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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 18. Mai 2011; 01:16
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FPOe:

> Die soziale Heimatpartei

Die "Freiheitlichen" und ihre Sozialpolitik: Vom "Saisonniersmodell"
zur Ablehnung des Lohn- und Sozialdumping-Bekaempfungsgesetzes
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"Dieses gesteuerte und politisch erwuenschte Lohndumping wollen wir
nicht, und dagegen verwahren wir uns!", schmetterte Barbara Rosenkranz
im April 2007 ins Plenum des Nationalrats.

Und als im April 2011 im oesterreichischen Nationalrat Bestimmungen
gegen Lohn- und Sozialdumping beschlossen wurden, meinte
FPOe-Klubobmann Strache auch noch: "Ich denke, wir brauchen
Schutzmassnahmen gegen gewisse Bedrohungen unseres heimischen
Arbeitsmarktes durch billige Arbeitskraefte, und diese
Schutzmassnahmen sind einfach nicht da."

Umso ueberraschender in der Folge, dass die angebliche "soziale
Heimatpartei" FPOe den Massnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping die
Zustimmung verweigerte. Einem Gesetz, zugegebenerweise, das seine
Schwaechen hat, aber immerhin einen entscheidenden Fortschritt
gegenueber der Vergangenheit darstellt: Erstmals gibt es eine
Behoerde, die ueberprueft, ob die tatsaechlich bezahlten Loehne auch
den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.

Aber vielleicht ist das gar nicht so ueberraschend. Abseits der
Plakatwerbung vor Wahlen betreibt die FPOe naemlich bereits seit
Jahren eine Politik der Foerderung von Lohn- und Sozialdumping: Keine
andere oesterreichische Partei hat die Forderung nach Schaffung und
den Ausbau des Sonderstatus "Saisonnier" derart intensiv betrieben wie
die FPOe. Eines Modells, bei dem Arbeitskraefte weniger Moeglichkeiten
und Rechte haben als sonst im Arbeits- und Sozialrecht vorgesehen.

Schon im Jahr 1996 verlangte der damalige Wirtschaftssprecher der
FPOe, Prinzhorn, die Schaffung eines "Saisonniersmodells". Ein grosser
Vorteil, so Prinzhorn damals: "Saisonniers sind nur kranken- und
unfallversichert; es muessen daher keine Beitraege zur Arbeitslosen-
und Pensionsversicherung sowie zum Familienlastenausgleichsfonds
bezahlt werden."


In den Folgejahren forderte die FPOe wiederholt die Schaffung eines
Saisonniersmodells und verknuepfte diese Forderung mit Verschaerfungen
des Fremdenrechts, etwa einem "sofortige(n) Bewilligungsstopp fuer die
Zulassung neuer tuerkischer Arbeitnehmer auf den inlaendischen
Arbeitsmarkt" und "keine(n) weiteren Bewilligungen nach dem
Aufenthaltsgesetz".

Die FPOe forderte also, dass nur jene AuslaenderInnen in Oesterreich
arbeiten sollten, fuer die deutlich weniger
Sozialversicherungsbeitraege und keine Beitraege zum
Familienlastenausgleichsfonds (aus dem etwa Kinderbetreuungsgeld und
Familienbeihilfe bezahlt werden) zu entrichten seien.

Der FPOe ging es somit gar nicht um den Schutz oesterreichischer
ArbeitnehmerInnen oder um die Verhinderung von Lohndumping, sondern
darum, auslaendische Arbeitskraefte mit weniger Schutz und Rechten
auszustatten und fuer Unternehmen billiger zu machen; also um
gesetzlich geregeltes und legitimiertes Lohndumping. Und sie war
erfolgreich: Im Jahr 2002 fuehrte die damals blau-schwarze
Regierungskoalition tatsaechlich eine Saisonniersregelung ein, die
betroffene ArbeitnehmerInnen weitgehend entrechtete und zumindest zum
Teil fuer ArbeitgeberInnen "verbilligte" (§ 5
Auslaenderbeschaeftigungsgesetz). In der Folge wurden Jahr fuer Jahr
zwischen 65.000 und 70.000 mal die Bewilligung erteilt, Menschen unter
wesentlich schlechteren Bedingungen zu beschaeftigen als "normale"
Beschaeftigte.

Als Saisonniers beschaeftigte Menschen sind gleich mehrfach gegenueber
anderen benachteiligt: Sie sind automatisch nur befristet beschaeftigt
und haben daher kaum die Moeglichkeit, sich gegen schlechte
Arbeitsbedingungen oder zu niedrige Loehne zur Wehr zu setzen. Und sie
muessen Steuern und Beitraege fuer Leistungen abfuehren, die sie nicht
in Anspruch nehmen koennen. Saisonniers im Tourismus etwa muessen zwar
Arbeitslosenversicherungsbeitraege entrichten, koennen aber kein
Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen, da sie nach spaetestens neun
Monaten automatisch das Recht, in Oesterreich zu arbeiten, verlieren
und somit die Grundbedingungen fuer das Arbeitslosengeld, naemlich dem
Arbeitsmarkt zur Verfuegung zu stehen, nicht erfuellen duerfen. Ein
Missstand, der sich in allen Bereichen des Sozialrechts fortsetzt.

Fuer die grosse Zahl der ErntehelferInnen werden gleich gar keine
Pensionsversicherungsbeitraege oder Beitraege zum
Familienlastenausgleichsfonds in Rechnung gestellt. Sie kommen
Betrieben also auch noch deutlich billiger als andere Menschen. Es
gibt somit fuer Unternehmen gute Gruende, eher auf Saisonniers zu
setzen, als "normale" Arbeitsplaetze zu schaffen: Saisonniers muessen
alle Arbeitsbedingungen akzeptieren, werden nicht vertreten und sind
so schnell wieder ausser Landes, dass sie etwaige Verfahren um ihre
Ansprueche gar nicht fuehren koennen. Kein Wunder also, dass
ErntehelferInnen in Oesterreich laut Kollektivvertrag gerade einmal
den skandaloesen Hungerlohn von € 6,18 in der Stunde bekommen, sofern...
ja ... sofern sie ihn ueberhaupt bekommen. Denn die Mehrheit der
Arbeitsverhaeltnisse stellen in der Praxis auf eine Art Akkordlohn ab,
bei dem etwa Loehne pro abgeernteten Quadratmetern oder pro geernteten
Kilogramm bezahlt werden. Damit ist auch die Einhaltung des
Kollektivvertrags, der Arbeitszeiten und der Ruhepausen etc.
unueberpruefbar.


Bei den Saisonniers kommt alles zusammen, was die Durchsetzung von
Arbeitsrechten, hoeheren Loehnen und besseren Arbeitsbedingungen sowie
der Beachtung gesetzlicher Bestimmungen erschwert: kurze
Beschaeftigungsdauer, keine Jobsicherheit, keine Kenntnis der
Rechtslage, wenig Ortskenntnis und kaum soziale Kontakte, keine
Vertretung im Land, schlechte rechtliche Position verbunden oft auch
mit schlechten Sprachkenntnissen. Mit der Saisonniersregelung in
Oesterreich wurden extrem ungesicherte Arbeitsverhaeltnisse
geschaffen, die Unternehmen dazu verleiten, sich
BilligstarbeitssklavInnen zu besorgen, statt hier lebenden Menschen
gute und gerechte Loehne fuer gute Arbeit zu bezahlen.

Zurueck zur FPOe: Die Probleme mit Saisonniersmodellen waren
selbstverstaendlich schon lange vor deren Einfuehrung in Oesterreich
unter Blau-Schwarz bekannt. Auch wenn grundsaetzlich denkbar ist, dass
es FPOe-Politiker schlicht intellektuell ueberfordert, diese zu
erkennen, muss d ennoch davon ausgegangen werden, dass die FPOe mit
ihrer Forderung genau das erreichen wollte: Dass "AuslaenderInnen" in
Oesterreich entrechtet und nach Moeglichkeit fuer Unternehmen billiger
werden. Nun... Ziel erreicht. Die FPOe darf sich auf die Fahne heften,
diese Form des Lohn- und Sozialdumpings in Oesterreich durchgesetzt zu
haben.

Damit ist aber auch irgendwie klar, warum die FPOe gegen die
Bekaempfung von Lohn- und Sozialdumping ist: Fuer die Lohn- und
Sozialdumping-Foerderungs-Partei FPOe muss es wohl schrecklich sein,
wenn alle Arbeitenden unabhaengig ihrer Staatsbuergerschaft oder
Herkunft geschuetzt sind...
(stopptdierechten.at)

Quelle:
http://www.stopptdierechten.at/2011/05/13/fpo-fur-lohn-und-sozialdumping/




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