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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Mai 2011; 23:24
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Israel/Palaesina/Debatte:

> Die Vernunftbewaffneten

Zu: "Die Geschichtsbewaffneten", akin 13/2011
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Hallo Bernhard -- fuer die letzte akin hast du eine Art Leitartikel
(persoenliche Auslegung von historischen Ereignissen einschliesslich
Appell auf der Titelseite) verfasst ueber die Art und Weise wie der
anhaltende Konflikt zwischen der arabischen Welt und Israel benutzt
wird, um "Krieg zu treiben".

Dein Appell -- so koennte man meinen -- ergeht an die Vernuenftigen,
die die Auseinandersetzung mit dem Zionismus und seinen Zielen satt
haben, sie sollen doch bitte nicht mit "kontroversiellen
Geschichtserzaehlungen" herumwerfen. Allerdings schlaegt die von dir
praktizierte Form der Geschichtserzaehlung selbst in genau die Kerben
einer Seite der Argumentation, die du hier als kontroversiell
anfuehrst.

Geschichtsmissbrauch

Der Allgemeinplatz vom falschen "Nutzen der Geschichte als indirekt
todbringende Waffe ueber Jahrzehnte hinweg" unterstuetzt -- ebenso wie
das Verorten irgendwelcher Kriegstreiber -- ein ausgelutschtes
Klischee, dass in aehnlicher Diktion bereits auf zahllosen
Demonstrationen skandiert und in schoener Regelmaessigkeit von
irgendwelchen Beruehmtheiten ausgeschildert wird, wenn sie zB
oeffentlich sagen, dass ihnen "Israel wirklich auf die Nerven" (Lars
von Trier) gehe und dass die Juden endlich aufhoeren sollten, den
herrschenden Antisemitismus fuer ihre Zwecke zu missbrauchen. Es macht
keinen Unterschied, ob du die Vorwuerfe der Kriegstreiberei und
Missbraeuchlichen Anwendung der Geschichte nur gegen den Zionismus
erhebst, oder auch gegen arabische Bestrebungen. Diese Vorwuerfe
fuehren ein Problem mit wenigen Schritten auf die vermeintliche
Boesartigkeit der AkteurInnen zurueck, waehrend du als neutraler
Kritiker im rechten Licht verweilen kannst. Diese Darstellung greift
aber zu kurz, es wird weder der einen noch der anderen Seite - wenn
man sie schon verallgemeinern will - lediglich um Krieg oder ums
Rechthaben gehen. Die AkteurInnen der arabischen Seite sind etwas
diffuser verfasst, waehrend sich Israel als zionistischer Akteur der
Kriegstreiberei relativ schnell fassen laesst.

Mental Israel Defense Force?

Es geht hier nicht einfach nur um "geistige Landesverteidigung" -- was
irgendwie nach "Propaganda" klingt - sondern um die tatsaechliche
Verteidigung eines Staates, der -- wenn man die letzten 60 Jahre
betrachtet - gewissermassen in einem antisemitischen Wespennest zu
sitzen scheint. Und auch der Blick auf die gegenwaertige Situation
muss nichts Gutes verheissen, denn wie El Gawhary auf seinem taz-blog
richtig beschrieben hat: "Die Prosteste am Nakba-Tag zeigen, dass
Israel in Zukunft mit einem neuen Faktor kalkulieren muss: der
arabischen oeffentlichen Meinung. Es reicht nicht mehr, mit ein paar
Diktatoren einen Deal abzuschliessen. Man muss die Menschen
ueberzeugen, dass tatsaechlich an einer gerechten Loesung in der
Palaestinenserfrage gearbeitet wird."

Und tatsaechlich scheint es, als waere ausschliesslich Israel dafuer
verantwortlich, eine gerechte Loesung im Nahost-Konflikt
herbeizufuehren, nicht aber die Streitparteien der arabischen Welt.

Geschichtsverdrehung

Die Kriegserklaerung arabischer Staaten gegen ein neu gegruendetes
Israel ist ein geschichtliches Faktum, und eben keine
Eigeninterpretation zur "geistigen Landesverteidigung". Nach der
Gruendung Israels im Mai 1948 liessen Aegypten, Saudi-Arabien,
Jordanien, Libanon, Irak und Syrien keinen Tag verstreichen, ohne dem
neuen Staat den Krieg erklaert zu haben.

Die Katastrophe -- Nakba -- ist im arabischen Sprachgebrauch nicht
etwa nur die Vertreibung und anschliessende "Aussperrung" von
PalaestinenserInnen durch den Krieg, sondern der Krieg selbst. Wobei
mir nicht so klar ist, was fuer die arabische Welt die Katastrophe
dran ist. Die Unabhaengigkeitserklaerung Israels, die Kriegserklaerung
der oben aufgezaehlten Staaten, die Tatsache dass sich Israel gewehrt
hat oder doch die Tatsache, dass die Vertriebenen und ihre Nachkommen
nicht mehr zurueck duerfen?

Auch in den nachfolgenden Jahren verbuendeten sich die erwaehnten
Staaten immer wieder aufs Neue gegen Israel und sparten nicht mit
grossmaeuligen Ankuendigungen, Israel zu vernichten -- so zB 1967 in
den Monaten vor dem Sechs-Tage-Krieg, als hohe Vertreter der Staaten
von einer bevorstehenden "Vernichtungsschlacht" und einem "totalen
Krieg gegen Israel" sprachen.

Israel hat auch heute noch allen Grund, sich vor antizionistischen
Angriffen zu fuerchten, denn die Ausloeschung des juedischen Staates
wird noch immer lautstark gefordert. So wurde zB heuer anlaesslich des
israelischen Tages der Unabhaengigkeit bzw. anlaesslich des
Nakba-Tages zur 3. Intifada aufgerufen, eine entsprechende
Facebookseite mit 340.000 Mitgliedern musste wegen eskalierenden
Gewaltandrohungen geschlossen werden 1). Auf El Gawharys Blog ist
davon -- sofern ich's nicht uebersehen hab -- uebrigens nichts zu
lesen.

Kriegserklaerung 2.0

Man sollte also nicht nur in Erinnerung behalten, was vor 63 Jahren
war, sondern auch das, was in der Zwischenzeit geschehen ist bzw.
gesagt wurde. Waren es frueher Radiosender oder Verteidigungsminister,
die vorgaben fuer eine grosse Zahl von Menschen zu sprechen wenn sie
Israel den Krieg erklaerten, so laesst sich die Zahl dieser Menschen
und ihre ideologischen Ausrichtung nun mittels der Kommentare und
"gefaellt mir"-Daumen bei Facebook erahnen. Und da kann es einem schon
kalt den Ruecken runterlaufen, wenn ein nicht unerheblicher Teil der
Leute weit unter das Niveau von krone-online-Kommentaren (die sind
meist schlimmer als die LeserInnenbriefe) fallen. Zu der grossen
Bedrohung moeglicher Terroranschlaege kommen damit fuer die
israelische Bevoelkerung tausend kleine Drohungen hinzu. Israel
braucht also immer noch allen Schutz, den es bekommen kann. Aber auch
auf mich wirken viele Versuche, diesen Schutz zu gewaehrleisten eher
hilflos. So wirksam eine Mauer gegen SelbstmordattentaeterInnen sein
mag, zum dauerhaften Frieden - der den besten Schutz der israelischen
Bevoelkerung darstellen wuerde (das weiss auch Netanyahu glaub' ich) -
traegt sie nicht bei. Die Frage bleibt aber, ob Israel sich einseitige
Friedensbemuehungen ob der herrschenden Terrorgefahr ueberhaupt
leisten kann.

Ziel des Zionismus war die "Schaffung einer oeffentlich-rechtlich
gesicherten Heimstaette fuer JuedInnen in Palaestina" und ist deren
Aufrechterhaltung. Unter Fatah und Hamas wird es das derzeit wohl eher
nicht spielen. Deshalb verbleibe ich mit einem verspaetetem
Glueckwunsch an die Ueberlebenden der Shoah und ihre Angehoerigen
anlaesslich des 8. Mai und des Jom haAtzma'ut: "Lang lebe Israel"

ps: den grund warum Ben Segenreich Karim El Gawhary bei der
israelkorrespondenz vorgezogen wird, vermute ich in dem umstand, dass
Israel ein souveraener staat ist und dass Segenreich - und nicht El
Gawhary - Israelkorrespondent ist. ich kann mich nicht erinnern, in
fragen die zB die Vereinigten Staaten betreffen jemals einen anderen
Korrespondenten gesehen zu haben als Hanno Settele oder Raimund Loew -
bzw. mich ueber diesen umstand gewundert zu haben.
-pc-


1)
http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/facebook-intifada-page-removed-when-comments-deteriorated-to-direct-calls-for-violence-1.353319
http://de.wikipedia.org/wiki/Israel#Nach_der_Unabhaengigkeit



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