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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 24. Mai 2011; 23:17
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Welt/Deutschland:
> Attac-Kongress "Jenseits des Wachstums?!"
Kritik am vorherrschenden Entwicklungsmodell und am Geld
Mit mehr als 1500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist am
Freitagnachmittag der Kongress "Jenseits des Wachstums?!" an der
Technischen Universitaet in Berlin eroeffnet worden. Bis Sonntag ging
es in mehr als 70 Veranstaltungen um die Probleme der gegenwaertigen,
vom Wachstumszwang dominierten Wirtschaft und Alternativen zu ihr. Im
Mittelpunkt des Kongresses, den das globalisierungskritische Netzwerk
Attac in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-, der Heinrich-Boell-,
der Otto-Brenner- und der Rosa-Luxemburg-Stiftung ausrichtet, stehen
Fragen wie: Was ist falsch an der gegenwaertigen Wachstumsoekonomie?
Ist oekologisches und soziales Wachstum moeglich? Und wie koennte eine
Gesellschaft ohne Wachstumszwang aussehen?
Vandana Shiva, indische Traegerin des Alternativen Nobelpreises, sagte
zum Auftakt des Kongresses: "Die heutige Oekonomie ist losgeloest von
oekologischen Prozessen und Grundbeduerfnissen und steht in
Widerspruch zu ihnen. Waehrend die Zerstoerung der Natur mit einer
Verbesserung des menschlichen Wohlergehens gerechtfertigt wird, haben
fuer die Mehrheit der Menschen Armut und Vertreibung von ihrem Besitz
zugenommen. Waehrend dieser Prozess nicht oekologisch nachhaltig ist,
ist er auch oekonomisch ungerecht. Waehrend er als 'oekonomische
Entwicklung' angepriesen wird, fuehrt er zu Unterentwicklung. Waehrend
er Wachstum schaffen soll, verursacht es lebensbedrohliche
Zerstoerung. Das vorherrschende Modell 'wirtschaftlicher Entwicklung'
richtet sich gegen das Leben selbst."
"Buen Vivir"
Alberto Acosta, der Vorsitzender der Verfassunggebenden Versammlung
sowie Energieminister Ecuadors war, sprach ueber das Konzept des "Buen
Vivir" (Gutes Leben), das eine zentrale Rolle in der Debatte um
Alternativen zum vorherrschenden Wachstumsmodell. "Buen Vivir ist eine
Moeglichkeit, eine andere Gesellschaft zu schaffen, die auf dem
Zusammenleben der Buerger in Vielfalt und Harmonie mit der Natur
beruht und auf der Anerkennung der unterschiedlichen kulturellen Werte
basiert, die in der Anden-Region und der Welt bestehen", sagte Alberto
Acosta. Dies stehe einer moeglichen Modernisierung der Gesellschaft
aber nicht entgegen, insbesondere dann nicht, wenn das Buen Vivir in
den technologischen Fortschritt mit einbezogen werde. "Eine
wesentliche Aufgabe liegt im fortlaufenden und konstruktiven Dialog
des traditionellen Wissens mit dem neuesten universellen Gedankengut,
der in einem fortwaehrenden Prozess der Entkolonialisierung der
Gesellschaft dient." Und Acosta weiter ueber das Buen Vivir: "Die
indigene Weltanschauung kennt keine Entwicklung als linearen Prozess
mit einem Ausgangs- und einem Endzustand oder eine Unterentwicklung,
die es zu ueberwinden gilt. Fuer die indigenen Voelker existiert weder
der herkoemmliche Begriff der Armut als Mangel an materiellen Guetern
noch der des Reichtums als Uebermass derselben." Materielle Gueter
seien hier nicht die einzigen bestimmenden Faktoren; andere Werte
seien Wissen, soziale und kulturelle Anerkennung, ethische und auch
spirituelle Verhaltenskodizes, menschliche Werte oder
Zukunftsvorstellungen. "Ohne falsche Idealisierung der indigenen
Lebensweise sind wir eingeladen, andere Weisheiten und Praktiken
anzunehmen, in diesem Fall die der traditionell marginalisierten
Nationalitaeten und Voelker. Das Buen Vivir als Konzept stellt den
westlichen Wohlstandsgedanken in Frage. Es hat nicht nur eine
historische Verankerung in der indigenen Welt, es beruht auch auf
einigen allgemeinen philosophischen Prinzipien wie denen von
Aristoteles oder Marx bzw. auf oekologischen, feministischen,
kooperativen und humanistischen Sichtweisen."
Gegen Kapital und Staat
"Eine Alternative muss das Geld ueberwinden" meinte bei der
Auftaktpodiumsdiskussion de "Streifzuege"-Redakteur Andreas Exner.
Regionalwaehrungen seien kein Ausweg aus Markt, Ausbeutung und
Konkurrenz, ebenso wenig helfe zinsloses Geld: "Der Zins ist nicht die
Ursache von Wachstum, sondern wuergt es im Extremfall ab. Fragwuerdig
ist auch die Perspektive einer staatlichen Steuerung. Denn der Staat
ist ein Herrschaftsapparat, kein neutrales Werkzeug schoener Ideen.
... Der Markt parasitiert immer schon an dem, was wir in direkter
Kooperation, lokal, regional und global machen, im Haushalt, im
Betrieb, in sozialen Netzwerken, Bewegungen und im Ehrenamt. Die
Alternative ist schon im Hier-und-Jetzt vorhanden. Wir muessen sie
freilich entfalten. Und das geht nicht mit, sondern nur gegen Kapital
und Staat." Der Knackpunkt liege jedoch darin, "dem Markt
fortschreitende Ressourcen zu entziehen und den Staat zugunsten einer
freien gesellschaftlichen Koordination ueber gestaffelte Gremien
abzubauen".
(Presseaussendung/akin)
Volltexte:
Vandana Shiva: http://kurzlink.de/Auftakt_Shiva
Alberto Acosta: http://kurzlink.de/Auftakt_Acosta
Andreas Exner:
http://www.keimform.de/2011/was-kann-ein-jenseits-des-wachstums-bedeuten/
Kongress-Homepage:
www.jenseits-des-wachstums.de
Mehr zu buen vivir auch in: "Juridicum" Nr. 4/2009, ab Seite 219:
http://www.attac-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/AGs/Lateinamerika/Buen_Vivir/Alberto%20Acosta%20-%20Schaffung%20einer%20Utopie%20%28deutsch%29.pdf
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