesetz durch den VfGH abgeaendert,
weil es der Verfassung widerspricht. Dies deswegen, da durch das neue
Gesetz (StPO) die Gewaltentrennung (von Polizei und Justiz) in Frage
gestellt wurde und somit der Trennungsgrundsatz im
Bundes-Verfassungsgesetz [2]. Akte der Kriminalpolizei im Dienste der
Strafverfolgung ohne Vorliegen einer staatsanwaltlichen Anordnung oder
gerichtlichen Bewilligung sind verwaltungsbehoerdliche Akte und somit
nicht vom Gericht, sondern eben dem Verwaltungssenat zu pruefen.
Weiters war fuer diese Entscheidung ausschlaggebend, dass
Rechtsschutzsuchende so viel Klarheit wie moeglich erwarten duerfen,
wo und wie sie Beschwerde einlegen koennen. Mit der
Doppelzustaendigkeit von UVS und Gericht und der nicht eindeutigen
Interpretation der Gesetzesstellen in der neuen StPO war dies nicht
moeglich. Nach der EMRK (Europaeischen Menschenrechtskonvention) steht
aber jeder und jedem das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer
nationalen Instanz gegen eine behauptete Verletzung von Rechten und
Freiheiten zu.

Nach dem VfGH-Entscheid besteht wieder Rechtsklarheit und der UVS darf
sich wieder zustaendig fuehlen. Gegen jegliche polizeilicher
Amtshandlung (vor allem Akte unmittelbarer Befehls- und
Zwangsgewalt) - egal auf welcher gesetzlichen Grundlage diese
vollzogen werden - kann beim UVS Beschwerde eingelegt werden. (Anm.
akin: Ein Kommentator in der "Presse" befuerchtet dadurch allerdings
eine neue Rechtsluecke: Bestimmte Beschwerden gegen Akte der
Kriminalpolizei -- bspw. Verweigerung der Akteneinsicht -- seien in
einem Verfahren durch das Gericht weitaus effizienter ruegbar. Ein
Verfahren vor dem UVS koennten nicht im selben Ausmass die Wahrung der
Rechte eines Beschuldigten im gerichtlichen Strafverfahren
gewaehrleisten.)

Neuerlicher Anlauf

Nun, nach mehr als zwei Jahren, kann es endlich zu einer gerichtlichen
Nachpruefung der Amtshandlung(en) kommen. Gleichzeitig hat die
Staatsanwaltschaft Linz entschieden, dass die Verfahren
(Untersuchungen) gegen die vier an Pruegelei und Verhaftungen
beteiligten Polizisten eingestellt werden, da ihrer Ansicht nach "kein
tatsaechlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht". Diese
Benachrichtigung beinhaltet keinerlei Begruendung. Damit wollen sich
die Betroffenen nicht abfinden. Daher wird nun eine Begruendung der
Einstellung verlangt, in der die Staatsanwaltschaft ausfuehren muss,
welche Tatsachen und Erwaegungen der Einstellung zugrunde liegen.
Danach kann dann ein Fortfuehrungsantrag gestellt werden, ueber den
das Landesgericht zu entscheiden hat. Die Szene die dabei im
Mittelpunkt steht ist unter anderem jener brutaler Angriff einer
Polizeieinheit auf eingekesselte Demonstranten und die danach
folgenden Verhaftungen die auch filmisch festgehalten wurden und schon
Beruehmtheit erlangten. Mit Spannung erwarten wir nun die erneute
Verhandlung vor dem UVS und die Begruendung der Staatsanwaltschaft.

Probezeit fuer einen Polizisten

Jener Polizist, der Rainer Zendron von hinten mit einem Schlagstock
traktierte, hat in der Zwischenzeit von der Staatsanwaltschaft eine
Diversion (Einstellung des Verfahrens gegen Erfuellung bestimmter
Leistungen) angeboten bekommen und hat diese auch angenommen. Somit
ist er ohne Verurteilung davon gekommen. Die Diversion sieht so aus,
dass von der Fortfuehrung des Strafverfahrens abgesehen wird, wenn
dieser Polizist sich innerhalb eines Jahres wohlverhaelt (Probezeit)
und zudem (zuzueglich den Verfahrenskosten) ein Schmerzengeld in der
Hoehe von € 100,00 an Rainer Zendron bezahlt. Die von der
Staatsanwaltschaft in die Wege geleitete diversionelle Erledigung ist
ueber Weisung des Justizministeriums erfolgt.. Die Staatsanwaltschaft
hatte urspruenglich vor, einen Strafantrag einzubringen. Dessen
Strafverfahren im Hinblick auf den Vorwurf des Amtsmissbrauchs wurde
gaenzlich eingestellt. Gegen einen weiteren Beamten der auf Zendron
einschlug wurde das Ermittlungsverfahren wegen Notwehr bzw. Irrtum
ueber eine rechtfertigende Notwehr eingestellt.
(Autonome Rechtshilfe Linz / bearb.)

Originaltext: http://at.indymedia.org/node/20731

[1] Siehe VfGH-Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, G 259/09 ua:
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vfgh/JFT_09898784_09G00259_00/JFT_09898784_09G00259_00.pdf
sowie die Entscheidung im konkreten Fall,
http://gegenpolizeigewalt.servus.at/sites/gegenpolizeigewalt.servus.at/files/vfgh_entscheidung_02052011.pdf
[2] Artikel 94. B-VG: Die Justiz ist von der Verwaltung in allen
Instanzen getrennt.



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