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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 20. April 2011; 00:56
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Arabische Revolutionen:
> Eine junge Frau als Stimme Aegyptens
Frauen waren entscheidend in den sozialen Bewegungen Nordafrikas
beteiligt. Jetzt besteht die Gefahr, dass sie wieder zurueckgedraengt
werden.
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Die junge Frau mit Kopftuch spricht ohne Pause, atemlos. Sie beginnt
mit der Mitteilung, dass vier Aegypter sich selbst in Brand gesetzt
haetten, um gegen Demuetigung, Hunger, Armut und Erniedrigung zu
protestieren. Sie haetten das ausserdem in der Hoffnung gemacht, eine
Revolution wie in Tunesien zu entzuenden.
Die junge Frau auf dem Video sagt, sie selber wolle sich nicht
verbrennen: "Vielleicht koennen wir Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre und
Wuerde des Menschen haben. Wir wollen am 25.Januar zum Tahrir Platz
gehen. (...) Ich werde nicht ueber irgendwelche politischen Rechte,
ich werde nur noch ueber Menschenrechte reden und sonst ueber gar
nichts. Das ganze System ist total korrupt. (...) Bring fuenf Leute
oder zehn mit zum Tahrir Platz. (...) Nur zu Hause sitzen und die
Revolution ueber Facebook oder Fernsehen zu verfolgen, fuehrt zu
unserer Demuetigung. Fuehrt zu meiner eigenen Demuetigung. (...) Wer
sagt, Frauen sollten nicht zu Protesten gehen, weil sie geschlagen
werden koennten, dem sag ich, lass uns Ehre und Wuerde und komm mit
mir am 25.Januar. Wenn du Ehre oder Wuerde als Mensch hast, komm her.
Komm und beschuetze mich und andere Maedchen in dem Protest." (frei
uebersetzt aus dem Arabischen).
Nachdem Asmaa Mahfouz am 18.Januar das Video gepostet hatte, ging sie
mit einer Fahne alleine auf den Tahrirplatz, drei junge Maenner kamen
noch dazu. Alle vier wurden vorlaeufig von der Polizei festgenommen.
Die 26-jaehrige studierte Betriebswirtin Asmaa Mahfouz hatte schon im
Fruehjahr 2008 mit anderen die 6.April-Jugendbewegung gegruendet. Im
Jahr 2008 nutzten die AktivistInnen dieser Bewegung Facebook, um
Unterstuetzung fuer einen Generalstreik der ArbeiterInnen in
El-Mahalla zu mobilisieren. Daraufhin wurde Mahfouz von aegyptischen
Sicherheitskraeften schikaniert und verlor aufgrund ihrer politischen
Aktivitaeten ihren Job als Buchhalterin.
Nach dem 18.Januar griffen zu ihrer eigenen Ueberraschung Dutzende von
anderen Menschen ihre Botschaft auf und begannen, ihre eigenen Bilder
zu posten. Sie hefteten sich Zeichen auf die Brust, die ihre Absicht
erklaerten, am 25.Januar auf die Strasse zu gehen. Was sich daraus
ergeben sollte, hatte zu Beginn der Bewegung kaum jemand fuer moeglich
gehalten.
Medien vergessen gerne die Rolle der Frauen
Auch die Medien vergessen gerne die Rolle der Frauen. Oft heisst es,
die Frauen haetten sich "den Protesten angeschlossen". Die westliche
Presse will vielleicht nicht wissen, dass sich Frauen nicht einfach
nur anschlossen, sondern ihre ureigensten Anliegen voller Mut und
Kraft vertraten. Sie erwaehnen oft nicht, dass der fuehrende Kopf in
der dreijaehrigen Demokratiebewegung Aegyptens eine 26-jaehrige
aegyptische Frau war. Asmaa Mahfouz gilt als eines der wichtigsten
Symbole der Bewegung. Auch auf der Strasse waren es meistens die
Frauen, die anfingen, "Mubarak hau ab!" zu skandieren.
Man fragt sich allerdings: Wo bleiben jetzt die Stimmen der
Frauenrechtlerinnen, die in Tunesien die Proteste mit unabhaengigen
Radios oder auch als Bloggerinnen initiiert haben? Wo werden aeltere
Frauenrechtlerinnen, die die soziale Lage und mangelnde
Gleichberechtigung von Frauen schon seit drei Generationen einklagen,
interviewt?
Man sieht auf Bildern viele glueckliche Frauen und Maedchen, mal mit
Schleier, mal ohne. Aber sie werden selten zitiert.
Viel ist ueber die Rechte der Frauen in muslimischen Laendern
geschrieben worden. Dieses Problem galt als eine Rechtfertigung fuer
westliche Militaer-Invasionen. Merkwuerdigerweise schwiegen und
schweigen sich die westlichen Medien aber weitgehend ueber die starke
Rolle der Frauen im Widerstand aus.
Frauenrechte in Aegypten vor der Revolution
Schon seit 1956 garantiert Aegypten allen volljaehrigen Frauen das
Wahlrecht. In Aegypten gibt es auch viele gut ausgebildete Frauen
gibt, die voll im Berufsleben stehen. Die Diskriminierung der
aegyptischen Frau ist jedoch in fast allen Schichten der Gesellschaft
tief verankert.
Bis zur Revolution wurde alle sechs Minuten eine Ehe geschieden und
fast immer wurde den Frauen die Schuld daran gegeben. Das hatte zur
Folge, dass Frauen selbst mit Kindern kein Recht auf Unterhalt hatten.
Uneheliche Kinder haben nach wie vor keine Rechte und duerfen nicht
zur Schule gehen. Aegyptischen Maedchen wurde aus Kostengruenden oft
die schulische Ausbildung vorenthalten, daher gibt es viele
Analphabetinnen. Viele Frauen koennen nicht das staatliche
Gesundheitssystem in Anspruch nehmen, da sie nicht im Besitz einer
Geburtsurkunde sind.
Deshalb werden viele Maedchen schon vor dem gesetzlichen Alter von
mindestens 16 Jahren verheiratet, oft gegen ihren Willen. Sexuelle
Belaestigungen auf der Strasse waren gang und gaebe. Deshalb trauten
sich Frauen selten ohne ihren Mann oder ihre Brueder in die
Oeffentlichkeit.
Die tabuisierte, aber krasseste Grausamkeit gegenueber Maedchen und
Frauen spiegelt sich in der weit verbreiteten Praxis der
Verstuemmelung der Geschlechtsorgane junger Maedchen wider. Aegypten
liegt weltweit an der Spitze, was diese archaische Tradition betrifft:
Mehr als 85% der 13- bis 19-jaehrigen Schuelerinnen sind heute
beschnitten, auch solche aus gebildeten Kreisen. 2005 waren es nach
USAID-Angaben sogar noch 96%. Genitalverstuemmelungen, unter deren
Folgen Frauen und Maedchen ein Leben lang zu leiden haben, sind in
Aegypten seit 2008 offiziell verboten. Es bleibt zu hoffen, dass
praktische Rechtsprechung und Aufklaerungsarbeit diese grausame Praxis
bald beenden.
Frauen nicht im Verfassungsrat
Es besteht durchaus die Gefahr, dass die Aegypterinnen nach der
Revolution, die sie entscheidend mitgetragen haben, wieder abgedraengt
werden. In dem vom Militaer ernannten Komitee, das die Verfassung
umschreiben soll, war juengst keine einzige Frau mit beteiligt. So wie
damals in Algerien nach dem Befreiungskampf oder nach der Revolte im
Iran, die massgeblich von Frauen mitgetragen wurde, die dann nach dem
Sieg der Revolution brutal unterdrueckt wurden.
Offene und verdeckte Maennermachtbuende oder die Angst und mangelnde
Solidaritaet der Frauen schwaechen den Kampf der Frauen um ihre Rechte
und ihre Anerkennung. Diese Forderungen jetzt im Wahlkampf weiter
durchzuhalten, wird eine schwere Aufgabe.
Die neue gewaltfreie Opposition ist im Unterschied zu den
Muslimbruedern und der alten Elite, die beide ueber maechtige
Seilschaften und Geld verfuegen, kaum organisiert. Waehrend der 18
Tage der Besetzung des Tahrirplatzes schliefen Frauen und Maenner
nebeneinander auf dem Platz. Bis zum Sieg der Revolution wurden keine
sexuellen Belaestigungen gemeldet.
Es besteht die Befuerchtung, dass dieser Geist der Gleichheit nicht
bestehen bleibt und die Aegypter und Aegypterinnen wieder in
traditionelle Rollenverteilungen zurueckfallen.
Die wohl bekannteste aegyptische Frauenrechtlerin, Nawal al-Saadawi
(79), mahnt an, diese Rueckschritte nicht stillschweigend hinzunehmen.
Die Schriftstellerin und Aerztin wurde im Kindesalter selbst
"beschnitten" und kaempft seit Jahrzehnten gegen diese und andere
Menschenrechtsverletzungen an. Fuer ihre Ueberzeugungen musste sie
schon ins Gefaengnis gehen, ihre Buecher standen in ihrer Heimat bis
vor kurzem auf dem Index. Auf der Todesliste der Islamisten steht sie
immer noch. Die "Ueberreste des Mubarak-Regimes" sind ihrer Meinung
nach immer noch an der Macht. Al-Saadawi glaubt nicht, dass es in
fuenf Monaten freie und faire Wahlen geben wird.
Sie moniert: "Sie aendern die Artikel, die zum Beispiel die Amtszeit
des Praesidenten festlegen. Sie beschaeftigen sich mit
oberflaechlichen politischen Dingen. Aber die Ungerechtigkeiten der
Verfassung, egal ob in Bezug auf Frauen oder Christen, werden nicht
geaendert."
Immer noch steht im Artikel 2 der Verfassung, dass der Islam die
Staatsreligion sei und die Hauptquelle der Gesetzgebung. Das bedeutet
Diskriminierung gegenueber ChristInnen und Frauen. Und wenn es auch
spaeter im §11 der Verfassung heisst, dass Maenner und Frauen
gleichberechtigt seien, wuerde die Gesetzgebung hauptsaechlich im
Sinne der Scharia ausgelegt, wenn die neue Verfassung nicht
ausdruecklich Staat und Religion trenne.
Nawal al-Saadawi sieht einen Zusammenhang zwischen Kapitalismus,
zunehmender Armut und zunehmendem Sexismus und Gewalt. Kuerzlich sagte
sie auf eine Frage, ob es eine andere Art der islamischen Kultur gebe,
"die Natur der Frauen zu schaetzen": "So ein Quatsch! Was soll denn
das fuer eine Natur der Frauen sein? Es gibt sie nicht. (...) Unter
der Unterdrueckung durch die Klassenherrschaft und den Kolonialismus
tauchte dieser Begriff der weiblichen Natur auf. Dessen einziger Zweck
ist es, uns zu spalten, damit wir besser unterdrueckt werden koennen.
Hier gehen die Diktatoren und die Interessen des Westens Hand in
Hand."
(Sigrid Lehmann-Wacker in Graswurzelrevolution 358 / geringf. bearb.)
http://www.graswurzel.net/358/aegypten.shtml
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